Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt steht vor einer großen Herausforderung. 200 Millionen Chinesen werden im kommenden Jahr die Altersgrenze von 60 Jahren überschritten haben, geriatrische Erkrankungen dürften damit zunehmen. Über 100 Millionen Chinesen leiden an Diabetes - mehr als in jedem anderen Land der Erde. Heute wird bereits jede vierte Krebserkrankung weltweit in China diagnostiziert. Die chinesische Regierung registriert diese Entwicklungen mit großer Sorge. Schließlich kosten die Behandlungen viel Geld, entsprechende Medikamente müssen meist teuer aus dem Ausland importiert werden. Moderne Biotech-Präparate, wie sie heute erfolgreich speziell auch gegen Krebs eingesetzt werden, sind im Reich der Mitte bislang deutlich unterrepräsentiert. Der Anteil der Biotech-Präparate auf dem chinesischen Arzneimittelmarkt lag zuletzt bei gerade einmal zwölf Prozent, international ist der Anteil rund doppelt so hoch.

Mit Hochdruck versucht Peking deshalb, den Abstand zu den führenden Biotech-Nationen so schnell wie möglich zu schließen. Nachdem man bereits 2011 Biotechnologie als eine von sieben strategischen Schlüsseltechnologien festgeschrieben hatte, wurde im 13. Fünfjahresplan der Regierung für die Branche ein Anteil in Höhe von vier Prozent am Bruttoinlandsprodukt des Landes bis 2020 ausgegeben. 2015 definierte das Regime im Rahmen des "Made in China 2025"-Strategiepapiers verschiedene Technologiebereiche, in denen bis zum Jahr 2020 rund 40 Prozent und fünf Jahre später 70 Prozent der Kernmaterialien aus dem Inland stammen sollen. Die Pharmaindustrie zählte dazu.

Reformen befeuern Biotech-Boom


Verschiedene Reformen der chinesischen Arzneimittelbehörde China Food and Drug Administration (CFDA) haben in den vergangenen Jahren darüber hinaus die Erstattungs- und Subventionsmöglichkeiten für Biotech-Präparate verbessert und nicht zuletzt den Zulassungsprozess massiv beschleunigt.

Mit 35 Medikamenten konnte die Zahl der in China neu zugelassenen Biotech-Wirkstoffe im Jahr 2017 gegenüber dem Vorjahr versiebenfacht werden. Das Marktforschungsinstitut Frost & Sullivan rechnet für den Zeitraum von 2017 bis 2021 mit einem jährlichen Wachstum der Branche in Höhe von 16,4 Prozent. Damit wird die chinesische Biotech-Industrie näher an die führenden Biotech-Nationen heranrücken. "China wird ein zunehmend wichtiger Faktor der globalen Medikamentenentwicklung", sagt Howard Liang, Finanzvorstand von Beigene. Sein Unternehmen hat in den vergangenen Jahren eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte geschrieben. Erst 2010 in Peking gegründet, war Beigene 2015 das erste chinesische Biotech-Unternehmen, das seine Aktien im Rahmen eines 182 Millionen US-Dollar schweren Börsengangs an der US-Technologiebörse Nasdaq notieren ließ. Heute bringt der Konzern eine Marktkapitalisierung von rund 7,8 Milliarden US-Dollar auf die Waage. Dank der Partnerschaft mit dem US-Biotech-Konzern Celgene, für den man seit 2017 die Kassenschlager Revlimid, Vidaza und Abraxane auf dem chinesischen Markt vertreibt, erzielte Beigene im vergangenen Jahr einen Umsatz von 198,2 Millionen US-Dollar.

Richtig spannend dürfte es Ende des Jahres werden. Denn dann stehen mit den beiden Krebsmedikamenten Zanubrutinib und Tislelizumab die ersten eigenen Zulassungen auf dem chinesischen Markt sowie die Antragstellung für eine Zulassungin den USA bevor. Das Lungenkrebspräparat Tislelizumab dürfte nach Ansicht des US-Investmenthauses Morgan Stanley der Hauptwachstumstreiber in den kommenden zwei bis drei Jahren werden.

Lungenkrebs ist die häufigste Krebsart in China. Die Zahl der Diagnosen nimmt pro Jahr um rund drei Prozent zu und dürfte 2030 bei 1,26 Millionen liegen. Die Fünfjahres-Überlebensrate ist deutlich geringer als in den USA, vor allem weil die Erkrankung meist erst in einem späten Stadium diagnostiziert wird. Mit Fruquintinib hat auch Hutchison China Meditech einen aussichtsreichen Wirkstoff gegen Lungenkrebs in der Pipeline, der im September 2018 bereits für die Behandlung von Darmkrebs zugelassen wurde. Insgesamt verfügt das Unternehmen über eine starke Entwicklungspipeline, schreibt aber trotz Jahresumsätzen von rund 220 Millionen US-Dollar derzeit noch rote Zahlen.

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Verdopplungschance bei Zai Lab


Die vielleicht spannendste Story unter den chinesischen Krebsforschern bietet aktuell Zai Lab. Die Firma könnte mit Zejula zur Behandlung von Eierstockkrebs in Kürze ihr erstes Präparat auf den Markt bringen. Die Behörden sprachen dem Wirkstoff, der ursprünglich von der amerikanischen Biotech-Schmiede Tesa­ro einlizenziert wurde, den "Priority Review"-­Status für einen beschleunigten Zulassungsprozess zu. Mit Optune gegen bösartige Hirntumore, das gemeinsam mit dem Biotech-Unternehmen Novocure entwickelt wird, steht im zweiten Halbjahr ein weiterer Wirkstoffkandidat vor der Marktzulassung. Dazu schlummern in der prall gefüllten Pipeline weitere Forschungsprojekte, die man zum Teil mit renommierten Pharmakonzernen wie Bristol-Myers Squibb vorantreibt. Angesichts dieser Perspektiven hat das US-Researchhaus Jefferies das Kursziel für Zai Lab Anfang März von 34 auf 49 US-Dollar nach oben gesetzt und im Upsideszenario ein Kursziel von 87 US-Dollar ausgegeben. Aktuell wird der Titel an der New Yorker Börse für rund 26 US-Dollar gehandelt.

Wer dem Risiko von Fehlschlägen in der Medikamentenentwicklung aus dem Weg gehen will, setzt auf den Pharmahändler und Klinikzulieferer Sinopharm Group, der vom rasant wachsenden Arzneimittelmarkt in China profitiert und auf einem soliden Wachstumskurs liegt. Ein nächstjähriges KGV von knapp 10,5 sowie eine Dividendenrendite von 2,3 Prozent bieten noch Bewertungsspielraum nach oben.