Weihnachten könnte dieses Jahr das Fest der Enttäuschungen werden. Egal ob Handys, Elektronik oder Spielzeug - bei vielen beliebten Produkten drohen Lieferengpässe. Sogar der iPhone-Hersteller Apple, der aufgrund seiner Marktmacht oft bevorzugt bedient wird, steckt in der Klemme: Weil Geschäftspartner wichtige Komponenten nicht liefern können, wird der Techriese wohl zehn Millionen iPhones weniger produzieren als geplant.

Anderthalb Jahre nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie erholt sich die Wirtschaft - von einer Normalisierung aber ist die Welt weit entfernt. Das schnelle und dynamische Comeback überlastet die Infrastruktur. Nachdem Unternehmen in der Krise die Produktion gedrosselt haben, fehlen jetzt viele Vorprodukte. Auch die Pandemie ist noch nicht ausgestanden: In Vietnam etwa, einem der wichtigsten Produktionsstandorte der Weltwirtschaft, gibt es noch immer Ausfälle. Selbst wenn Waren verschifft sind, gibt es keine Entwarnung: Viele Häfen sind überlastet, weil Personal und Güterwagen fehlen. In Los Angeles beispielsweise, dem wichtigsten Ankerplatz in den USA für Einfuhren aus Asien, hingen zuletzt über 60 Frachter in der Warteschleife.

Besonders hart trifft es die Autoindustrie. Schon vor der Pandemie zog die Nachfrage nach Chips dort stark an, jetzt haben sich die Engpässe zu einer massiven Krise ausgeweitet. Aufgrund fehlender Halbleiter werde der weltweite Autoabsatz im laufenden Jahr um bis zu elf Millionen Fahrzeuge einbrechen, so die Beratungsgesellschaft PwC.

Schmerzhafter für Verbraucher sind die Turbulenzen an den Rohstoffmärkten. Viele der klassischen Produzenten haben ihre Investitionen stark reduziert. Erneuerbare Energien können die Lücke nicht schließen. Die Konsequenz: steigende Preise. In Deutschland sind die Kosten für Heizöl im September sogar um 76,5 Prozent nach oben geschossen. Die Gesamtinflation für die Bundesrepublik zog um 4,1 Prozent an - so stark wie seit fast 28 Jahren nicht mehr. In den USA stieg die Teuerungsrate zuletzt um 5,4 Prozent.

Das neue Angstwort

Die Notenbanken stehen vor einem Balanceakt: Steigen die Preise zu stark, müssen sie über Zinserhöhungen gegensteuern. Damit aber könnten sie die Konjunktur abwürgen und eine Wirtschaftskrise heraufbeschwören. Das neue Angstwort lautet Stagflation, also die Kombination aus stagnierender Wirtschaft und stark steigenden Preisen. Eine Analyse der Investmentbank Goldman Sachs zeigt, dass der amerikanische Aktienmarkt seit 1960 in Quartalen mit einer solchen Konstellation im Schnitt 2,1 Prozent an Wert verloren hat.

Besonderes Gewicht haben die Weichenstellungen der Währungshüter in den USA. In einem ersten Schritt, wahrscheinlich noch in diesem Jahr, wird die Fed ihre Anleihekäufe reduzieren. 2022 dürfte dann die erste Zinsanhebung anstehen. Aus Sicht der Börse bedeutet die Zinswende, dass die Zeit der Sorglosigkeit zu Ende geht. Viele Jahre waren die Bedingungen ideal: Immer weiter sinkende Zinsen und ein komfortables Wirtschafswachstum trieben die Kurse auf immer neue Rekorde. Die Pandemie war nur ein kurzes Störfeuer, das von Notenbanken und staatlichen Hilfsprogrammen schnell erstickt wurde.

Das Basisszenario vieler Börsenprofis ist, dass die aktuellen Preissteigerungen eine vorübergehende Nachwirkung des Corona-Schocks sind und sich die Lage bald normalisiert. Dennoch dürften sich die Rahmenbedingen verschieben: Steigende Zinsen sind ein gefürchteter Feind des Börsenbullen, weil dann Schulden und Investitionen teurer werden, Anleihen als defensive Alternativen zur Aktie dagegen attraktiver.

Welche Aktien profitieren in diesem Umfeld? Die Redaktion sieht in drei Bereichen überdurchschnittliche Chancen: Banken können bei steigenden Zinsen in ihrem Kerngeschäft leichter Geld verdienen. Unternehmen mit Preissetzungsmacht geben steigende Kosten an ihre Kunden weiter und müssen darum eine moderate Inflation nicht fürchten. Geduldige Anleger setzen auf Titel, die zuletzt unter Druck geraten sind, aber durch ihr niedriges Bewertungsniveau einen Sicherheitspuffer bieten.

