Im Gegenteil müsse man vielleicht einige Schritte zurück machen. Wegen einer anhaltenden Inzidenz über 100 zog Hamburg die "Notbremse" und machte Lockerungen rückgängig. Um die Versorgung mit Impfstoffen zu verbessern, kann sich Spahn auch einen nationalen Alleingang bei der Bestellung des russischen Impfstoffs Sputnik V vorstellen. Spahn und RKI-Vizepräsident Lars Schaade warnten vor schweren Wochen.

Schaade zufolge befindet sich Deutschland im exponentiellen Wachstum der Fallzahlen. Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete am Freitag 17.482 Neuinfektionen, die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf 95,6. Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100.000 Einwohner sich in den vergangenen sieben Tagen mit dem Coronavirus angesteckt haben. Es sei sehr gut möglich, dass die Lage um Ostern ähnlich sei wie vor Weihnachten mit sehr hohen Fallzahlen und vielen Corona-Patienten in den Krankenhäusern, sagte Schaade. "Verbringen Sie die Ostertage nur im engsten Kreis", appellierte Schaade. "Ich bitte Sie auch, verzichten sie auf Reisen im In- und Ausland."

Immer mehr Bundesländer liegen inzwischen wieder über der als "Notbremse" eingezogenen Inzidenz-Marke von 100, ab der nach den Beschlüssen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und den 16 Ministerpräsidenten der Länder von Anfang März Öffnungen zurückgenommen werden sollen. "Wir müssen zurück in den Lockdown", forderte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Andernfalls würde die Inzidenz auf über 200 bis Mitte April steigen und die Intensivstationen überlastet werden. Hamburg zog bereits am Freitag die Notbremse. Unter anderem müssen in dem Stadtstaat der Einzelhandel, körpernahe Dienstleistungen sowie Museen und Galerien ab Samstag schließen, wie Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher sagte. Am Montag wollen Bundeskanzlerin Merkel und die Ministerpräsidenten erneut über das Vorgehen in der Corona-Pandemie beraten. "Wir brauchen noch einen langen Atem", sagte Spahn.

SPAHN - KÖNNTEN SPUTNIK V AUCH OHNE EU BESTELLEN


Um das Impftempo zu erhöhen, tritt der Gesundheitsminister für eine früheren Beginn der Impfungen in den Hausarztpraxen ein. Die Gesundheitsminister der Länder hatten vorgeschlagen, spätestens ab dem 19. April damit zu starten. Am Nachmittag wollten Bund und Länder bei einem Impfgipfel über Wege zur Beschleunigung der Impfungen zu beraten.

Einem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Beschluss-Entwurf, sollen deutsche Grenzregionen zu Tschechien, Tirol und Frankreich zusätzliche Impfdosen erhalten. Deutschland erhält danach aus einer zusätzlichen BioNTech-Lieferung über die EU 580.000 Dosen, von denen ein erheblicher Teil an die Regionen verteilt werden soll. Hintergrund ist die sehr starke Verbreitung der britischen oder südafrikanischen Virus-Varianten in Tschechien, der französischen Region Moselle und Tirol. 270.000 zusätzliche Impfdosen sollen genutzt werden, um die Hausärzte schneller einzubeziehen.

Dennoch werden die Impfstoffmengen auch im April noch knapp sein. Zwar kann der Impfstoff von AstraZeneca nach der Entscheidung der europäischen Arzneimittelbehörde EMA in Deutschland seit Freitag wieder verimpft werden, doch gleichzeitig kämpft der britisch-schwedische Konzern weiterhin mit Lieferproblemen. Deutschland erwarte im zweiten Quartal etwa 15 Millionen Impfdosen von AstraZeneca, sagte Spahn. "Das sind zwei bis drei Millionen Dosen weniger, als wir eigentlich erwartet hatten." Man sei in intensiven Gesprächen mit AstraZeneca und Johnson & Johnson, um die Konzerne zu unterstützen.

Der CDU-Politiker kann sich auch einen nationalen Alleingang bei der Bestellung von Sputnik V vorstellen. Man sei auf verschiedenen Ebenen in engem Austausch mit der russischen Seite, etwa um ihn etwa beim Zulassungsverfahren oder bei der Suche nach Produktionsstätten in Deutschland und Europa zu unterstützen. "Ich kann mir auch gut vorstellen, dass wir Verträge schließen - auch zügig schließen." Voraussetzung sei aber, dass man Klarheit über die verfügbaren Mengen haben müsse. "Ich bin tatsächlich sehr dafür, dass wenn die Europäische Union jetzt nicht da auch was macht, dass wir es dann national machen."

rtr