Es werde sehr schwierig, die mit dem staatlich abgesicherten Hilfskredit von 1,8 Milliarden Euro gestiegene Schuldenlast zu tragen. TUI setzt darauf, dass die seit Mitte März wegen Covid-19 geltenden Reisebeschränkungen in Europa Mitte Juni fallen, zumindest für Länder und Regionen mit geringen Infektionszahlen wie den Balearen, Griechenland oder Kroatien. "Wir brauchen jetzt die Öffnung der Grenzen", forderte der TUI-Chef.

Im ersten Halbjahr häufte TUI einen operativen Verlust von knapp 829 Millionen Euro an, 175 Prozent mehr als im Vorjahr, vor allem weil die Buchungen einbrachen und den Kunden Geld für stornierte Reisen erstattet wurde. Der Umsatz lag mit 6,4 Milliarden Euro nur knapp unter Vorjahr. "Kein Geschäft, kein Umsatz" sei die Ausgangslage jetzt, sagte Joussen. Die Nachfrage nach Urlaub sei zwar sehr hoch, aber die Kunden zögerten wegen der Unsicherheit durch die Pandemie mit Buchungen. Vom Sommerprogramm seien erst 35 Prozent verkauft.

WENIGER HOTELS, SCHIFFE UND FLUGZEUGE BESITZEN


TUI wolle gestärkt aus der Krise hervorgehen. "Aber sie wird eine andere TUI sein und ein anderes Marktumfeld vorfinden als vor der Pandemie. Das macht Einschnitte erforderlich", erklärte Joussen. Etwa jede zehnte der mehr als 70.000 Stellen soll weltweit wegfallen. Die Belegschaft an den Reisezielen werde dabei stärker betroffen sein als der Heimatstandort Deutschland. Noch stärker als die Personal- sollen die Verwaltungskosten sinken, nämlich um 30 Prozent. "Wir müssen TUI anders gestalten - schlanker, schneller und weniger kapitalintensiv." Alle Vermögenswerte - mehr als 400 Hotels und Ressorts, die Airlines mit insgesamt 150 Flugzeugen und die 18 Kreuzfahrtschiffe - sollen "ohne Denkverbote" auf den Prüfstand. Das Unternehmen werde die Infrastruktur künftig stärker leasen statt sie zu besitzen. Von den Fluggesellschaften soll aber keine komplett verkauft werden.

Bedrohlich für die Branche ist der Abfluss von Barmitteln durch die Rückerstattungen. "Die gesamte Industrie läuft Gefahr zusammenzubrechen", warnte Joussen. Einige Länder setzten wegen Corona die Pflicht zur Erstattung der Reisekosten zu Gunsten einer Gutscheinlösung aus. Die Bundesregierung hoffte, die EU-Kommission werde generell eine Gutscheinpflicht in der EU einführen. Doch ein noch am Mittwoch erwarteter Vorschlag der EU zu Reiseregeln in Corona-Zeiten wird das Insidern zufolge nicht vorsehen. Reiseveranstalter und Airlines bieten schon länger Vergünstigungen an, wenn die Verbraucher freiwillig auf die Erstattung verzichten. Bei TUI akzeptiere etwa jeder zweite Kunde einen Gutschein, sagte Joussen. Dennoch flössen im Monat 100 bis 200 Millionen Euro an Rückzahlungen ab. Das komme zu den monatlichen Kosten von rund 250 Millionen Euro noch hinzu. TUI verfüge derzeit noch über 2,1 Milliarden Euro liquider Mittel - sechs Wochen zuvor, nach der Auszahlung des Überbrückungskredits, war es noch eine Milliarde Euro mehr.

TUI verspricht den Kunden, mit Hygienekonzepten und Änderungen wie längeren Öffnungszeiten der Restaurants oder kleineren Gruppen für Sport- und Ausflugsangebote die Ansteckungsgefahr an den Urlaubsorten einzudämmen. "Wir können sichere Reise anbieten - nicht überall, aber an einigen Reisezielen", sagte Joussen. Der Reiseveranstalter hofft, dass die Saison nur etwas später beginnt, aber länger bis in den Herbst hinein dauert.

Hart getroffen hat die Pandemie auch das Kreuzfahrtgeschäft, für TUI in den vergangenen Jahren eine sprudelnde Gewinnquelle. Schiffe anderer Veranstalter standen nach einem Ausbruch von Covid-19 an Bord wochenlang unter Quarantäne. Keines der 18 Schiffe von TUI Cruises war mit Gästen an Bord von der Infektion betroffen, doch die "Mein Schiff 3" mit rund 2900 TUI-Cruises-Beschäftigten auf der Heimfahrt erwischte es Ende April. Sie können nach und nach das vor Cuxhaven liegende Schiff verlassen, um nach Hause zu fliegen. Kreuzfahrten könnten in diesem Sommer nur kürzer und mit maximal 1000 Gästen stattfinden, erklärte Joussen. Statt Karibik wird die Nordsee im Programm sein.

rtr