Banken

Steigende Zinsen sind eine gute Nachricht für Banken. Im klassischen Kerngeschäft lässt sich dann wieder Geld verdienen. Zudem sind sie Signal einer gut laufenden Wirtschaft, in der die Finanzwelt auch in anderen Geschäftsbereichen profitiert, etwa bei der Begleitung von Börsengängen. Auch werden die Banken bei der Beschaffung und Verteilung der Mittel zur Finanzierung der Klimapolitik eine wichtige Rolle spielen und daran verdienen.

JP Morgan Chase, die größte Bank der USA, hat bereits Ergebnisse für das dritte Quartal vorgelegt. Der Finanzriese profitierte von seinem starken Investmentbanking. Das Geschäft mit Beratungsleistungen für Unternehmensübernahmen, Teilverkäufe und Zusammenschlüsse verzeichnete mit 1,2 Milliarden Dollar ein Rekordergebnis. Dieser Bereich dürfte weiter positive Nachrichten liefern, gerade weil JP Morgan bei grenzüberschreitenden Transaktionen gut positioniert ist. Zudem wird auch der rege Aktienhandel hohe Einnahmen bescheren.

Für die Aktie von JP Morgan sprechen die hohe Profitabilität von geschätzt mehr als 16 Prozent Eigenkapitalrendite für 2021 und das breit gefächerte Angebot vom Investmentbanking über die Vermögensverwaltung bis zu Geschäften mit Unternehmen und Privatkunden. Nicht zuletzt erhöht die Dividenden- und Ausschüttungspolitik der Bank die Attraktivität der Aktie.

Dividendenriese

Die niederländische ING Groep hat sich seit Beginn der Pandemie um rund 30 Prozent besser entwickelt als der europäische Bankensektor. Analysten verweisen auf die strenge Kostendisziplin. Wichtiger Gewinntreiber sind die Gebühreneinnahmen, die im Durchschnitt seit 2019 um jährlich elf Prozent zugelegt haben. Gerade auf dem deutschen Markt erzielen die Niederländer zunehmend hohe Einnahmen mit dem Handel von Aktien und Anleihen, obwohl bislang nur knapp 20 Prozent der ING-Kunden in Deutschland über ein Wertpapierhandelsdepot verfügen. Betrachtet man das Kurs-Gewinn-Verhältnis, notiert die Aktie derzeit noch gut zehn Prozent unter dem Niveau der Konkurrenz. Und auch mit einer Dividendenrendite von mehr als fünf Prozent zählt die Bank zur europäischen Spitzengruppe.

Europäische Spitze

Spekulativer ist die Aktie von Banco Santander. Die größte Bank Spaniens ist geografisch stark diversifiziert, das Geschäft auf drei Regionen annähernd gleich verteilt. Santander macht nicht nur auf dem Heimatmarkt und in Europa gute Geschäfte, rund 31 Prozent ihres Profits erzielt die Bank in Südamerika, ein weiteres knappes Drittel in Nordamerika. 52 Prozent der Vertriebserlöse wurden im ersten Halbjahr 2021 über digitale Kanäle erzielt. Mittlerweile beträgt die Anzahl der Digitalkunden mehr als 45 Millionen, das bedeutet ein Plus von 14 Prozent innerhalb eines Jahres. Die Ertragsstärke der Bank kann sich sehen lassen: Im ersten Halbjahr 2021 erreichte die Eigenkapitalrendite 12,6 Prozent. Damit zählt das Geldhaus zur Spitze in Europa.

Insgesamt ist die Santander-Aktie noch recht günstig bewertet. Beim Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt Banco Santander deutlich niedriger als die europäische Konkurrenz.

Preismacht

Wenn die Kosten für Arbeit und Materialien steigen, drückt das die Gewinnspanne. Einige Unternehmen können diese Belastungen leicht an ihre Kunden weitergeben. Voraussetzung ist, dass die Produkte oder Dienstleistungen so begehrt sind, dass die Kunden die höheren Preise akzeptieren und nicht zur Konkurrenz abwandern.

In einer starken Position ist ASML. Die Niederländer sind Weltmarktführer in der Chiplithografie und damit wichtiger Zulieferer der Chipindustrie. Mit der Technologie von ASML werden die ultrafeinen Strukturen in die Siliziumscheiben eingebrannt. Die Technologie der Niederländer ist weltweit die einzige, mit der die kleinsten Strukturen möglich sind. Die Maschinen kosten bis zu 150 Millionen Dollar und sind dennoch begehrt, schließlich weiten Chiphersteller ihre Produktion angesichts der hohen Nachfrage aus. Das Nettoergebnis hat ASML im dritten Quartal um 64 Prozent gesteigert. Die Nachfrage bleibe hoch, bekräftigt der Vorstand. Analysten waren allerdings über den Ausblick etwas enttäuscht. Auch ASML hat in der Produktion mit Lieferengpässen zu kämpfen. Rücksetzer der Aktie bleiben aber Einstiegsgelegenheiten.

