"Wir müssen jetzt alles Notwendige tun, um diese Dynamik zu brechen", sagte der CDU-Politiker mit Blick auf das verschärfte Infektionsgeschehen. Auch wäre es geboten, bei öffentlichen Veranstaltungen eine 2G-Regel plus Testung und am Arbeitsplatz eine 3G-Regel einzuführen. "Es ist fünf nach zwölf", mahnte der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, bei einer Pressekonferenz mit Spahn. Die vierte Welle rolle "jetzt mit voller Wucht".

Das RKI meldete am Freitag 48.640 Neuinfektionen in Deutschland in den vergangenen 24 Stunden und einen neuen Höchstwert bei der Sieben-Tage-Inzidenz mit 263,7, der fünfte Höchstwert in Folge. Die Gesundheitsämter verbuchten damit über 11.500 Fälle mehr als am Freitag vor einer Woche. Am Donnerstag war erstmals die Tagesmarke von mehr als 50.000 neuen Ansteckungen überschritten worden. Die Sieben-Tage-Inzidenz hatte vor einer Woche noch bei 169,9 gelegen. Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100.000 Einwohner sich binnen sieben Tagen mit dem Coronavirus angesteckt haben. 191 weitere Menschen starben im Zusammenhang mit dem Virus.

Spahn und Wieler appellierten an die Bevölkerung gleichermaßen erneut, sich impfen zu lassen. Wieler sagte, es brauche eine Immunität von mindestens 90 Prozent, um das Virus kontrollieren zu können. Am Freitag waren laut RKI 67,4 Prozent der Bevölkerung gegen Corona geimpft. Um das Impftempo zu erhöhen, will Spahn die Vergütung für Impfärzte erhöhen, und zwar von derzeit 20 auf 28 Euro und an den Wochenenden auf 36 Euro. Das solle ab kommender Woche gelten. "Beim Impfen sehen wir wieder mehr Tempo", sagte Spahn. Das reiche aber noch nicht. Zudem habe er am Freitag eine neue Testverordnung unterzeichnet, die kostenlose Tests vorsehen. "Sie gilt ab morgen", sagte Spahn. Er gehe davon aus, dass ab Anfang der Woche nach und nach auch das Angebot an Tests ausgebaut werde.

Wieler plädierte zudem dafür, Großveranstaltungen zu vermeiden. Großveranstaltungen seien generell kritisch zu sehen. "Am besten wäre es, wenn man bestimmte Großveranstaltungen absagen würde." Auch mit Blick auf den anstehenden Jahreswechsel äußerte sich der RKI-Chef pessimistisch: "Ich persönlich werde keine Silvester-Party besuchen." Auch mit Blick auf Kinder unter zwölf Jahren, die sich noch nicht impfen lassen können, mahnte Wieler bei älteren eine höhere Impfbereitschaft an. "Es gibt schwere Verläufe, auch bei Kindern ohne Vorerkrankung", sagte Wieler. Dies sei zwar selten der Fall, es lohne sich aber, auch das zu vermeiden.

ÖSTERREICH WIEDER HOCHRISIKOGEBIET


Drastische Anstiege der Corona-Zahlen gibt es weiter vor allem im Südosten Deutschlands. In Sachsen schießt die Inzidenz auf 569 hoch, in Thüringen auf 491,3. Danach folgt Bayern mit 454,9. In allen drei Bundesländern ist die Impfquote unterdurchschnittlich. Vier Landkreise melden inzwischen eine Inzidenz von über 1000, 55 Kreise liegen über der Marke von 500. Nur noch Schleswig-Holstein verzeichnet mit 93,9 einen Wert unter 100. Die Zahl der Intensivpatienten war am Donnerstag auf 2816 gestiegen, die der noch verfügbaren Intensivbetten betrug 2493. Etliche Krankenhäuser haben bereits planbare Operationen anderer Patienten verschoben.

Die Spitzen von Bund und Länder beraten kommenden Donnerstag über weitere Schritte. Die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP haben unterdessen einen Entwurf für Änderungen am Infektionsschutzgesetz in den Bundestag eingebracht, nach dem der die Möglichkeiten der Länder für Maßnahmen eingegrenzt werden sollen. So soll es keine Lockdowns, flächendeckende Schulschließungen oder Ausgangssperren mehr geben können. SPD, Grüne und FDP argumentieren damit, dass solche harte Maßnahmen keinen Bestand mehr vor Gericht hätten. Spahn sagte, in dieser Phase die rechtlichen Möglichkeiten der Länder einzuschränken, sei unklug.

Auch die Lage in den Nachbarstaaten spitzt sich weiter zu. Die niederländische Regierung will einem Medienbericht zufolge ab Samstag einen neuen Teil-Lockdown verhängen. So sollen für mindestens drei Wochen Bars, Restaurants und nicht lebensnotwendige Geschäfte ab 19.00 Uhr schließen, berichtete der Rundfunksender NOS unter Berufung auf Regierungskreise. In Österreich könnte schon bald ein Lockdwon für Ungeimpfte kommen. Diskutiert werden muss laut Kanzler Alexander Schallenberg auch über eine Impfpflicht für gewisse Berufsgruppen, zum Beispiel im Gesundheitsbereich. Wegen der Infektionslage stuft die Bundesregierung Österreich ab Sonntag wieder als Hochrisikogebiet ein. Ungeimpfte Rückkehrer müssen dann wieder in Deutschland in Quarantäne.

rtr