Am Donnerstag, 18. November 2021, wird die Deutsche Telekom seit 25 Jahren an der Börse sein. Von Allzeithoch bei Kursen oberhalb von 103 Euro im März 2000 ist die T-Aktie immer noch weit entfernt. Seit 2015 notieren die Papiere zwischen 13 und 19 Euro, deutlich unter dem Niveau des zweiten Börsengangs, im Juni 1999 zu 39,50 Euro und dem des dritten im Juni 2000 zu 66,50 Euro. Gemessen an dem mit den Aktienplazierungen eingesammelten Kapital sind die drei Börsengänge (IPOs) der Telekom mit zehn Milliarden Euro im Jahr 1996, rund 10,8 Milliarden Euro 1999 und 13 Milliarden Euro im Jahr 2000 bis heute die drei größten IPOs in Frankfurt.

Börse Online: Herr Tüngler, war es, mit Blick auf die Aktienkultur der Privatanleger, ein Fehler die Telekom als Volksaktie zu vermarkten?
Marc Tüngler: Die Vermarktung als Volksaktie war sicher ein Fehler und für viele Bundesbürger auch fatal. Die T-Aktie als Volksaktie anzupreisen, prallte auf ein uninformiertes und nicht aufgeklärtes Publikum. Die Hypothek für die Telekom durch die Titulierung als Volksaktie wirkt bis heute.

Ist der Staat nach 25 Jahre T-Aktie der große Gewinner und die Privatanleger die Verlierer?
Der Staat hat seinerzeit das Risiko an die Privatanleger abgegeben. Richtig Spaß hat die T-Aktie über die letzten 25 Jahre hinweg nicht gemacht. Nur wer die erste Tranche gekauft hat, sieht sich inklusive der Dividendenzahlung im Plus. Alle anderen Tranchen sind deutlich im Minus. Die Privatanleger und auch die Aktienkultur sind hier sicherlich die Verlierer.

Trotz allem zählt die Telekom seit Jahren zu den zehn beliebtesten Aktien der Privatanleger. Was sagt das über die Aktienkultur hierzulande?
Es ist schon richtig, die Unternehmen zu kaufen, die man versteht, mit denen man täglich in Berührung kommt und insofern besser kennt. Allerdings erspart einem das nicht, das Geschäftsmodell genauer zu hinterfragen. Ausdrücklich muss man aber auch goutieren, dass Herr Höttges zuletzt viele Probleme und alte Zöpfe bei der Telekom abgeschnitten hat. Dass der Kurs aber dennoch nicht adäquat positiv reagiert, liegt sicherlich auch daran, dass der Staat bis heute noch als dominanter Aktionär dabei ist.

Ist die Telekom, etwa durch den Erfolg ihrer US-Tochter T-Mobile, heute ein besseres Investment?
Heute muss man sagen, dass Ron Sommer wohl doch ein Visionär war - zumindest in Bezug auf das US-Investment. Heute ist die US-Tochter der Wachstumstreiber für die Telekom und macht damit die Telekom definitiv zu einem besseren Investment als vor 25 Jahren.

Ist die seit November 2000 börsennotierte Post ein besseres Investment in ein ehemaliges staatliches Unternehmen? Wenn ja, weshalb?
Augenscheinlich hat sich die Post deutlich besser entwickelt und das nicht nur operativ, sondern auch an der Börse. Interessant ist, dass der Staat bei der Post einen geringen Anteil hält. Vielleicht ist das ein relevanter Aspekt, warum sich auch der Kurs der Post-Aktie befreiter entwickelt. Insgesamt kann man aber wohl die Geschäftsmodelle nicht vergleichen, da die Post mit DHL weltweit unterwegs ist und auch weltweit die Nummer 1 ist.

Die Nullzinsen auf Guthaben und Strafzinsen haben Aktien für Privatanleger attraktiver gemacht. Wie würden Sie Deutschlands Aktienkultur beschreiben?
Zu einer guten Aktienkultur gehört auch, dass die Bundesbürgerinnen und Bundesbürger aufgeklärt sind und ein gewisses Finanzbildung-Niveau aufweisen. Hier versagt der Staat komplett und sorgt eben nicht dafür, dass zu Hause, in den Schulen, in der Universität oder auch sonst wo das Thema Aktien, Anlegen, Risiko und Chance eine Rolle spielt. Auch heute - 25 Jahre nach dem Börsengang der Telekom - müssen wir also leider feststellen, dass sich in Bezug auf die Aktienkultur wenig verändert hat. Allerdings bewegt sich gerade bei den jüngeren Bürgern gerade etwas Positives. Das macht Hoffnung!

Welchen Einfluss auf die Aktienkultur hat der Erfolg von ETFs und sogenanntes Social-Trading über Plattformen wie Trade Republic oder Wikifolio?
Das ist ein ganz wesentlicher und sehr positiver Aspekt. Das ermöglicht es, sich selbst über das Anlegen und in Finanzfragen zu informieren und sich mit Anderen auszutauschen. Neo-Broker wie Trade Republic machen es zugleich möglich, für geringe Kosten am Kapitalmarkt zu agieren. Besonders erfreulich ist dabei, dass in den letzten Jahren sehr viele Wertpapier-Sparpläne abgeschlossen wurden. Diese sind langfristig und auf Stetigkeit ausgerichtet. Das ist der richtige Weg.

Wie beeinflussen diese Entwicklungen die verschiedenen Generationen von Anlegern?
Gerade die Interaktion im Netz und die vielen Informationen sprechen natürlich in erster Linie zunächst die jüngere Generation an. Genau hier müssen wir aber auch ansetzen und anfangen. Insofern kann man das allein unterstützen.

Werden Anleger in Deutschland während der nächsten zehn Jahre im Schnitt deutlich jünger und dank des Internets informierter sein als bisher?
Wir müssen heute anfangen, alle Bundesbürgerinnen und Bundesbürger in Finanzfragen besser zu informieren und zu schulen. Wenn wir heute entsprechend Wissen sähen, werden die Bundesbürger dieses Wissen in 20-30 Jahren ernten können. Jeden Tag, den wir abwarten, ist ein schlechter Tag.

Was haben negative Erfahrungen der Anleger wie der DotCom-Crash im Jahr 2000, die Finanzkrise 2008 und zuletzt mit Wirecard bewirkt?
Gerade die großen Fälle wie Wirecard schrecken natürlich viele ab. Umso erfreulicher ist es, dass sich immer mehr junge Menschen der Börse nähern und mit dem Anlegen bzw. Investieren beginnen. Fälle wie Wirecard zeigen aber auch, dass wir beim Anlegerschutz deutlich nachlegen müssen.

Wie hat sich die schnelle und starke Erholung der Aktienmärkte nach dem Corona-Crash auf die Wahrnehmung der Aktienmärkte durch Privatanleger ausgewirkt?
Die schnelle Erholung und letztendlich die doch seit nun 12 Jahren steigenden Kurse hat viele neue Anleger hervorgebracht. Gleichzeitig aber darf man nicht vergessen, dass an der Börse in den letzten 12 Jahren meist Sonnenschein herrschte. Die sehr positive Entwicklung der letzten Dekade könnte also auch dazu führen, dass man beim Anlegen zu locker und zu wenig risikoorientiert vorgeht. Der nächste Crash wird zeigen, wie nachhaltig die derzeit positive Entwicklung der Anlegerzahlen wirklich ist. Das Fatale: Gerade wenn die Kurse sinken, müssten Anleger eigentlich erst recht zuschlagen.

Zum morgigen Börsenjubiläum der T-Aktie erscheint hier auf boerse-online.de ein weiterer Artikel.