von Philipp Waldstein, Ressortverantworlicher "Portfolioma­nagement Wertpapiere, Geld und Devisen" bei MEAG

Stellen Sie sich vor, Sie haben ein wohldefiniertes Risikobudget für Unternehmensanleihen. Diese werden Ihnen zu riskant, aber Sie kriegen sie nicht los, weil alle Anleger verkaufen möchten und keiner kauft. Nicht realistisch? Doch, bereits passiert, und das könnte noch häufiger vorkommen und ebenso andere Anlagen treffen. Was tun?

Hohe Kapitalunterlegungen unter Basel III führen zu einer geringeren Bereitschaft der Banken, Handelsbestände in Unternehmensanleihen zu halten. Regulatorische Eingriffe beeinträchtigen zudem ihre Neigung zum Market Making. Hinzu kommen höhere Anforderungen, sodass Banken ihre risikogewichteten Aktiva reduzieren müssen. Auch die politische Ambition, Banken beim Investmentbanking einzuschränken, drosselt deren Handelsaktivitäten.

Die USA haben 2010 auf die Finanzkrise mit der Volcker Rule reagiert. Mit ihr werden Banken faktisch gezwungen, ihren Eigenhandel aufzugeben, denn sie dürfen nur noch Risiken der Kunden absichern. Unter der Volcker Rule müssen Händler vor dem Ankauf einer Position deren Wiederveräußerlichkeit nachweisen. Für weniger liquide Titel dürfte es daher künftig nur eine geringere Aufnahmebereitschaft geben. Die gute Absicht der Risikobegrenzung bei Banken führt zu erhöhten Liquiditätsrisiken anderer Marktteilnehmer.

Verschärfend wirkt der Niedrigzins. Der Anlagenotstand führt zu einer starken Nachfrage nach höherverzinslichen Anleihen. Diese haben einen festen Platz in den sogenannten Buy-and-Hold-Portfolios der Langfristinvestoren wie Versicherungen und Pensionskassen und werden deutlich weniger im Sekundärmarkt gehandelt, da vor allem langfristig ausgerichtete Bestandshalter fürchten, diese nicht mehr zurückkaufen zu können. Niedrigzinsen führen zudem bei Emissionen mit höherem Zinsertrag zu hohen Kursen deutlich über dem Nominal. Eine Veräußerung dieser Positionen würde unerwünschte bilanzaushöhlende und zu versteuernde Positionen bei Versicherern und Pensionskassen verursachen. Der Verkauf unterbleibt, und der aktive Handel verliert eine weitere Quelle.

Wird Liquidität in einem Stressfall benötigt und ist sie dann nicht verfügbar, kann von einer "Liquiditätsillusion" gesprochen werden. Dieses Phänomen finden wir auch anderswo. Anfang des Jahrtausends sind Aktiensegmente wie der "Neue Markt" in Deutschland oder der "Nouveau Marché" in Frankreich verschwunden. Liquidität war vorhanden, solange steigende Gewinne erwartet wurden. Als die Blase platzte, kollabierten diese Segmente, weil es nur Verkäufer gab, aber keine Käufer.

Wenn er seine Risiken nicht loswird, bleibt dem Anleger nichts anderes übrig, als von vornherein eine mögliche Illiquidität miteinzuplanen und sich diese entsprechend vergüten zu lassen. Der Schlüssel liegt in der eigenen Bonitätsbeurteilung. Ziel ist, Investments ohne externe Ratings eigenständig in der Tiefe beurteilen zu können. Investitionen werden nur in Adressen getätigt, zu denen ein hinreichend großes Vertrauen besteht.

Liquiditätsrisiken stellen eine Herausforderung im aktiven Portfoliomanagement dar. Auf substanzstarke Engagements ist zu achten, die auch in der Krise durchgehalten werden können. Mit einem eigenständigen Bonitäts-Research kann der Investor dieses Risiko minimieren. Viele Langfristinvestoren stehen hier noch am Anfang. Allerdings müssen auch Liquidität und verfügbares Risikokapital großzügiger geplant werden, um in der Krise bei größeren strukturellen Verschiebungen beweglich zu bleiben. Nur so kann der Investor die Abhängigkeit von der Sekundärmarktliquidität verringern und sein Portfolio im fast rendite- und spreadlosen Umfeld auch in stürmischen Zeiten positionieren.

Philipp Waldstein

Seit 2013 verantwortet Waldstein das Ressort Portfolioma­ nagement Wertpapiere, Geld und Devisen bei MEAG. Nach einer Banklehre und einem Betriebswirtschaftsstudium war er als Führungskraft in verschiedenen Funktionen im Anleihe­ bereich zuständig. MEAG steht für das Vermögensmanage­ment von MunichRe und Ergo, es bietet sein Know­how auch externen institutionellen Anlegern und Privatkunden an.