Charles Ponzi ist auf zweifelhafte Weise berühmt geworden: Nach ihm werden Schneeballsysteme benannt, bei denen die Auszahlungen an die Altaktionäre aus den Mittelzuflüssen der Neuaktionäre bezahlt werden.

Eine Weile lang kann der Erfinder eines solchen Systems den Schein wahren und ein Betrugsmodell aufbauen. Aber eben nur so lange, wie neue Kunden auf den Zug aufspringen und genügend neues Kapital einbringen, das an die Teilnehmer ausbezahlt werden kann. Die wundersamen Gewinnversprechen lassen sich aber nur über einen gewissen Zeitraum aufrechterhalten. Dass dahinter ein kriminelles Konzept steckt, merken die meisten Opfer erst, wenn es zu spät ist. Genau so lief es auch bei Charles Ponzi und später auch bei Bernie Madoff.

Charles Ponzi kam 1882 in Parma zur Welt. Sein Vater war Postbeamter, die Mutter stammte aus verarmtem norditalienischem Adel. Der zierliche 1,60 Meter große Ponzi studierte um die Jahrhundertwende in Rom, schaffte jedoch keinen Studienabschluss, sondern verjubelte seine kleine Erbschaft. Er hatte tadellose Manieren, galt als Dandy. 1903 wanderte er nach Amerika aus, das Land, das jedem die Chance bot, den "American Dream" zu leben. "Als ich dieses Land betrat, hatte ich 2,50 Dollar und eine Million Dollar in Hoffnungen", schrieb Ponzi später. "Diese Hoffnungen haben mich nie verlassen."

Er arbeitete in seiner neuen Heimat zunächst in einem Restaurant, lernte schnell Englisch, schlief auf dem Boden des Restaurants und arbeitete sich vom Tellerwäscher zum Kellner hoch. Er fälschte nebenbei die Buchhaltung, wurde ertappt und entlassen und zog anschließend nach Kanada, wo er wegen Scheckbetrugs zu drei Jahren Gefängnis verurteilt wurde.

Ponzi versuchte dann in Boston sein Glück. Er arbeitete erst im Büro eines Handelshauses, scheiterte als Obsthändler und wurde 1919 arbeitslos. Dennoch gab er nicht auf, träumte weiterhin von einem Leben in Luxus. Aber ihm wurde wohl klar, dass er dieses Ziel mit harter Arbeit nie erreichen würde. Dann hatte er eine an sich clevere Idee, die ihm innerhalb kürzester Zeit den Ruf eines Finanzgenies verschaffen sollte.


Der Beginn

Er gründete 1919 in Boston eine Firma namens Securities Exchange Company, deren Geschäft Ersatzbriefmarken, sogenannte International Reply Coupons (IRC), waren. Mit diesen Kupons sollte die Bezahlung des Rückportos aus einem fremden Land erleichtert werden, den Briefen ins Ausland konnte der Absender also gleich das Rückporto beilegen. Anfangs war der Wert dieser Kupons noch an die Währung gekoppelt. Das änderte sich aber, als nach dem Ersten Weltkrieg in Europa ein Währungschaos ausbrach und die europäischen Währungen dramatisch an Wert verloren.

Ponzis System funktionierte so: Ein IRC kostete in den USA fünf Cent, für einen Dollar erhielt man also 20 Stück - tauschte man jedoch Dollar in die dramatisch verbilligten italienischen Lire, dann bekam man dafür fast das Dreifache, nämlich 66 Stück. Der Rückumtausch dieser Antwortscheine in amerikanische Briefmarken und schließlich in US-Dollar ergab eine sagenhafte Rendite von 230 Prozent. "Was immer auch später über Ponzi gesagt wurde, eines muss man ihm lassen. Er hatte wirklich eine Transaktion entdeckt, die ganz logisch und legal eine dreistellige Rendite ergab", schrieb das Wirtschaftsmagazin "Capital".

