Mit dem Handy traden, überweisen und bezahlen - alles kreist ums Smartphone. Über die aktuellen Trends diskutierten die Verantwortlichen von Deutschlands beliebtesten Online­brokern (laut Leserwahl 2019) mit der BÖRSE ONLINE-Redaktion.

Damit geht auch unsere bekannte Leser­wahl zum Onlinebroker des Jahres in die 21. Runde. Alle Details dazu erfahren Sie hier. Börse Online: Herr Schemel, Sie vertreten heute in der Runde die Comdirect Bank und deren Tochter Onvista Bank. Sitzen Sie 2020 auch gleich noch für die Commerzbank hier?
Philipp Schemel: Klar ist, dass die Commerzbank, die Mehrheitsaktionärin der Comdirect ist, am 30. Oktober ein Übernahmeangebot für die Minderheitsaktionäre gemacht hat, zu dem unser Vorstand und Aufsichtsrat sowie der Betriebsrat Stellung bezogen haben. Dieses Angebot ist in Bezug auf die strategische Ausrichtung sehr vage gehalten und verweist auf ein gemeinsam zwischen Comdirect und Commerzbank zu erarbeitendes Integrationskonzept. Erst daraus werden sich weitere Details ergeben.

Man könnte auch die Commerzbank in die Comdirect integrieren, die hat ja schließlich das modernere Geschäftsmodell.
Schemel: Die Commerzbank wird sich dessen bewusst sein, was die Comdirect mitbringt - insbesondere im Brokerage. Daher bin ich guter Dinge, dass wir beim Broker-Round-­Table 2020 auch wieder dabei sein werden.

Konsolidierung ist die eine Sache, 2019 sind mit Trade Republic, Justtrade und zuletzt Gratisbroker aber auch drei Anbieter neu gestartet, die provisionsfreies Trading offerieren. Wie reagieren Sie auf diese neuen Herausforderer?
Sven Deglow: Konkurrenz belebt das Geschäft. Das Hinzutreten der neuen Anbieter bringt uns dazu, darüber nachzudenken, wie wir uns aufstellen.
Ronny Förster: Generell ist es für die Endkunden gut, wenn Bewegung in den Markt kommt. Wir als ING Deutschland entwickeln uns kontinuierlich weiter. Über das Produkt- und Serviceangebot unterscheiden wir uns aber von den neuen Anbietern.

Herr Suckart, Degiro ist 2014 in Deutschland als Billiganbieter gestartet. In puncto Konditionen hat Ihr Haus immer keck gesagt: "Wir fragen uns, warum die anderen so teuer sind." Die genannten Broker, die 2019 auf den Markt gekommen sind, verlangen nun null Euro Orderspesen. Warum sind Sie denn so teuer?
Suckart: Wir bieten ein transparentes Produkt, nämlich echten Börsenhandel mit mehr als 60 internationalen Hauptbörsenplätzen, den die Kunden sehr schätzen. Sie verstehen unser Geschäftsmodell und sehen, wo unsere Margen zu finden sind. Das sehe ich bei den neuen Anbietern noch nicht so, die nur ein beschränktes Produktangebot haben. Es gibt wahrscheinlich viele Kunden, die erst mal skeptisch sind, wenn sie eine Ordergebühr von null Euro sehen, die sich über Rückvergütungen von nur wenigen Nebenhandelsplätzen und Produktpartnern finanziert.

Wenn die Neuen Sie preislich unterbieten, interessiert nicht jeden Kunden das Geschäftsmodell dahinter. Gerät Ihr Kundenwachstum dadurch ins Stocken?
Suckart: Nein, das sehen wir im Moment überhaupt nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Wir nehmen die neuen Broker zur Kenntnis, aber wir befinden uns in einer guten Nische und haben ein Alleinstellungsmerkmal. Wir haben im Vergleich zu den klassischen Banken und Direktbanken ein sehr günstiges Gebührenmodell. Und wir stellen den Kunden im Vergleich zu den neuen Anbietern ein sehr breites Produktangebot und eine intuitive Plattform zur Verfügung.
Deglow: Es ist noch zu früh, über die neuen Anbieter zu urteilen. Bei der Consorsbank sehen wir derzeit auch keine Abwanderungsbewegung. Die Karawane der sehr Preis­orientierten zieht jetzt weiter von Flatex und Degiro zu den neuen.

