In zwei Wochen soll der Einzug in die Landtage von Brandenburg und Thüringen folgen, nächstes und übernächstes Jahr sollen Bürgerschaften und weitere Landtage erobert werden. 2017 will Lucke dann seine Mannschaft in den Bundestag führen.

Es ist aber zweifelhaft, ob sich die AfD halten kann, obwohl es Meinungsforschern zufolge durchaus Potenzial für eine Partei rechts der Union gibt. Wie die nahezu in der politischen Versenkung verschwundene Piratenpartei trägt auch die AfD den Keim des Niedergangs in sich. Unter der Oberfläche der Partei gärt es. Hinter den Kulissen wird heftig um die Parteisatzung gerungen. Parteigründer Lucke hatte sich vergangenen März auf einem Parteitag nicht mit einem Entwurf durchsetzen können, mit dem der Vorstand mehr Kompetenzen erhalten sollte. Seitdem müht sich eine Satzungskommission mit dem Thema ab.

Auch um politische Ziele wird heftig gestritten. In einem bislang einmaligen Vorgang machten alle drei Spitzenkandidaten für die Landtagswahlen in diesem Jahr gemeinsam Front gegen Lucke. Der hatte im Europaparlament für eine Vorstufe von Sanktionen gegen Russland gestimmt. Postwendend erklärten Frauke Petry (Sachsen), Alexander Gauland (Brandenburg) und Björn Höcke (Thüringen), Sanktionen lägen nicht im Interesse der AfD und verstößen zudem gegen die Beschlusslage der Partei. Etwas spitzfindig verteidigte sich Lucke mit dem Hinweis, es sei bei der Abstimmung nicht um die Verhängung von Sanktionen, sondern nur um die Vorbereitung von Sanktionen gegangen sei. Im Übrigen gehe es bei der Ukraine-Krise um Krieg und Frieden. "Da muss jeder Abgeordnete nach seinem Gewissen entscheiden."

In vielen Politikfeldern hat sich die ursprünglich auf die Euro-Kritik verengte AfD noch nicht festgelegt. Den Parteioberen ist jedoch klar, dass allein die Ablehnung der Rettungsmaßen für überschuldete Euro-Staaten und das Nein zur Gemeinschaftswährung nicht ausreichen, um dauerhaft Wähler zu binden. Die AfD versucht mit einem betont nationalen und streng konservativen Kurs zu punkten. Dabei fällt mancher Funktionär mit rechtsradikalen Äußerungen auf. Erst im Juni trat in Sachsen der stellvertretende Landeschef Thomas Hartung zurück, nachdem er sich öffentlich abfällig über Menschen mit Down-Syndrom geäußert hatte. Solche und andere Vorfälle haben der AfD den Vorwurf eingetragen, rechtspopulistisch zu sein.

Alle Bundestagspartien halten der AfD eine kaum kaschierte Fremdenfeindlichkeit sowie eine fragwürdige Haltung gegenüber Minderheiten vor. Lucke ließ dies auch am Wahlabend nicht gelten: "Wir lassen uns nicht nach irgendeinem Rechts-Links-Schema einordnen." Union, SPD, Grünen, FDP und Linkspartei bescheinigte er, "verbraucht" zu sein. Nach Erkenntnissen von Wahlforschern zieht die AfD mit solchen Äußerungen auch Protestwähler an. In einer ersten Analyse des Wählerverhaltens in Sachsen hieß es im ZDF, die Werte seien typisch für eine solche "Denkzettelwahl".

Damit lassen sich aber nach Erkenntnissen der Meinungsforscher Wähler auf Dauer nicht binden. "Irgendwann müssen die liefern", sagte Forsa-Chef Manfred Güllner Reuters und meint damit, die AfD muss den Wählern klar sagen, wofür sie steht und wie sie es erreichen will.

Warnendes Beispiel ist die Piratenpartei, die es über Monate nicht schaffte, ein komplettes Parteiprogramm zu beschließen und damit die Geduld der Wähler überstrapazierte. Zudem trugen nicht aufhörende Personalquerellen zum Niedergang der Piratenpartei bei. Beides lässt sich auch bei der AfD beobachten.

Lucke ist es bislang nicht gelungen, die Streitereien zu stoppen und tut sie als Geburtswehen einer neuen Partei ab. In Parteikreisen wird zwar nicht bestritten, dass der Ökonomieprofessor die unangefochtene Nummer eins in der AfD ist. Gleichzeitig wird er in der Parteispitze aber auch als dünnhäutig, aufbrausend und beratungsresistent beschrieben.

Lucke hat bereits erklärt, dass er trotz seines Mandats im EU-Parlament 2017 für den Bundestag kandidieren will. Möglicherweise erhält er dann aus Sachsen Konkurrenz. Die siegreiche Spitzenkandidatin Petry hat schon vor dem Wahlsonntag gegenüber Reuters erklärt, sie könne noch nicht sagen, ob sie die ganze Legislaturperiode im Landtag bleibe oder vorher in die Bundespolitik wechsele.

Reuters