Prickelndes Geschäft

Viele treue Kunden haben die Hersteller von Markenartikeln. PepsiCo ist vor allem für seine gleichnamige Zuckerbrause bekannt, verkauft aber auch Snacks wie Kartoffelchips. Das Abflauen der Pandemie treibt das Geschäft an, da viele Kunden die Produkte in Restaurants oder auch bei Großveranstaltungen konsumieren. PepsiCo sichert sich meist auf Sicht von sechs bis neun Monaten vorab gegen steigende Kosten ab. Weil sich der Puffer abnutzt, werden inzwischen auch die Verbraucherpreise angehoben. Da auf den Preisschildern einer Dose Pepsi oder einer Tüte Chips relativ kleine Beträge stehen, lassen sich Aufschläge ziemlich geräuschlos durchsetzen. Aus dem Konzern heißt es, dass sich Kunden beim Shoppen stärker von der emotionalen Bindung an Marken lenken lassen.

Anfang des Monats hat der Konzern seine Jahresprognose angehoben und rechnet jetzt für das laufende Jahr mit einem organischen Umsatzwachstum von acht statt sechs Prozent.

Ein profitabler Tierfreund

Hund und Katze sind für viele Menschen Familienmitglieder. Darum werden keine Kosten gescheut, wenn es dem treuen Begleiter schlecht geht. Davon profitieren Pharmaunternehmen, die sich auf Tiere spezialisiert haben. Der weltweite größte ist Zoetis. Die ehemalige Pfizer-Tochter stellt unter anderem Produkte zur Bekämpfung von Flöhen, Zecken und Würmern her.

Neben Haustieren entwickelt Zoetis auch Medikamente für Nutztiere. Dieser Bereich ist stärker von der allgemeinen Konjunkturlage abhängig. In beiden Kategorien profitiert der Konzern aus New Jersey von der wachsenden Weltbevölkerung und dem Aufstieg der Schwellenländer. Diese Trends steigern die Nachfrage nach Nahrungsmitteln und Haustieren. Im Vergleich zur Humanmedizin sind die Entwicklungskosten für neue Produkte in der Tiermedizin geringer, allerdings auch die Umsätze erfolgreicher Wirkstoffe. Das Geschäft von Zoetis dürfte gegen Inflation, aber auch gegen eine Konjunkturabkühlung vergleichsweise gut geschützt sein.

Günstig bewertet

Die jüngste Kursschwäche der Aktienmärkte hat einige Titel kräftig gedrückt. Langfristig orientierten Anlegern kann das Einstiegschancen bieten, insbesondere bei Dividendenwerten.

Der Chemiekonzern BASF beliefert weltweit 90.000 Kunden aus den verschiedensten Bereichen der Wirtschaft. Auch wenn sich die Ludwigshafener inzwischen stärker auf weniger zyklische Bereiche konzentrieren, ist das Geschäft stark von der Weltkonjunktur abhängig. Steigende Rohstoffpreise dürfte BASF zumindest in einigen Bereichen an die Kunden weitergeben. Über die Mehrheitsbeteiligung an Wintershall Dea sollte BASF von hohen Preisen für Erdöl und Erdgas profitieren.

Belastet wurde die Aktie zuletzt unter anderem durch Sorgen, dass sich die chinesische Wirtschaft abkühlen könnte. Das Land ist auch für die Chemie der wichtigste Wachstumsmarkt. Langfristig deutliches Wachstumspotenzial soll das Geschäft mit Batteriematerialien bringen. Die Nachfrage dürfte vor allem durch Elektroautos deutlich anziehen. BASF ist derzeit moderat bewertet. Vor allem die Dividendenrendite liegt auf Basis der aktuellen Schätzungen bei rund fünf Prozent. In der Vergangenheit war dieses Niveau oft ein zuverlässiger Boden.

