Ein Sprecher der Frankfurter Wertpapierbörse bestätigte gegenüber boerse-online.de, dass die Börse derzeit ein Sanktionsverfahren gegen den Aschheimer Zahlungsabwickler prüfe. Wegen verspäteter Bilanzvorlage drohe dem Unternehmen eine Strafe von bis zu einer Million Euro, so der Sprecher. Wirecard hätte den Geschäftsbericht 2019 spätestens am 30. April vorlegen müssen, hatte die Veröffentlichung aber kürzlich auf den 4. Juni verschoben, unter anderem mit Verweis auf die noch zu berücksichtigenden Ergebnisse einer Sonderprüfung durch KPMG. Als weiteren Grund nannte Wirecard die Corona-Krise. Nach Angaben des Börsensprechers ist bei wiederholten Verstößen gegen die Publizitätsanforderungen der Frankfurter Börse ein Ausschluss aus dem Prime Standard und damit auch aus dem DAX möglich.

Wirecard hatte die externe KPMG-Sonderprüfung im Herbst 2019 selbst veranlasst, um den Vorwurf der Bilanzmanipulation aufzuklären. Die Wirtschaftsprüfer von KPMG hatten allerdings in ihrem Ende April vorgelegten Prüfbericht moniert, dass man ihnen nur unzureichenden Zugriff auf Unterlagen vor allem der Auslandstöchter gewährt habe.

Rücktrittsforderungen gegen Wirecard-Chef Braun


Inzwischen werden bei prominenten Investoren erste Rücktrittsforderungen gegen Wirecard-Chef Markus Braun laut. Als erste große deutsche Fondsgesellschaft meldete sich die Deka zu Wort: "Wir fordern den Rücktritt von Markus Braun", sagte Deka-Corporate-Governance-Experte Ingo Speich, der "Wirtschaftswoche". Braun sei der Hauptverantwortliche für den Vertrauensverlust des Zahlungsabwicklers am Kapitalmarkt. Dieser lasse sich nur reparieren, indem ein anderer den Chefposten übernehme. Die Deka gehört zu den größten Investoren von Wirecard (siehe Tabelle). Der Deka sei bewusst, dass Wirecard mit dem Weggang von Braun viel Wissen verlöre, sagte Speich. Doch sei er offenkundig nicht in der Lage, den Konzern auf DAX-Niveau zu führen.

Die Sprecherin der Aktionärsvereinigung DSW, Daniela Bergdolt, hatte gegenüber boerse-online.de bereits den Aufsichtsrat aufgefordert, bei Wirecard durchzugreifen. Eine direkte Rücktrittsforderung gegen Braun stellte sie aber nicht. Auch Großinvestor Union Investment verlangte zwar Veränderungen bei Wirecard, steht aber hinter dem langjährigen Vorstandschef. "Wir fordern nicht den Rücktritt von Markus Braun. Aber wir fordern eine Stärkung der Kompetenzen in kritischen Bereichen wie Accounting und Compliance durch Neubestellung externer Vorstandsmitglieder", sagte Fondsmanager Andreas Mark.

Beobachter rätseln inzwischen auch, wie die Wirecard-Prüfgesellschaft EY den Abschlüssen 2016 bis 2018 ein uneingeschränktes Testat erteilen konnte, obwohl die externen Prüfer von KPMG erhebliche Lücken im Zahlenwerk bemängelten.

Die größten Wirecard-Aktionäre (Stand: 8.4.2020):


Markus Braun, Vorstandschef 8,7 Prozent
Deutsche Bank 7,3 Prozent
Artisan Partners 3,9 Prozent
Vanguard 3,6 Prozent
Blackrock 3,6 Prozent
Jupiter Investment 3,6 Prozent
Union Investment 2,6 Prozent
Deka 2,0 Prozent