Beim Agrar- und Pharmakonzern Bayer haben sich Hoffnungen auf eine rasche Beilegung der milliardenschweren Glyphosat-Streitigkeiten in den USA als trügerisch erwiesen. Der DAX-Konzern bekommt von der US-Regierung Gegenwind, seine Berufung im Rechtsstreit um angebliche Krebsrisiken seines glyphosathaltigen Unkrautvernichters Roundup vor dem Obersten Gericht der USA voranzutreiben. Generalstaatsanwältin Elizabeth Prelogar, die die Regierung vor dem Supreme Court vertritt, hat jetzt dem Gericht von der Annahme des Berufungsantrags von Bayer abgeraten. Die Genehmigung des Unkrautvernichters durch die US-Umweltschutzbehörde EPA ohne eine Warnung vor bestimmten chronischen Risiken "hebt an sich nicht die Verpflichtung auf, solche Warnhinweise zu geben", schrieb Prelongar in einer Stellungnahme. Das Gericht folgt im Allgemeinen den Empfehlungen.

An der Börse sorgte das für Enttäuschung, die Bayer-Aktie lag am Mittag rund sechs Prozent im Minus. Szenarien, wonach alle Roundup-Klagen beenden würden, seien damit erst mal vom Tisch, hieß es in Branchenkreisen. Das Unternehmen selbst erklärte, es sei "weiterhin überzeugt, dass es gute rechtliche Argumente für den Supreme Court gibt, Urteile zu korrigieren. Dies bestätigen auch zahlreiche Stellungnahmen, die dazu eingereicht wurden."

Die EPA habe mehrfach festgestellt, dass glyphosatbasierte Unkrautvernichter sicher genutzt werden könnten und nicht krebserregend seien. "Daher wäre eine Krebswarnung auf diesen Produkten falsch und irreführend und wird durch das relevante Bundesgesetz ausgeschlossen." Die Entscheidung liege nun in den Händen des Supreme Court.

Für den Fall, dass das Gericht den Fall nicht annimmt oder im Sinne der Kläger urteilt, hatte Bayer bereits vor einem Jahr vorgesorgt und zusätzliche Rückstellungen von 4,5 Milliarden Dollar gebildet und einen umfassenden Plan zur Beilegung der Rechtsstreitigkeiten aufgelegt. Eine Entscheidung des Supreme Courts zugunsten Bayers würde laut Vorstandschef Werner Baumann mögliche künftige Rechtsstreitigkeiten im Grunde beenden. Die Chancen dafür sehen nun aber schlecht aus.

Die Klagewelle in den USA hat sich Bayer mit der milliardenschweren Übernahme des Glyphosat- und Roundup-Entwicklers Monsanto ins Haus geholt. Bislang hat Bayer drei Prozesse in erster Instanz mit millionenschweren Schadenersatzzahlungen verloren und in allen bisherigen Berufungsverfahren Niederlagen erlitten.

Die Vorwürfe gegen Glyphosat hat Bayer stets zurückgewiesen. Behörden weltweit haben das Mittel als nicht krebserregend eingestuft. Um die Klagewelle vom Tisch zu bekommen, hatte Bayer im Sommer 2020 einen milliardenschweren Vergleichsplan über 11,6 Milliarden Dollar bekanntgegeben. Zuletzt standen noch für rund 31.000 der insgesamt 138.000 eingereichten und drohenden Klagen Einigungen aus.

Einschätzung zur Bayer-Aktie


Anders als die Allianz, die ihr Hedgefonds-Debakel in den USA inzwischen wohl weitgehend abschließen kann, wird Bayer seinen milliardenschweren Glyphosat-Risiken nicht so schnell los. Die US-Generalstaatsanwaltschaft hat jetzt die Annahme eines Berufungsantrags von Bayer vor dem Obersten Gericht der USA abgelehnt. Hoffnungen auf ein rasches Ende der Glyphosat-Streitigkeiten, die den Aktienkurs seit einiger Zeit beflügelt haben, haben sich damit vorerst nicht erfüllt. Bayer hat vielmehr im Rechtsstreit um Gesundheitsrisiken seines Unkrautvernichters Glyphosat einen schweren Rückschlag erlitten.

Die Bayer-Aktie hat die Kursgewinne nach den unerwartet guten Zahlen vom Vortag am Mittwoch wieder abgegeben und lag am Mittag sechs Prozent im Minus. Die Glyphosat-Hängepartie mit unkalkulierbaren Risiken und ungewissem Ausgang geht also vorerst weiter und wird die operativen Fortschritte immer wieder überschatten, die der Konzern zweifelsohne macht. Anleger sollten den Lauf des Verfahrens in den USA weiter im Blick behalten. Ein Einstieg drängt sich derzeit nicht auf.

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rtr/ehr