Paul Singer polarisiert. Für die einen ist der 74 Jahre alte Milliardär eine Investmentlegende, für andere ein skrupelloser Renditejäger. Bei Bayer wird man bald herausfinden, welches Klischee der Wirklichkeit am nächsten kommt: Aktien des Pharma- und Agrarkonzerns im Wert von 1,1 Milliarden Euro hat Singers Investmentgesellschaft Elliott eingesammelt. Das klingt nicht spektakulär, reicht aber aus, um Druck auszuüben.

Im Fall von Bayer ist der Tonfall bislang höflich. In einer Stellungnahme wird das Potenzial des Konzerns hervorgehoben: Elliott sei der Ansicht, dass "der aktuell niedrige Aktienkurs von Bayer den signifikanten Wert der einzelnen Geschäftseinheiten beziehungsweise die bestehende Wertschaffungsmöglichkeit von mehr als 30 Milliarden Euro nicht widerspiegelt". Solche Worte können freilich auch als versteckte Drohung interpretiert werden.

Bayer hat sich durch die Übernahme des Saatgutriesen Mon­santo in eine dramatische Krise manövriert: In den USA wird Monsanto und damit Bayer von Schadenersatzklagen überzogen, weil das Pflanzenschutzmittel Glyphosat angeblich Krebs verursacht. Bayer bestreitet das vehement, ist aber den Sonderheiten des amerikanischen Justizsystems ausgeliefert. Geschworenengerichte verhängen oft exzessive Strafen gegen Konzerne, die in späteren Instanzen korrigiert werden. Bayer hat die ersten drei Prozesse verloren und damit viele neue Kläger ermutigt. Inzwischen sind etwa 13.400 Verfahren anhängig.

Drei Szenarien


Mehrere Szenarien stehen im Raum: Schadenersatzzahlungen könnten den Konzern in eine finanzielle Schieflage bringen, Landwirte aus Angst vor den gesundheitlichen Risiken auf den Einsatz von Glyphosat verzichten. In diesem Fall würde die Aktie noch mal deutlich unter Druck geraten. Bayer könnte sich aber auch durch außergerichtliche Vergleiche ohne Schuldeingeständnis von den Risiken befreien. Die Prozesse in der Hoffnung auf einen Freispruch durch alle Instanzen zu treiben, würde dagegen lange dauern und allein durch die ­hohen Anwaltskosten ebenfalls teuer werden.

In Leverkusen verdichten sich die Signale, dass Bayer in die Offensive geht: Der Konzern hat im Aufsichtsrat einen Ausschuss ins Leben gerufen, der das Thema "entschlossen und mit Umsicht" voranbringen soll. Mehrere Mitglieder des Ausschusses haben nach Angaben von Bayer "umfassende Erfahrung mit komplexen Gerichtsverfahren". Mit dem amerikanischen Anwalt John Beisner engagierte der DAX-Konzern zudem einen Experten für Produkthaftungsklagen, der den US-Pharmakonzern Merck & Co. beim Skandal um das Schmerzmittel Vioxx beraten hatte. Nicht nur Elliott wertet die neuen Beschlüsse des Konzerns positiv. Das Analysehaus Baader Helvea sieht die Chance auf eine Beilegung des Rechtsstreits steigen: Eine außergerichtliche Einigung mit Kosten von 15 bis 20 Milliarden Euro für Bayer wäre positiv für die Aktie.

Die Börse hat bereits ein erhebliches Prozessrisiko verarbeitet: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis der Aktie liegt inzwischen mehr als 20 Prozent unter dem Durchschnitt der vergan­genen zehn Jahre. Der aktuelle Wert des Bayer-Konzerns entspricht in etwa dem Kaufpreis von Monsanto.

Risiko: Die Risiken sind groß, die Bayer-Aktie ist aber niedrig bewertet. Die heißeste Turnaround­Spekulation im DAX.
Empfehlung: Kaufen.
Kursziel: 70,00 Euro
Stoppkurs: 50,00 Euro