Offen blieb, wann die wegen der Ansteckungsgefahr geltenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens aufgehoben werden. Die Dauer dürfte die Schwere der Rezession beeinflussen, die Ökonomen für dieses Jahr erwarten. Der Ifo-Index als wichtigster Frühindikator der deutschen Wirtschaft stürzte im März so stark ab wie noch nie seit der Wiedervereinigung und fiel auf den niedrigsten Wert seit Mitte 2009.

SPD-Politiker Scholz sagte, die Regierung tue alles, um die Corona-Folgen abzumildern. "Dafür gibt es kein Drehbuch." Die jetzige Krise sei ohne Vorbild, eine schicksalhafte Herausforderung für die ganze Menschheit. Teil des Hilfspakets ist ein Nachtragshaushalt von 156 Milliarden Euro, der komplett über neue Schulden finanziert werden soll. "Das ist eine gigantische Summe", sagte Scholz. Der Betrag entspricht fast der Hälfte eines normalen Bundeshaushalts. Die Rücklagen dafür reichen nicht aus, die zulässige Neuverschuldung wird deshalb deutlich überschritten.

Neben dem Nachtragshaushalt ist ein Wirtschaftsstabilisierungsfonds geplant, der staatliche Beteiligungen an Unternehmen ermöglicht sowie Garantien für Firmen vorsieht, damit sich diese am Kapitalmarkt weiter Geld besorgen können. Außerdem soll die Förderbank KfW gestützt werden. Dieser Rettungsschirm hat ein Volumen von zusammen 600 Milliarden Euro. Alle Fraktionen im Bundestag votierten für das Paket, nur die rechtspopulistische AfD enthielt sich.

Der Bundesrat muss nun den Plänen am Freitag noch zustimmen. Zuletzt hatte die Regierung bereits das Kurzarbeitergeld ausgeweitet sowie Firmen steuerliche Erleichterungen und Kredithilfen in unbegrenzter Höhe zugesagt.

WEITERE HILFSPAKETE IM GESPRÄCH


"Das Lösen der Schuldenbremse ist ein einmaliger Akt und muss ein einmaliger Akt bleiben", sagte der CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach der Nachrichtenagentur Reuters. Für ein Abweichen von der Schuldenbremse stimmten 469 Abgeordnete, bei drei Gegenstimmen und 55 Enthaltungen, wie Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble mitteilte. Die erforderliche Mehrheit lag bei 355 Stimmen. Mit den neuen Schulden ist ab 2023 ein Tilgungsplan verbunden, der sich über zwei Jahrzehnte erstreckt.

Weitere Hilfsmaßnahmen sind aber nicht ausgeschlossen. Im Raum steht bereits ein Konjunkturprogramm, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bekommen, sobald sich die gesundheitliche Lage stabilisiert hat. Die Notwendigkeit dafür habe Scholz im Haushaltsausschuss betont, sagte ein Teilnehmer der Sitzung zu Reuters. "Es wird nicht das letzte Paket sein, das wir hier beschließen", ergänzte Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus im Bundestag. Eine Sondersitzung des Parlaments in der Osterpause schließen Abgeordnete nicht aus.

Die Zeit drängt. Ökonomen rechnen mit einem Einbruch der Wirtschaftsleistung - viele davon in einem größeren Ausmaß als nach der weltweiten Finanzkrise 2009, als das Bruttoinlandsprodukt hierzulande um 5,7 Prozent schrumpfte. "Die deutsche Wirtschaft steht unter Schock", sagte Ifo-Chef Clemens Fuest mit Blick auf die jüngste Umfrage des Münchner Instituts unter 9000 Managern. Der Geschäftsklima-Index sackte auf 86,1 Punkte von 96,0 Zählern im Februar ab. "Insbesondere die Erwartungen der Unternehmen verdüsterten sich wie nie zuvor."

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier versprach erneut rasche und unbürokratische Hilfen für Unternehmen. "Drei Millionen Solo-Selbstständige, Handwerker und Freiberufler schaffen Arbeit für zehn Millionen Menschen." Daher sei der Schutzschirm mit Hilfen von 50 Milliarden Euro für diese Gruppe richtig. "Es ist unser Ehrgeiz, dass vor dem 1. April die ersten Zahlungen bei den Unternehmen ankommen." Damit sollen laufende Betriebskosten und Mieten beglichen werden.

MITTELSTAND BEKLAGT FÖRDERLÜCKE - START-UPS WIRD GEHOLFEN


Der Mittelstand bekräftigte seine Kritik: "Unternehmen zwischen elf und 249 Beschäftigten fallen in eine Förderlücke. Von den Soforthilfen profitieren in erster Linie Kleinstunternehmen und Selbstständige auf der einen sowie Großunternehmen und Konzerne auf der anderen Seite", sagte Mittelstands-Präsident Mario Ohoven. Start-ups sollen dagegen doch von Hilfen profitieren. Union und SPD nahmen diese Forderung der FDP noch auf.

Bis zu 100 Milliarden Euro sind vorgesehen, um Unternehmen in Schieflage auffangen zu können. Sofern Firmen staatliche Mittel in Anspruch nehmen, sollen Manager neben ihrem Festgehalt keine Boni oder sonstigen Sondervergütungen bekommen. Auch Dividendenzahlungen sollen den Unternehmen dann untersagt werden. Dies müsse aber noch verbindlich geregelt werden, forderte der wirtschaftspolitische Sprecher der Linken, Klaus Ernst.

Unklar ist noch, wann Deutschland wieder in den Normalmodus zurückschalten kann. Die Regierung wolle die Lage nach Ostern neu bewerten, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums. "Wir erleben eine leichte Abflachung der Infektionskurve." Dies sei jedoch noch kein Grund, Entwarnung zu geben. Deutschland stehe noch am Anfang der Epidemie.

rtr