Noch immer steigt die Zahl der Corona-Infizierten und -toten, ein Medikament ist nicht in Sicht. Trotzdem haben die Weltbörsen in den vergangenen Tagen neue Höchststände getestet. Der DAX nahm sein im Januar erreichtes Rekordhoch von 13640 Punkten wieder ins Visier und verfehlte es am Donnerstag nur um 34 Punkte. Noch in der Vorwoche war der Leitindex unter die Marke von 13000 Punkten gerutscht.

"Der Kampf gegen das Virus wird Chinas Wirtschaftswachstum spürbar verlangsamen", sagte Yi Sun von der Beratungsfirma EY (siehe Interview rechts). Sie hält die Beeinträchtigungen aber für vorübergehend. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer rechnet trotz Einbußen in China mit nur begrenzten Effekten auf die Weltwirtschaft. Die Auswirkungen auf den globalen Handel seien überschaubar, die Gefahr einer Ansteckung des Weltfinanzsystems gering. Allerdings könne die deutsche Wirtschaft im ersten Quartal ein durchaus spürbarer China-Dämpfer von 0,2 Prozent treffen.

Derweil spielt für Investoren die Musik woanders: In den USA haben positive Zwischenberichte der Unternehmen und Entspannungssignale im Handelsstreit die Börsen auf immer neue Höchststände getrieben. Dow-Jones- und S&P-500-Index markierten am Donnerstag weitere Rekordhochs. Die erste Halbzeit der US-Berichtssaison zum vierten Quartal ist vorbei. Laut Datenanbieter Refinitiv übertrafen fast 70 Prozent der S&P 500-Unternehmen die Gewinnschätzungen.

China halbiert Strafzölle


Für Erleichterung sorgte vor allem, dass China kürzlich verhängte Strafzölle auf einige US-Importwaren halbieren will. US-Finanzminister Steven Mnuchin sagte, er erwarte, dass China trotz des Coronavirus-Ausbruchs zu seiner Zusage stehen werde, zusätzlich US-Waren im Wert von mindestens 200 Milliarden Dollar zu kaufen.

Durchwachsene Konjunktursignale gibt es aus Europa. Vor allem in Deutschland sorgten am Freitag Zahlen zur Industrieproduktion und zum Auftragseingang für Ernüchterung. Auch einzelne Schlüsselbranchen wie Maschinenbau berichteten von Auftragseinbrüchen. Positive Konjunktursignale registriert dagegen die EZB: Die schwächelnde Wirtschaft im Euroraum habe womöglich das Gröbste überstanden, sagte EZB-Chefin Christine Lagarde, die Anzeichen für eine Stabilisierung sieht. Das Coronavirus bleibe ein aber Risikofaktor.

Das bekommen westliche Konzerne in China immer stärker zu spüren. Adidas musste viele seiner rund 500 Sportartikelläden in China inzwischen schließen. Der Flugzeugbauer Airbus hat sein Werk in der Hafenstadt Tianjin vorerst geschlossen. Der Autobauer BMW verlängerte den Produktionsstopp seiner Werke in China um eine weitere Woche. Lufthansa prüft nach dem Flugstopp für China auch eine Aussetzung der Verbindung nach Hongkong.

In Deutschland verläuft derweil die DAX-Berichtssaison bislang eher verhalten. Nach Einschätzung von Commerzbank-Chefvolkswirt Krämer entsprechen die meisten Ergebnisse den ohnehin nicht sehr hohen Erwartungen. "Wichtiger sind derzeit sowieso die Ausblicke der Konzerne, die angesichts der Unsicherheit über die Effekte des Corona-Virus eher noch konservativer ausfallen könnten." Folglich dürften auch die Gewinnerwartungen zurückgehen, so Krämer.