Nun brauchte er nur noch das nötige Startkapital, um dieses System zum Laufen zu bringen. Die Hanover Trust Bank verweigerte ihm einen Kredit, deshalb sammelte er unter Bostons italienischen Emigranten erst Kleinstbeträge, die er kurz darauf mit sensationellen Zinsen pünktlich zurückzahlte. Ponzi versprach 50 Prozent Zinsen nach nur 45 Tagen. Wer Zweifel äußerte an dem System, der konnte bei mutigeren Nachbarn beobachten, wie deren Investment fast explosionsartig wuchs. Waschkörbeweise sammelten die Angestellten der Securities Exchange Company das Geld der Kleinsparer ein.

Angesichts solch abenteuerlicher Renditeversprechungen hätten Anleger eigentlich misstrauisch werden müssen. Auch hätte eine einfache Anfrage bei der Post genügt, um herauszufinden, dass es auf der ganzen Welt nicht annähernd genügend Antwortscheine für einen derartigen Handel gab. Jetzt konnte Ponzi, der ehemalige Tellerwäscher, seinen Traum von einem Leben in Luxus wahrmachen. Er kaufte eine Villa in Bostons noblem Vorort Lexington und fuhr teure Autos. Er war reich - ein Superstar. Man nannte ihn sogar "den größten aller Italiener". Seine Verehrung nahm geradezu mystische Ausmaße an.


Das System

Anleger ahnten nicht, dass Ponzi die Zinsen nur aus den Neueinlagen bezahlte. Den wenig einträglichen Handel mit Kupons ersparte er sich, denn er hätte eine unglaubliche Menge dieser Ersatzbriefmarken umsetzen müssen, um die versprochenen Millionengewinne zu erzielen. Es war ein Spiel gegen die Zeit. Ein Spiel, das er nicht gewinnen konnte. Viele Jäger waren ihm inzwischen auf den Fersen, diese märchenhafte Geldvermehrung machte sie misstrauisch: Bankenaufsicht, Behörden, Polizei. Dann machte Ponzi einen Fehler. Er ließ sich von den Behörden überreden, vorläufig keine Gelder mehr anzunehmen, bis die Seriosität seiner Geschäfte geklärt sei.

Auch die Presse, die erst positiv über Ponzi berichtet hatte, reagierte zunehmend kritisch, vor allem die "Boston Post". Jetzt kam es zu Tumulten und zum Run auf die Schalter der Securities Ex-change Company, enorme Summen wurden von den Anlegern abgehoben. Aber als die "Boston Post" einen Bericht über das kriminelle Vorleben von Ponzi und seine Gefängnisaufenthalte veröffentlichte, warf der Betrüger das Handtuch und stellte sich der Staatsanwaltschaft. Er wurde zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Von den 15 Millionen Dollar, die er von rund 40 000 Anlegern kassiert hatte, waren gerade noch 1,5 Millionen übrig. Nach seiner Entlassung begann er in Florida, unter falschem Namen ein neues Schneeballsystem zu organisieren. Diesmal hatte er das Immobiliengeschäft im Blick: Er versprach Anlegern eine spektakuläre Geldvermehrung von zehn Dollar auf 5,3 Millionen Dollar in zwei Jahren. Dass das Gelände, auf dem er angeblich Immobilien bauen wollte, zum großen Teil unter Wasser stand, verschwieg er allerdings.


Das Ende

1934 wurde Ponzi schließlich nach Italien abgeschoben. Dort galt er immer noch als Held, der Faschistenführer Benito Mussolini sorgte für ihn. 1949 starb er nach einem Hirnschlag in der Armenabteilung eines Krankenhauses in Rio. Er war fast blind und seine linke Körperhälfte war gelähmt. "Ich habe eine große Show hingelegt", tröstete er sich, "diese Show war es wert." Ein Mann übernahm Ponzis Bestattung, die 75 Dollar aus der staatlichen Alterspension deckten gerade so die Begräbniskosten.