Die meisten November-Hilfen müssen zurückgezahlt werden", "EU-Kommission kippt Teile der geplanten Lockdownhilfe", "80 bis 90 Prozent der Corona-Hilfsanträge falsch gestellt": Seit Anfang des Jahres sind die Medien voll von Negativmeldungen dieser Art, und in vielen Unternehmen geht die Angst um.

Auch bei vielen Soloselbstständigen, Klein- und Kleinstunternehmern könnte die Laune wesentlich besser sein. Schon von den ersten Hilfsmaßnahmen im Sommer konnten sie kaum oder gar nicht profitieren, wie etwa der Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD) und die Gewerkschaft Ver.di unermüdlich kritisieren. Jetzt hatten sich vor allem die von den erneuten Schließungen Betroffenen endlich Entschädigung erwartet - stattdessen sind sie nun wieder verunsichert. Die gute Nachricht ist aber: Tatsächlich sind Soloselbstständige und Kleinunternehmer von dem derzeit in den Medien heiß diskutierten Thema wohl nicht in dem Ausmaß betroffen wie der Mittelstand. Was nicht heißt, dass sie sich nun entspannt zurücklehnen können, wie Andreas Lutz, Vorstandsvorsitzender des VGSD, betont: "Die grundsätzlichen Benachteiligungen bestehen weiter."

Komplizierte Antragsbedingungen

Ob in der Tat Rückzahlungen zu befürchten oder Anträge neu zu stellen sind, hängt zum einen davon ab, welche Hilfsprogramme genutzt und kombiniert wurden, und zum anderen davon, um welche Beträge es geht. Um dies zu verstehen, erläutert die Münchner Steuerberaterin Claudia Teufl, muss man zunächst wissen, dass die angebotenen Hilfen verschiedene Grundlagen haben - "eine Tatsache, die den meisten Betroffenen aber überhaupt nicht klar war". Ebenso wenig wie die damit verbundenen Konsequenzen.

Die November- und Dezember-Hilfen beispielsweise gehören zur "Kleinbeihilfe Bund"; aus demselben Topf kamen aber auch die Soforthilfen des Bundes oder die Überbrückungshilfe I. Die Krux dabei: Für die Kleinbeihilfe gibt es insgesamt eine Förderhöchstgrenze. Die Überbrückungshilfe II und auch die Überbrückungshilfe III, die aber noch gar nicht beantragt werden konnte, zählen dagegen zur "Fixkostenhilfe 2020". Hier sind es die Vergaberichtlinien, die jetzt für Ärger sorgen.

Fangen wir bei den November- und Dezember-Hilfen an: Sie können nur von Betrieben und Soloselbstständigen beantragt werden, die von der Schließungsverordnung vom 28. Oktober 2020 betroffen waren (Einzelhändler hingegen, die erst am 16. Dezember 2020 schließen mussten, profitieren nicht). Was viele nicht wussten: Bei der Berechnung dieser Obergrenze werden frühere Förderungen (siehe Tabelle) und beispielsweise auch der KfW-Schnellkredit (von der Förderbank KfW) in voller Höhe angerechnet. Für größere Gastronomiebetriebe oder Veranstalter, die sich im Frühling rechtzeitig um Liquidität bemüht hatten, kann dies nun bedeuten, dass sie die November- und Dezember-Hilfen nicht bekommen, weil sie ihren Rahmen bereits ausgeschöpft haben.

Doch der Förderrahmen ist mit bis zu einer Million Euro so umfangreich, dass Soloselbstständige und Kleinstunternehmen wohl eher nicht zu den Hauptbetroffenen zählen. Allein im Rahmen der Beihilfeverordnung beträgt er 800 000 Euro. Und Betriebe, die in den vergangenen drei Jahren keine oder nur geringe Hilfen nach der De-minimis-Regelung beantragt haben, können die hier erlaubte Obergrenze zusätzlich ausschöpfen. Unter die De-minimis-Beihilfe, die es schon vor Corona gab, fallen Förderungen, die EU-Mitgliedstaaten ihren Unternehmen ohne besonderen Antrag gewähren dürfen, wenn der Betrag als geringfügig anzusehen ist und der Subventionswert im Voraus genau berechnet werden kann.

