Rund 816 900 Euro. So viel verdient ein durchschnittlicher Angestellter hierzulande während seines Arbeitslebens. Aka­demiker kommen im Lauf ihrer Karriere auf siebenstellige Beträge. Diese Summen verdeutlichen, dass bei den meisten Menschen das Geld, das sie mit ihren Händen oder mit geistiger Arbeit verdienen, die wichtigste Einnahmequelle ist, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Obwohl beinahe alles an der "Arbeitskraft" hängt, haben viele Bundesbürger sie nur unzureichend abgesichert. Nur jeder vierte Haushalt hat eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU), die zahlt, wenn man seinen erlernten Beruf zeitweise oder gar nicht mehr ausüben kann. Der Zahl der Versicherten steht die Zahl der Betroffenen gegenüber. Laut Schätzungen von Versicherungen und Versicherungsmathematikern wird jeder vierte Arbeitende zumindest zeitweise berufsunfähig.

"Die BU ist der einzige Weg, sich den jetzigen oder den geplant künftigen Lebensstandard zu sichern", sagt Versicherungsmakler Peter Wolnitza. Die Alternativen sind deutlich schwächer: Eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung (EU) ist zwar leichter zu bekommen, sie zahlt aber nur dann, wenn ihr Inhaber nicht einmal mehr drei Stunden pro Tag ­irgendeiner Tätigkeit nachgehen kann.

So würde ein Geschäftsführer, der aufgrund eines Burn-outs nicht mehr in ­seiner alten Position arbeiten kann, mit ­einer EU auch als Pförtner arbeiten ­müssen, eine BU würde ihm eine Rente zahlen. Für die volle staatliche Erwerbsunfähigkeitsrente gelten die gleichen ­Regeln wie bei der EU.

Eine BU zu bekommen ist allerdings alles andere als einfach. Vor allem weil es bei dieser Versicherung um so viel Geld geht, kommt es auf den genauen Wortlaut im Vertrag an. Versierte Makler und Versicherungsberater helfen Laien, das Fachchinesisch zu verstehen und die richtigen Tarife zu finden. Für den Bund der Versicherten, Deutschlands größte Verbrauchervereinigung im Versicherungsbereich, gehört die BU zu den Policen, die man nur mit fachkundiger Hilfe abschließen sollte. Qualifizierte Makler kennen die Leistungsunterschiede, Annahme-Gepflogenheiten und das Verhalten im Leistungsfall. Zu deren Insiderwissen gehört auch, welcher Versicherer für welche Berufsgruppen empfehlenswert ist, wer für Beamte und wer für ­Büroangestellte.

Die BU funktioniert nach dem Alles-oder-nichts-Prinzip. Wer lediglich zu 49 Prozent berufsunfähig ist, geht leer aus. Nur wer dauerhaft 50 Prozent oder mehr eingeschränkt ist, erhält die vereinbarte Rente - und wie bei allen Ver­sicherungen muss der Policeninhaber seinen ­Anspruch nachweisen. Aber der Reihe nach.

Die Gesundheitsprüfung

. Damit eine Versicherung das Risiko einschätzen und eine Prämie berechnen kann, muss sie den Gesundheitszustand überprüfen. Der Antragsteller muss diesen wahrheitsgemäß darlegen - und das ist nicht so einfach. "Man darf nichts bagatellisieren", sagt BU-Experte Wolnitza. "Im Leistungsfall gilt nur, was schwarz auf weiß festgehalten ist." Ein großes Problem sind Abrechnungsdiagnosen. So nennt man es, wenn ein Arzt seine Behandlung bei der Krankenkasse nicht adäquat abrechnen kann und daher auf andere Krankheitsbezeichnungen ausweicht.