Wie groß ist denn diese Karawane der ­besonders preisorientierten Kunden - und wie entwickelt sich der Markt insgesamt?
Deglow: Ich kann mich noch sehr gut an die Diskussion erinnern, als Flatex damals an den Markt ging. Es hat damals auch nicht den großen Run gegeben, obwohl die Flat Fee von fünf Euro schon ein ganz neuer Preis war. Trotzdem ist Flatex nicht riesig geworden mit aktuell um die 100 000 Kunden. Noch etwas kommt hinzu: Deutschland ist nach wie vor kein Wertpapiermarkt, da können die Zinsen hoch sein, da können sie niedrig sein.

Aber angesichts der niedrigen Zinsen müssten sich doch Wertpapiersparpläne wie ­geschnitten Brot verkaufen?
Deglow: Das ist auf jeden Fall ein klarer Trend. Bei uns hat sich die Anzahl der Fonds- und ETF-Sparpläne insgesamt in den vergangenen drei Jahren verdreifacht.
Förster: Das kann ich für uns nur bestätigen. Die Kunden nehmen immer mehr wahr, dass es weniger oder gar keine Zinsen mehr gibt. Daher sind Wertpapiersparpläne für sie der perfekte Einstieg in den Wertpapierbereich. Bei uns hat sich die Zahl der ETF-Sparpläne seit 2018 verdoppelt. Wir haben jetzt 370 ETF-Sparpläne und 450 Aktiensparpläne. 2020 werden wir noch mal Erweiterungen vornehmen und prüfen, das Angebot an kostenlosen Sparplänen weiter auszubauen.
Schemel: Seit 2014 gibt es negative Zinsen im Markt. Und umso wichtiger ist, dass wir alle hier am Tisch für eine bessere Aktienkultur in Deutschland kämpfen. Und dass wir alles dafür tun, damit die Menschen anfangen, in Wertpapieren zu sparen und eben keine Geldvernichtung betreiben, indem sie unverzinst Geld auf einem Konto herumliegen lassen. Sparpläne sind das klassische Einsteigerprodukt. Schon ab 25 Euro pro Monat kann man hier loslegen.

Herr Suckart, wann bringt denn Degiro Sparpläne?
Suckart: Bis auf Weiteres nicht. Andere Projekte haben noch Vorrang, da Sparpläne vor allem ein ausschließlich deutsches Thema sind, wir unsere Produktpipeline aber da- nach ausrichten, was für viele Länder, in denen wir aktiv sind, von Bedeutung ist. ­Direktbanken und Onlinebroker wie Degiro werden immer mehr Kunden gewinnen. Die junge Generation ist durch die neuen Medien so finanzaffin wie nie zuvor. Die finanzielle Repression mit negativen Realzinsen - also einer höheren Inflationsrate als die Zinsen - tut ihr Übriges. Wenn es so weitergeht, werden negative Zinsen auf dem Bankkonto normal sein und somit Bankeinlagen auch optisch für die Sparer weniger werden. Das wird uns allen einen Schwung an Neukunden im Wertpapiergeschäft bringen.

Herr Förster, wann verlangt dann die ING Strafzinsen auf ihrem berühmten Tagesgeldkonto?
Förster: Wir bereiten uns auf alle Szenarien vor, aber planen aktuell nicht, Strafzinsen für unsere Sparkunden einzuführen. Wir wollen unseren Kunden auf jeden Fall gerne noch mehr Alternativen in der Niedrigzins­phase anbieten. Dazu gehören die Wert­­papiersparpläne oder auch die Onlinevermögensverwaltung.
Suckart: Die Negativzinsen stellen natürlich alle Direktbanken vor Probleme.

