China rückt von ihrer radikalen Null-Covid-Politik ab. Das könnte allerdings Folgen für die globale Ökonomie haben. Das steckt dahinter.

Produktionsstörungen als Folge der rasch steigenden Corona-Infektionen haben die chinesische Wirtschaft zum Jahresende 2022 ausgebremst. Der PMI-Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe ging im Dezember auf 49,0 (Vormonat: 49,4) Punkte zurück. Das war zwar etwas weniger heftig als erwartet. Doch es war bereits der fünfte Rückgang in Folge — und das fünfte Mal, dass der Wert unter der 50-Punkte-Marke liegt, die den Übergang von wachsender zu schrumpfender Wirtschaft markiert.

Anfängliche Hoffnungen, dass die Corona-Lockerungen zu einer wirtschaftlichen Erholung in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt führen könnten, verkehren sich jetzt ins Gegenteil. Die radikale Abkehr von der Null-Covid-Politik habe ein „Buschfeuer“ von Virusinfektionen ausgelöst, das sich in den kommenden drei bis sechs Monaten nicht nur negativ auf die chinesische Ökonomie, sondern auf den gesamten Welthandel auswirken könnte, warnte der Internationale Währungsfonds (IWF) in ungewohnt drastischen Worten. Westlichen Schätzungen zufolge steckten sich in China täglich bis zu 1,8 Millionen Menschen mit Covid an, und das Virus fordere täglich 9000 Todesopfer. 

 IWF-Chefin Kristalina Georgiewa sagte in einem Interview mit dem US-Sender CBS, 2022 werde das chinesische Wirtschaftswachstum wohl erstmals seit 40 Jahren nicht mehr höher, womöglich sogar niedriger ausfallen als das der Weltwirtschaft. Noch Ende November hatte der IWF ein Jahreswachstum für China von 3,2 Prozent prognostiziert. Doch dann kam die völlige Kehrtwende in der Corona-Politik mit Aufgabe aller Beschränkungen. Inzwischen rechnen Experten mit einem Jahreswachstum von nur noch zwei Prozent und mit einem Rückgang im vierten Quartal.

Das könnte weitreichende Folgen haben. Laut IWF-Prognose wird 2023 rund um den Globus ein wirtschaftlich schwierigeres Jahr als 2022. Die Perspektiven für die Weltwirtschaft trübten sich ein, weil die drei wichtigsten Wirtschaftsräume USA, EU und China schwächelten. So nehme die Wahrscheinlichkeit zu, dass das globale Wachstum in diesem Jahr unter zwei Prozent liegen werde. Am robustesten erweise sich noch die US-Wirtschaft. Besonders besorgt zeigte sich Georgiewa dagegen von der Abkühlung in China.

 

Lieferketten gefährdet

Das Ifo-Institut hat inzwischen davor gewarnt, dass eine Verschärfung der Corona-Lage in China sich wieder negativ auf die Lieferketten der deutschen Industrie auswirken könnte. Gerade dort zeichnete sich zuletzt eine Auflösung der Engpässe in vielen Branchen ab, wie die jüngste Ifo-Umfrage zur Materialversorgung ergab.

Eine ähnliche Warnung kam vom Industrie- und Handelskammertag DIHK. Zwar normalisiere sich inzwischen die Liefersituation im internationalen Frachtverkehr, sagte der DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben der Nachrichtenagentur Reuters. „Die hohen Corona-Zahlen in China und damit verbundene Produktionsausfälle bergen jedoch das Risiko, dass der internationale Lieferverkehr wieder stärker aus dem Gleichgewicht gerät.“

An den Märkten sorgt die Lage in China für widersprüchliche Reaktionen. Der etwas besser als erwartet ausgefallene PMI-Einkaufsmanagerindex schürte an der New Yorker Börse Hoffnungen auf eine Erholung der chinesischen Wirtschaft. Das trieb wiederum die Aktien von US-notierten chinesischen Unternehmen an. So legten unter anderem die Papiere von Alibaba und JD.com zu.

Dagegen drückten Befürchtungen über eine Ausbreitung des Virus in China die Ölpreise. Die Nordsee-Sorte Brent und das US-Öl WTI bauten am Mittwoch ihre Verluste vom Dienstag aus, als sie um rund vier Prozent nachgaben. Händler sorgten sich um Chinas „glanzlose Erholung“ und sprachen von hoher Volatilität und „Warnzeichen einer globalen Rezession“.