Dann steht in der Krankenakte statt kurzzeitiger Mattheit ein vegetatives Erschöpfungssyndrom. Frauen, die eigentlich nur auf eine andere Pille umsteigen wollen, haben auf einmal psychische Beschwerden. Solche Diagnosen führen dazu, dass die Versicherung bei bestimmten Erkrankungen erst gar nicht zahlt, sie also bereits im Vertrag vom Schutz ausschließt. Kommt die Falschdiagnose erst später, wenn der Versicherte die BU-Rente einfordert, ans Licht, bekommt er keinen Cent, obwohl er vielleicht über Jahre hinweg seine Prämie gezahlt hat. Ein guter Makler lässt sich daher sämt­liche Akten über seinen Kunden von dessen Krankenversicherung kommen und fragt notfalls nach.

Wer einen Makler zurate zieht, hat auch den Vorteil, dass der anonym bei verschiedenen Gesellschaften anfragen kann, zu welchen Kosten und mit welchen Leistungsausschlüssen eine Police möglich wäre. Dabei gibt es oft sehr ­unterschiedliche Ergebnisse. "Wenn wir bei acht guten Versicherern ein und denselben Fall mit identischen Unterlagen anfragen, reichen die Antworten schon mal von klarer Ablehnung bis zu gerade noch glatter Annahme", berichtet Wolnitza. Zudem werden Voranfragen von Maklern nicht in HIS gespeichert. In dieser Datei speichern Versicherer Anträge und Anfragen von Kunden, um Unregelmäßigkeiten und Versicherungsbetrüger zu entdecken. Wer auf eigene Faust bei verschiedenen Versicherern nach einer BU anfragt, landet recht sicher auf dieser schwarzen Liste und hat es dann umso schwerer, eine Police zu bekommen.

Je früher, desto besser.

Solange man nicht den Versicherer wechselt, gilt das Ergebnis der Gesundheitsprüfung. Wer schon als Schüler oder Student einsteigt, ist in der Regel noch ziemlich gesund. Er bleibt zudem dauerhaft in einer güns­tigen Personengruppe eingestuft, auch wenn er später einen gefährdeteren Beruf ausübt oder gefährliche Hobbys hat. "Schon Reiten kann die Prämie verteuern", sagt Makler Wolnitza.

Auch wenn man berufsunfähig geworden ist und seine BU-Rente bekommen will, sollte man nicht auf eigene Faust loslegen. "Hier sind erst recht ­Experten erforderlich", warnt Wolnitza, Ein Makler arbeitet vor und holt sich dann falls nötig die Expertise eines unabhängigen Versicherungsberaters, der sich auf BU-Leistungsanträge spezialisiert hat.

"Checken Sie Ihren Makler"


Peter Wolnitza ist ein bundesweit tätiger Versicherungsmakler, der sich auf Berufsunfähigkeits­ver­sicherungen spezialisiert hat

€uro: Gibt es Informations­quellen für Selbstentscheider?
Peter Wolnitza: Kaum. Ratings und Rennlisten kann man nur als Negativlisten nutzen. Wenn eine Versicherung nicht einmal hier die Bestnoten bekommt, haben ihre Entwickler geschlafen. Die Policen werden heute vordergründig an den Ratingkriterien ausgerichtet und häufig erst weiter hinten wieder eingeschränkt.

Haben Sie ein Beispiel?
Weltweite Deckung wird in einem späteren Paragrafen auf Länder eingeschränkt, die keinen Sank­tionen der USA oder EU unter­liegen. Frage: Worauf ist im Handelskrieg dann noch Verlass?

Was muss ein Laie beachten?
Er muss sich mit der Materie ­beschäftigen und wenigstens ein paar neuralgische Punkte kennen. Somit kann er seinen Ver­sicherungsmakler mit ein paar ­Fragen checken.

Warum ist das so wichtig?
Weil die Police ein ganzes Erwerbsleben laufen soll. Es ist ­keine Meisterleistung, den preisgünstigsten Anbieter mit einer Reihe von Tarifmerkmalen zu ­finden, wenn genau dieser später die Beiträge erhöhen muss.