Das sei ein Volumen, "was wir so noch nicht hatten", wurde im Finanzministerium eingeräumt. Der Bund reißt ein zweites Mal in diesem Jahr die im Grundgesetz festgelegte Schuldengrenze - wofür er noch grünes Licht vom Bundestag benötigt. Die Bundesregierung setzt darauf, dass Deutschland mit diesen Maßnahmen den Konjunktureinbruch als Folge der Coronakrise schnell hinter sich lässt. Derzeit geht die Regierung für dieses Jahr von einem Rückgang der Wirtschaftsleistung von 6,3 Prozent aus.

KONJUNKTURPAKET


Das von CDU, CSU und SPD zur Ankurbelung der Wirtschaft vereinbarte Paket (Gesamtvolumen etwa 130 Milliarden Euro) schlägt im Nachtragsetat mit 103 Milliarden Euro durch, wie aus der Kabinettsvorlage hervorgeht. Im Konjunkturpaket hatten die Koalitionsspitzen am 3. Juni unter anderem eine befristete Mehrwertsteuersenkung, Zuschüsse an Familien und Überbrückungshilfen für Firmen beschlossen. Mit dem Nachtragsetat sollten "die Maßnahmen des Paketes schnell auf den Weg gebracht und (...) wichtige Impulse gesetzt werden", unterstrich Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) in dem Reuters vorliegenden Kabinettsentwurf.

NEUVERSCHULDUNG


Im Vergleich zum ersten Nachtragshaushalt im März steigt die Nettokreditaufnahme nochmals um 62,5 Milliarden Euro. Scholz hatte anfangs in Aussicht gestellt, neue Schulden bis zu 30 Milliarden Euro könnten ausreichen - zumal aus dem ersten Nachtragsetat über 60 Milliarden Euro noch nicht verbraucht sind. Die roten Zahlen fallen jetzt noch höher aus: Das liegt laut Finanzministerium unter anderem daran, dass Zahlungen aus dem Konjunkturpaket vorgezogen werden. So sind im Etatentwurf auch elf Milliarden Euro für die Senkung der Umlage zur Förderung Erneuerbarer Energie beim Strompreis in den Jahren 2021 und 2022 berücksichtigt. Insgesamt kann der Bund dieses Jahr neue Schulden von 218,5 Milliarden Euro machen.

RESERVE


Das Finanzministerium legt aber gleichzeitig auch mehr Geld zurück für kommende Jahre. Bisher war für dieses Jahr vorgesehen, dass der Bund elf Milliarden Euro aus der früheren Asylrücklage zur Etatfinanzierung heranzieht. Stattdessen bleibt die Rücklage in Höhe von 48 Milliarden Euro nun unangetastet. Scholz behält damit eine Reservekasse. Eine Rückkehr zur Schwarzen Null - also einem Haushalt ohne Neuverschuldung - ist auch für 2021 nicht in Sicht. Im Finanzministerium wird davon ausgegangen, dass auch im nächsten Jahr aus konjunkturellen und strukturellen Gründen neue Schulden aufgenommen werden müssen.

SCHULDENQUOTE


Mit der Rekordneuverschuldung steigt die Schuldenquote von knapp 60 Prozent laut Finanzministerium in diesem Jahr voraussichtlich auf etwa 77 Prozent. Das Haushaltsdefizit laut Maastricht-Kriterium wird auf 7,25 Prozent beziffert. Wegen der Verletzung der Schuldengrenze im Grundgesetz muss der Bund einen verbindlichen Tilgungsplan für 118,7 Milliarden Euro vorlegen. Diese sollen ab 2023 binnen 20 Jahren zurückgezahlt werden. Der Überschreitung der Schuldengrenze und dem Tilgungsplan muss der Bundestag mit Kanzlermehrheit voraussichtlich Anfang Juli zustimmen.

rtr