Italien und Spanien werden langsam durch die Nebenwirkungen der Corona-Pandemie wirtschaftlich erwürgt. Länder, die bereits während der Euro-Krise kurz vor dem Ruin standen, sind nun zunehmend verzweifelt. Neun europäische Länder, darunter auch Frankreich, fordern mit Nachdruck die Einführung von sogenannten Corona-Bonds: Das sind Anleihen, die von den Euroländern gemeinsam begeben werden, wodurch finanziell schwächere Länder von der Bonität der finanziell stärkeren Länder profitieren.

Regierungen wie die deutsche, die niederländische und österreichische lehnen die Vergemeinschaftung (und damit die gemeinsame Rückzahlung) von Schulden aber seit jeher ab. Grundtenor der Kritiker von gemeinsamen Anleihen, der "Geizigen" wie sie die italienische Presse nennt: Hilfe ja, aber nur unter Auflagen. Europa sei zwar eine Solidarunion, aber keine Transferunion. Zudem gäbe es andere und geeignetere Mittel, wie etwa Kredite der Europäischen Investitionsbank (EIB) und des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), um die Krise zu bekämpfen.

Das ist kleingeistig. Und falsch. Die Corona-Pandemie ist eben keine wirtschaftliche Schieflage einzelner Länder, sondern vor allem eine tödliche Seuche. Es geht dabei nicht nur ums Geld, sondern auch um ein Zeichen für die Menschen vor Ort, dass Europa sie nicht im Stich lässt. Das typische, technokratische Geschacher in dunklen Hinterzimmern in Brüssel ist den Menschen nicht zu vermitteln.

Die Coronakrise ist nicht vergleichbar mit der Finanzkrise


Es ist ein Zufall, dass Italien als erstes europäisches Land von der Seuche befallen wurde. Andere Staaten, wie etwa Deutschland, gewannen dadurch wertvolle Zeit, um sich vorzubereiten. Ebenso ist es Zufall, dass das Virus 2020 ausgebrochen ist. Man stelle sich einen Moment vor, was Anfang der 2000er Jahre passiert wäre, als Deutschland als "der kranke Mann Europas" galt. Hätte sich Deutschland damals auch so vehement gegen europäische Anleihen zur Wehr gesetzt wie heute? Sicher nicht.

Während deutsche Politiker auch in der aktuellen, außergewöhnlichen Krise weiter die Sprache der ordnungspolitischen Besitzstandswahrer sprechen, hat sich die Haltung in der Wissenschaft und Teilen der Wirtschaft zu Corona-Bonds verändert: Ungewöhnlich viele deutsche Spitzen-Ökonomen, wie etwa der Wirtschaftsweise Achim Truger, befürworten mittlerweile die Einführung von Corona-Bonds.

Laut einer aktuellen Umfrage des Ifo-Instituts spricht sich eine knappe Mehrheit der Ökonomen in Deutschland für Corona-Bonds aus. Sie befürchten eine neue Euro-Krise, wenn sich die EU-Staaten nicht gemeinsam so entschlossen gegen die Krise stemmen, wie sie es national tun. Corona-Bonds wären auch ein wirksames Mittel um zu verhindern, dass die Finanzmärkte gegen Italien und Spanien spekulieren und dadurch die Zinsen für staatliche Kredite in die Höhe treiben.

Corona-Bonds sind sinnvoll


Auch der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hütter, hat eine 180-Grad-Wende hingelegt und spricht sich nun offen für Corona-Bonds aus: Es sei besser "jetzt über den eigenen Schatten zu springen, als später die Scherben aufzusammeln". Zudem hätte sein Institut die drei zur Debatte stehenden Hilfsinstrumente, Corona-Bonds, ESM- und EIB-Kredite, miteinander verglichen. Das Ergebnis: Gemeinschaftsanleihen schneiden, gemessen an den Anforderungen, am besten ab.

Rückenwind bekommen die Experten auch aus der Wirtschaft. Der Chefvolkswirt der ING, Carsten Brzeski, erklärt: Corona-Anleihen seien sinnvoll, weil sie einen klaren Schnitt zwischen Altlasten und den Kosten für die Corona-Krise möglich machen. Denn Corona-Bonds bedeuten nicht einen Blankoscheck, um sich auf Kosten anderer unbegrenzt verschulden zu können. Vielmehr geht es darum, eine gemeinsame Anleihe (in einem klar definierten Umfang) zu begeben, damit die am schwersten von der Seuche geschädigten Staaten von der höheren Kreditwürdigkeit anderer Länder, wie etwa Deutschland oder Frankreich, profitieren können.

Die Süddeutsche Zeitung geht in einem Bericht davon aus, dass Deutschland für eine zehnjährige Corona-Anleihe in Höhe von 500 Milliarden Euro voraussichtlich 900 Millionen Euro pro Jahr draufzahlen müsste. Das ist viel Geld. Allerdings hätte diese Summe einen unbestreitbaren Nutzen für die gesamte europäische Union. Die geschätzten 600 Millionen Euro, die Verkehrsminister Scheuer für die geplatzte Maut verschleudert hat, sind dagegen nutzlos verbrannt. Genauso wie die jährlich vom Bund der Steuerzahler angeprangerten Steuerverschwendungen in Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro. Die Aufregung darüber hält seltsamerweise meist nur wenige Tage an.

Kommende Woche gehen die Beratungen der Finanzminister der Euro-Gruppe über europäische Hilfsprogramme weiter. Dabei geht es nicht nur um die Frage, wie Geld und Kredite am besten verteilt werden können und zu welchen Bedingungen - sondern um den Zusammenhalt der EU.