Manche Juristen auf der Insel gehen davon aus, dass die konservative Regierungschefin dem Parlament ein Mitspracherecht einräumen muss. Dies könnte dazu führen, dass Mays Zeitplan für den Brexit unter Druck gerät.

Formell sollen die Brexit-Verhandlungen nach dem für März angekündigten Austrittsantrag starten. Das wäre ein dreiviertel Jahr nach dem Referendum, bei dem eine knappe Mehrheit der Briten für den EU-Austritt stimmte. May peilt als Zeitraum für die Gespräche zwei Jahre an. Erst danach soll das Ergebnis beiden Häusern des Parlaments vorgelegt werden.

Der elfköpfige Supreme Court kündigte eine Entscheidung für Dienstag, 10.30 Uhr (MEZ), an. Für den Fall einer Niederlage vor Gericht könnte May ein Gesetz einbringen, mit dem sie von beiden Parlamentskammern autorisiert wird, den Austrittsprozess gemäß Artikel 50 des EU-Vertrags auszulösen. Aus der Labour-Opposition verlautete, man wolle der Premierministerin beim Brexit keinen Stein in den Weg legen. "Allerdings wollen wir, dass sich die Regierung mit ihren Plänen vor dem Parlament verantwortet", sagte ein Insider, der anonym bleiben wollte. Vor dem Referendum im Juni hatten sich rund drei Viertel der 650 Unterhausabgeordneten für einen Verbleib in der EU ausgesprochen. Viele von ihnen haben aber signalisiert, dass sie den im Referendum geäußerten Willen des Volkes respektieren wollen. Doch im Oberhaus, wo die Konservativen keine Mehrheit haben, könnte May mit ihren Plänen auf größere Skepsis treffen.

WERDEN REGIONALPARLAMENTE ZUM STOLPERSTEIN?



May hat angekündigt, den Austrittsmechanismus bis Ende März in Gang zu setzen. Zugleich hat sie jüngst in einer programmatischen Rede deutlich gemacht, dass sie bei der Trennung von der EU einen harten Schnitt anstrebt. Das Königreich solle aus dem Binnenmarkt und der Zollunion austreten und stattdessen ein neues Freihandelsabkommen mit der EU vereinbaren. Nach den Plänen Mays dürfte sich Großbritannien 2019 endgültig aus der EU verabschieden. Das Land war der Staatengemeinschaft 1973 beigetreten.

Doch die Londoner Richter haben es in der Hand, Mays Pläne gründlich durcheinanderzuwirbeln: Es käme einem Paukenschlag gleich, sollte das Oberste Gericht auch den Regionalparlamenten Nordirlands und Schottlands ein Mitspracherecht im Brexit-Prozess einräumen. Dies hatten Vertreter der mit Autonomierechten ausgestatteten Regionen des Vereinigten Königreichs vor Gericht gefordert. Die Schotten haben sich beim Brexit-Votum im Sommer 2016 ebenso wie die Nordiren mehrheitlich für einen Verbleib ihrer Region in der EU ausgesprochen.

Das Oberste Gericht in Nordirland hatte im Oktober entschieden, dass May die Zustimmung des Regionalparlaments beim Brexit-Antrag nicht einholen müsse. Ein Antragsteller hat diese Entscheidung jedoch vor dem Obersten Gericht in London angefochten. Der Urteilsspruch fällt in eine Zeit politischer Wirren in Nordirland: Die einzige britische Region mit einer EU-Binnengrenze bekommt mitten in den Brexit-Vorbereitungen eine neue Regierung. Der britische Nordirlandminister James Brokenshire setzte eine Neuwahl für den 02. März an. Zuvor war ein letzter Versuch Mays gescheitert, die gemeinsam regierenden probritischen Unionisten (DUP) und die irisch-republikanische Sinn Fein zur Beilegung ihres Zerwürfnisses zu bewegen.

rtr