Johnson forderte umgehend vorgezogene Neuwahlen am 15. Oktober und bekräftigte, sollte er Premierminister bleiben, werde Großbritannien unter allen Umständen, also auch ohne Vertrag, spätestens zum 31. Oktober die Europäische Union verlassen.

Oppositionsführer Jeremy Corbyn warnte, das Angebot Johnsons für Neuwahlen enthalte das Gift eines Brexit ohne Vertrag. Deswegen werde eine Neuwahl erst dann unterstützt, wenn das Gesetz zur Verschiebung des Brexit und zur Vermeidung eines Austritts aus der EU ohne Vertrag in Kraft getreten sei. Hintergrund sind Befürchtungen, Johnson könnte während einer Wahlkampf-bedingten Auszeit des Parlaments doch noch einen Brexit ohne Vertrag unter Verzicht auf die Billigung der Abgeordneten durchsetzen. Ohne die Unterstützung von Labour ist ein Votum für Neuwahlen unwahrscheinlich, denn dafür ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig.

Die Gegner Johnsons fürchten einen Austritt ohne Abkommen, weil dann mit wirtschaftlichen Einbrüchen gerechnet wird. "Was uns eint, ist die Überzeugung, dass es kein Mandat für einen Brexit ohne Vertrag gibt und dass die Konsequenzen für unsere Wirtschaft und für unser Land sehr gefährlich sind", sagte der Labour-Abgeordnete Hilary Benn, der das Gesetz zur Brexit-Verschiebung eingebracht hatte.

Die Briten hatten sich 2016 in einem Referendum für einen Brexit ausgesprochen. Johnsons Vorgängerin Theresa May hat mit der EU einen Brexit-Vertrag ausgehandelt. Dieses Abkommen wird allerdings wegen der Regelungen zur Gestaltung der Grenze zwischen Irland und dem britischen Nordirland ebenso von Johnson wie zuletzt auch von einer Parlamentsmehrheit abgelehnt. Die EU will den Vertrag nicht wieder aufschnüren.

Johnson entschiedener Brexit-Kurs hat auch Parteifreunde verschreckt. 21 Rebellen seiner konservativen Partei stimmten am Mittwoch für den Gesetzentwurf von Benn. Bereits am Dienstag hatte sich abgezeichnet, dass mit Überläufern auch der Premierminister seine Machtbasis im Unterhaus verloren hat.

rtr