Weiterhin November-Hilfen beantragen

Anspruchsberechtigten Kleinselbstständigen raten Experten daher auch weiterhin, November- und Dezember-Hilfen zu beantragen. Sie sollten dies insbesondere dann tun, wenn sie weniger als einen Vollzeitmitarbeiter beschäftigen. Denn in diesem Fall kann als Bemessungsgrundlage sogar das Durchschnittseinkommen aus dem Jahr 2019 herangezogen werden. "Das ist für viele ein großer Vorteil", erklärt Steuerberaterin Teufl. Größere Unternehmen, die noch keinen Antrag gestellt haben, können den Kredit vor Antragstellung zurückzahlen oder umschulden - um auf diesem Weg doch von November- und Dezember-Hilfen zu profitieren. Die Anträge können noch bis zum 30. ?April 2021 gestellt werden.

Selbst Steuerberater blicken kaum durch

Noch komplizierter wird die Sache bei der Fixkostenhilfe. Hier galt zwar gemäß EU-Genehmigung von Anfang an, dass sie grundsätzlich nur dann gewährt werden darf, wenn ein Unternehmen tatsächlich Verlust macht. Diese Voraussetzung stand aber zunächst nicht in dem Frage-Antwort-Katalog, den das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) zur Beantragung erstellt hatte - sie wurde erst am 3. Dezember nachträglich aufgenommen.

Dieses Versäumnis führte dazu, dass dieser Punkt auch von den meisten Steuerberatern übersehen wurde, die ohnehin, wie der Vizepräsident des deutschen Steuerberaterverbandes Torsten Lüth betont, seit Beginn der Pandemie "weit oberhalb ihrer Belastungsgrenzen arbeiten". Sie erwarteten, dass für die Beantragung ausschließlich die Größe des Unternehmens und die Höhe des Umsatzrückgangs entscheidend seien - auch wenn das Unternehmen insgesamt keinen Verlust oder sogar einen kleinen Gewinn macht. Dieses Missverständnis kann gravierende Auswirkungen haben. Nicht nur, dass neu gerechnet und zahlreiche Anträge für die Überbrückungshilfe II erneut gestellt werden müssen. Es wird auch zu Rückzahlungen kommen. Genaues Nachrechnen kann aber auch hier ergeben, dass das Problem doch nicht so groß ist wie zunächst angenommen: Um betroffenen Unternehmen mehr Spielraum zu geben, wird in der Berechnung zwischen "Leistungszeitraum" (September bis Dezember 2020) und "Beihilfefähiger Zeitraum" unterschieden. Dies soll dazu dienen, "die beihilferechtlichen Vorgaben möglichst flexibel anzuwenden", wie es auf den Internetseiten des BMWi heißt.

Wer für Oktober Überbrückungshilfe II beantragt, kann zur Erfüllung der Voraussetzungen also auch Verluste aus den Vormonaten oder November und Dezember geltend machen. Zudem können zur Verlustberechnung alle Kosten herangezogen werden, also auch solche, die nicht zu den laufenden betrieblichen Kosten zählen und damit nicht förderfähig sind. Dazu gehört auch ein fiktiver Unternehmerlohn.

Vor allem Letzteres ist ein Aspekt, der Kritiker wie Andreas Lutz, die im Zuge der Hilfsmaßnahmen gerade für Soloselbstständige und Kleinunternehmer eine Erstattung des Unternehmerlohns vehement fordern, nicht überzeugen kann. Sie wollen keine fiktive Anrechnung, die sich zudem nur an Pfändungsfreigrenzen orientiert, sondern eine Ausgestaltung der Hilfen, die den Lebensunterhalt von Soloselbstständigen "tatsächlich sichert".