Werden Sie die Konditionen für Wertpapiersparpläne noch verbessern und das Angebot erweitern?
Schemel: Die Konditionen weiter zu senken macht keinen Sinn, weil es bereits ein breites Angebot an Kostenlossparplänen gibt. Bei Comdirect dominieren inzwischen ganz klar die Sparpläne auf ETFs. Seit Jahren verzeichnen wir hier ungebrochenes Wachstum. Aber auch Sparpläne auf Fonds und Aktien gewinnen weiter an Beliebtheit. Unsere digitale Vermögensverwaltung Cominvest ist ein weiteres wichtiges Vehikel, um Menschen zum Einstieg in eine breitere Anlageform zu bewegen. Hierüber verwalten wir derzeit über eine halbe Milliarde Euro.

Werden Sie die Einstiegsschwelle weiter absenken?
Schemel: Die Einstiegsmarke liegt derzeit schon bei 3000 Euro. Wer das mitbringt, kann auch einen Sparplan eröffnen. In Zukunft wollen wir auch Kunden, die die Summe nicht mitbringen, den Direkteinstieg über einen Sparplan ermöglichen - eventuell kommt das 2020.
Förster: Bei unserer Vermögensverwaltung mit Scalabe Capital haben unsere Kunden schon eine Milliarde Euro investiert. Vor Kurzem haben wir die Einstiegshürde von 10 000 Euro auf 5000 Euro runtergesetzt.

Wann kann man über Sprachsteuerung zum Beispiel über smarte Lautsprecherboxen Sparpläne eröffnen und Aktien kaufen?
Schemel: Das Thema steckt noch in den Kinderschuhen und ist noch nicht in der breiten Kundschaft angekommen. Trotzdem muss man mit Voice Banking erste Erfahrungen sammeln, um künftig frühzeitig dabei zu sein. Wir haben es als eine Schnittstelle zum Kunden weiterhin im Blick.

Beim Brokergipfel 2019 klang das noch deutlich optimistischer, was die Chancen der neuen Technologie betrifft. Liegt die jetzige Zurückhaltung daran, dass Brokerage ­ nach wie vor nicht mittels Alexa & Co. funktioniert?
Schemel: Wir offerieren bereits umfangreiche Kursabfragen und erste Bankinganwendungen über Sprachsteuerung. Das ist noch kein Massenphänomen, aber es ist nicht zu kühn zu sagen, dass es in fünf Jahren ein gern genutzter Kanal sein wird - und das nicht nur über die smarte Lautsprecherbox zu Hause.
Förster: Voice Banking ist schön und gut, aber er muss in puncto Bequemlichkeit und Handling das Smartphone schlagen. In der Zeitspanne, in der ich mittels Sprachdialog irgendwie zu einer Order gelange, habe ich in der App die Wertpapierorder schon längst freigegeben. Das Smartphone ist das Gerät, was wir immer dabeihaben. Deswegen liegt unser aktueller Fokus ganz stark darauf.
Deglow: Wir haben auch einen Alexa-basierten Sprachservice. Das Thema Voice muss man im Blick behalten. Aber das ist nichts, was wir jetzt forcieren und wofür die Kunden zu einem kommen.

Herr Suckart, wie will Degiro 2020 seine Position als Nummer 1 in unserer Umfrage verteidigen - wo jetzt die neuen kleinen Null-Provision-Broker neu angreifen?
Suckart: Seit Dezember gibt es bei uns eine komplett neue Handelsplattform. Wir hatten ja zuerst eine App und eine Desktop-Version, das wird jetzt alles zusammengelegt. Außerdem wollen wir 2020 ein Abonnementmodell für den Handel mit US-Aktien anbieten.

