Der Einbau klimafreundlicher Heizungen soll weiter gefördert und der Standard bei Neubauten erhöht werden. Für die Industrie soll ein Investitionspakt aufgelegt werden, der den Einsatz von "grünem" Wasserstoff beschleunigen soll. Insgesamt will die Regierung bis zu acht Milliarden Euro zusätzlich in den kommenden beiden Jahren bereitstellen. Der "Klimapakt" soll in den nächsten Wochen in ein Sofortprogramm münden, das der Bundestag noch vor der Wahl im September verabschieden soll.

Auf Druck des Verfassungsgerichts und angesichts neuer EU-Vorgaben billigte die Ministerrunde parallel das neue Klimagesetz. Es sieht bis 2030 eine Kürzung des Treibhausgas-Ausstoßes um mindestens 65 Prozent im Vergleich zu 1990 vor. Bisher betrug die Vorgabe 55 Prozent. Bislang erreicht sind rund 40 Prozent. Außerdem muss demnach Deutschland schon 2045 statt 2050 klimaneutral sein, also praktisch überhaupt kein CO2 mehr in die Atmosphäre blasen.

Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) zeigte sich zufrieden: "Wir reden von einer Verdopplung des Tempos beim Klimaschutz." Die Ziele seien ambitioniert und erreichbar und keine reine Mathematik. "Es geht um die Art, wie wir leben." "Wir haben sozusagen den Klimaturbo eingelegt", sagte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Wichtig sei aber für Industrie und Haushalte, dass der Strompreis gedämpft werde. So müssten die Ausgaben für den beschleunigten Aufbau von Wind- und Solarstrom nicht mehr auf den Strompreis umgelegt werden. Stattdessen sollten sie aus dem Haushalt bezahlt und auch die Einnahmen aus der nationalen CO2-Abgabe auf Sprit oder Heizöl dafür verwendet werden. Die Union hatte sich hier für eine stärker als geplante Erhöhung der Abgabe in den nächsten Jahren eingesetzt, konnte sich aber gegen die SPD nicht durchsetzen, wie Altmaier einräumte. Die SPD fürchtet zu hohe Belastungen für ärmere Haushalte.

REGIERUNGSKREISE: HEFTIGE DEBATTE IM KABINETT


Regierungskreisen zufolge sorgten die Klimavorhaben für ein heftige Debatte in der Kabinettssitzung. So gab es unter anderem aus dem Verkehrsressort eine für Regierungsbeschlüsse ungewöhnliche Protokoll-Erklärung, in der Voraussetzungen für die ehrgeizigere Ziele genannt werden. Minister Andreas Scheuer (CSU) verlangte unter anderem: Einen schnelleren Ausbau des Nahverkehr, einen Klimabonus beim Kauf von Fahrrädern und eine höhere Beimischungsquote von neuen Biokraftstoffen in Benzin und Diesel.

Auch die Wirtschaft reagiert mit Skepsis bis Ablehnung: Der Eigentümer-Verband "Haus und Grund" kündigte eine Verfassungsklage gegen die Verteilung der CO2-Kosten an, die über 20 Millionen Haushalte betrifft. Der Vermieter habe keinen Einfluss darauf, wie viel der Mieter heize oder an Warmwasser verbrauche. Klimaschutzpolitisch sei dies kontraproduktiv. Zudem würden die Vermieter nun die Mieten erhöhen.

Die Regierung wiederum argumentiert, der Mieter könne den Sanierungsstand des Hauses nicht beeinflussen und der Vermieter bislang die gesamten höheren Kosten auf den Mieter überwälzen kann. Schon in diesem Jahr kann die CO2-Abgabe einen Durchschnittshaushalt in einer schlecht isolierten Wohnung über 100 Euro kosten. In den nächsten Jahren ist eine weitere Erhöhung der Abgabe beschlossen.

STRATEGIE ZUM AUSBAU ERNEUERBARER ENERGIEN OFFEN


Auch der Bundesverband der Energiewirtschaft (BDEW), die den größten Anteil der zusätzlichen CO2-Einsparungen leisten muss, zeigte sich unzufrieden. Besonders bei der nötigen Beschleunigung des Ausbaus von Wind- oder Solarenergie komme die Regierung nicht voran. "Aktuell klemmt es überall: Investitionen in den Ausbau der Windenergie an Land stocken, weil Flächen fehlen und Genehmigungsverfahren viel zu lange dauern. Wir brauchen außerdem Strategien für einen echten Photovoltaik-Boom", forderte Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae.

Mehr erneuerbarer Strom ist auch für die Industrie wichtig, etwa zur Produktion von "grünem" Wasserstoff. Auf den ist beispielweise die Stahlbranche angewiesen. Ihr soll laut dem Konzept der Regierung einmal durch Klimaverträge geholfen werden, die die höheren Herstellungskosten ausgleichen sollen. Zusätzlich sind nun auch Abnahme-Quoten für Kunden der Grundstoff-Industrie geplant, mit der ein Markt für klimafreundliche Produkte Zug um Zug entstehen soll.

rtr