Kursbremse lösen

In einem modernen Fahrzeug werden rund 1.400 Halbleiter verbaut. Sie steuern nahezu alles, vom Airbag bis zum Motor. Weil der Bedarf massiv gestiegen ist, können die Zulieferer nicht schnell genug produzieren. Autokonzerne konzentrieren sich in der Not bei der Produktion auf Modelle mit hohen Margen. Die Produktionsengpässe haben auch Vorteile: Autokonzerne kommen mit weniger Rabatten aus. BMW hat gerade seine Gewinnprognose angehoben. Die operative Gewinnspanne soll nun bei 9,5 bis 10,5 Prozent liegen und damit am oberen Rand des Langfristziels. Man erwarte, dass anhaltend positive Preiseffekte bei den Neu- und Gebrauchtwagen im Jahresergebnis die negativen Absatzeffekte überkompensieren.

Das Kurs-Gewinn-Verhältnis der im DAX notierten Stammaktie liegt rund zehn Prozent unter dem langjährigen Schnitt. Auch BMW muss viel Geld in den technologischen Umbruch investieren. Der Gewinn dürfte 2022 leicht sinken, dann aber wieder steigen. Die Dividendenrendite liegt über DAX-Niveau.

Versteckte Werte

Die Aktie der Deutschen Telekom hat zuletzt unter der Schwäche der amerikanischen Mobilfunktochter gelitten. Börsianer fürchten, dass sich der Wettbewerb in den USA verschärft und die Margen drückt. Zudem gilt der Telekomsektor, in dem viele Unternehmen stark verschuldet sind, als Leidtragender steigender Zinsen. Die Deutsche Telekom bleibt dennoch ein Analystenliebling. Das durchschnittliche Kursziel liegt mehr als ein Drittel über dem aktuellen Kursniveau. Analysten sehen in dem Konglomerat erhebliche versteckte Werte, die die Rheinländer durch Ausgliederungen relativ leicht heben könnten. Einen Hebel bietet eine Ausgliederung des Funkmastengeschäfts, die im neuen Jahr auf die Agenda rücken könnte. Durch den Kursrutsch ist die Dividendenrendite der T-Aktie auf knapp vier Prozent gestiegen.
 


INVESTOR-INFO

DAX-Gewinner

Chip-Gewinner ganz vorn

Über die vergangenen drei Monate war Infineon der Top-Performer im DAX. Die Börse reagiert damit auf die hohe Nachfrage nach Chips. Auch die Finanzkonzerne sind als potenzielle Profiteure steigender Zinsen weit vorn in der Rennliste. Daimler profitierte von einer Sondersituation, der anstehenden Ausgliederung der Trucksparte.

Bewertungsniveau

Nicht zu teuer

Das Kurs-Gewinn-Verhältnis des DAX liegt aktuell bei 14,4 und damit knapp 15 Prozent über dem langjährigen Durchschnitt. Die deutschen Topkonzerne sind auf Basis der für die kommenden zwölf Monate erwarteten Unternehmensgewinne also nicht billig, aber auch nicht extrem überteuert.

Bundesanleihen

Im negativen Bereich

Anleihen solider Staaten werfen kaum oder gar keine Rendite ab. Die zehnjährige Bundesanleihe liegt sogar im negativen Bereich. Diese Renditeschwäche war und ist auch weiterhin ein Argument für Aktien. Der DAX beispielsweise wirft über die Dividende gegenwärtig rund drei Prozent Rendite ab.

Internationale Banken

Auf Zinswende setzen

Bankaktien haben sich in diesem Jahr kräftig erholt. Die Aussicht auf leicht steigende Zinsen hilft. Viele Aktien aus der Branche liegen trotzdem noch immer weit unter ihrem Niveau aus der Zeit vor der großen Finanzkrise. US-Finanzriesen wie JP Morgan Chase sind am besten durch die Krise gekommen. In Europa gibt die ING Groep ein vergleichsweise gutes Bild ab. Als Investment spekulativer ist die Banco Santander aus Spanien.

Konzerne mit Preismacht

Begehrte Waren

Einige Unternehmen können steigende Kosten auf ihre Kunden abwälzen. Das gelingt in verschiedenen Branchen: Der Chipausrüster ASML besetzt in einem boomenden Markt eine Schlüsselrolle als Zulieferer. Der Konsumgüterkonzern PepsiCo kann sich auf starke Marken verlassen. Hersteller von Tiermedizin wie Zoetis profitieren von der emotionalen Bindung von Haustier und Besitzer.

Günstig bewertet

Verschmähte Substanz

In einem steigenden Aktienmarkt bleiben immer einige Titel zurück. Selbst bei niedriger Bewertung kann es eine Zeit dauern, bis die Kurse dieser Aktien in Schwung kommen. Bei einem attraktiven Bewertungsniveau aber kann sich Geduld lohnen, insbesondere wenn die Papiere überdurchschnittliche Dividendenrenditen abwerfen. Im DAX sehen wir das bei BASF, BMW und Deutsche Telekom.