Wie funktioniert das?
Suckart: Das heißt, man kann für 2,50 Euro im Monat so oft US-Aktien kaufen und verkaufen, wie man will. Das kann man als Antwort auf die neuen Anbieter sehen, war aber ohnehin schon länger geplant. Eventuell kommen noch weitere Märkte mit hinzu. Als weitere Neuerung werden wir den Umfang der Finanzinformationen deutlich ausweiten: mehr Kursinformationen, Unternehmensdaten und bessere Charts.

Und wann kommt der außerbörsliche Handel? Der ist noch eine Lücke im Programm.
Suckart: Für die Niederlande bieten wir ihn bereits an. Ob er bald in Deutschland kommt, prüfen wir im nächsten Jahr.

Herr Förster, die ING ist der Verfolger von Degiro, eine bislang ungewohnte Position. Was tun Sie, um wieder zu überholen?
Förster: Wir haben 2019 schon viel getan, beispielsweise Wertpapiere in die App gebracht. Das Smartphone ist das Gerät der Zukunft, auf das wir uns auch 2020 fixieren, um den Kunden darüber noch mehr Informationen zu bieten. Gerade bringen wir einen Ordermanager inklusive Orderlösch­funktionalität in die App. Wir werden Charts einbauen und weitere Funktionalitäten wie Push-Benachrichtigungen bringen.

Herr Schemel, vor einem Jahr war Comdirect gleich zum Start von Apple Pay dabei - werden die Deutschen jetzt zu einem Volk der Smartphone-Bezahler?
Schemel: Wir waren bei Google Pay und Apple Pay jeweils Launchpartner. Beides hat das Bezahlverhalten unserer Kunden verändert. Sie nutzen ihre Kreditkarte durch das mobile Bezahlen als tägliches Bezahlmittel deutlich intensiver als zuvor. Vier von fünf Trans­aktionen mit der Visa-Karte im Einzelhandel erfolgen heute kontaktlos, was maßgeblich durch das mobile Bezahlen getrieben ist. Inzwischen haben wir eine sechsstellige Zahl an Nutzern von Apple Pay. Auch auf Google Pay haben wir eine gute Resonanz.
Deglow: Apple Pay hat auch bei unseren Kunden sofort funktioniert, wir haben auch gute Zahlen bei Google Pay. Wir kommen ja eher von der Brokerageseite und sind dabei, das Banking zu entwickeln. Der Start von Apple Pay hat dazu geführt, dass sehr viele Kunden ein Girokonto bei uns eröffnet und das dann gleich kombiniert haben. Auf den Einstieg ins mobile Bezahlen haben viele gewartet.

Herr Deglow, wie geht es 2020 bei der Consorsbank weiter?
Deglow: Gerade auf der Bankingseite hat sich schon einiges getan - und das geht weiter. Wir haben die Baufinanzierung gestartet und zusammen mit den Kollegen von Arval in Deutschland ein Full-Service-Leasing von Autos auf den Markt gebracht. Im Laufe des Jahres führen wir Funktionalitäten ein, mit denen die Kunden online die Einsatzweisen ihrer Karten steuern können. So lässt sich beispielsweise das kontaktlose Bezahlen mit der Karte ausschalten.

Also eine Art metallenes Sicherheits­­karten­etui - übertragen aufs Handy?
Deglow: Genau. Einige Kunden haben die Befürchtung, dass im Vorbeigehen missbräuchlich Geld von ihrer Karte abgebucht wird. Ihnen geben wir die Möglichkeit, selbstständig dafür zu sorgen, dass das gar nicht erst möglich ist.

Und was gibt es für Trader?
Deglow: Anfang des Jahres wechseln wir auf die neue CFD-Plattform von BNP Paribas mit einer optimierten Nutzerfreundlichkeit. Es wird demnächst auch eine deutlich bessere App geben, dazu zahlreiche neue Auswertungsmöglichkeiten und ein professionelles Chartmodul.

Alle Details zur Leser­wahl zum Onlinebroker des Jahres 2020 erfahren Sie hier.