"Natürlich ist das heute kein einfacher Tag", räumte Ministerpräsident und CSU-Spitzenkandidat Markus Söder am Sonntag in München ein "schmerzhaftes Ergebnis" ein. Die CSU habe aber einen klaren Regierungsauftrag. Söder braucht aber einen Koalitionspartner. Er strebt eine "bürgerliche Koalition" mit den Freien Wählern an. Von den Grünen, mit denen es auch zu einer Regierungsmehrheit reichen würde, sei die CSU "inhaltlich weit entfernt".

Das Ergebnis wirft auch neue Schatten auf die Koalition im Bund. In Berlin verwies SPD-Chefin Andrea Nahles auf die "schlechte Performance" der Bundesregierung. "Fest steht: Das muss sich ändern." CSU-Parteichef und Bundesinnenminister Horst Seehofer schloss Konsequenzen aus der Wahlschlappe nicht aus. "Es wird in den nächsten Wochen darauf ankommen, dass wir aufarbeiten, woran dieses Ergebnis liegt, und daraus die nötigen Konsequenzen ziehen." Nach einer ARD-Umfrage halten 56 Prozent der Wähler ihn für den Hauptverantwortlichen für das CSU-Ergebnis. Grund für einen Rücktritt sieht Seehofer aber nicht.

Mit einem Minus von gut zehn Prozentpunkten schnitt die CSU besser ab als in den jüngsten Umfragen vor der Wahl: Sie kommt nach dem vorläufigen Endergebnis auf 37,2 (2013: 47,7) Prozent der Erst- und Zweitstimmen. Die Grünen verdoppelten ihren Stimmenanteil auf 17,5 (8,6) Prozent. Die Freien Wähler legten auf 11,6 (9,0) Prozent zu. Die AfD, die vor fünf Jahren nicht angetreten war, zieht mit 10,2 Prozent in den Landtag ein. Die SPD stürzte auf 9,7 (20,6) Prozent ab und rutschte erstmals bei einer Landtagswahl unter die Zehn-Prozent-Marke. Die FDP schaffte nach einer Zitterpartie mit 5,1 (3,3) Prozent knapp den Einzug in den Landtag. Die Wahlbeteiligung lag mit 72,4 (63,6) Prozent so hoch wie seit 36 Jahren nicht mehr.

LANDTAG SO GROSS WIE NOCH NIE



Damit verliert die CSU erst zum zweiten Mal seit 1962 die absolute Mehrheit der Sitze im bayerischen Landtag. Zuletzt war sie von 2008 bis 2013 auf die FDP als Partner angewiesen. Die CSU kommt nach Angaben des Landeswahlleiters auf 85 (2013: 101) Mandate, die Grünen auf 38 (18). Sie errangen erstmals in Bayern überhaupt sechs der 91 Direktmandate, davon fünf in München. Die SPD erreicht nur noch 22 (41) Sitze, die Freien Wähler stellen 27 (19) Abgeordnete. Die AfD zieht mit 22 Parlamentariern ins Maximilianeum ein und ist damit in 15 der 16 Länderparlamente vertreten. Die FDP stellt elf Abgeordnete. Die Stimmenverluste der CSU ziehen Überhang- und Ausgleichsmandate nach sich, der Landtag wächst damit um 25 auf die Rekordzahl von 205 Sitzen.

Das Ergebnis habe Bayern "jetzt schon verändert", sagte die Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Schulze. Der Vorsitzende der Freien Wähler (FW), Hubert Aiwanger, setzt auf eine Koalition mit der CSU: "Unter dem Strich wird es für eine bürgerliche Koalition reichen." Es gehe darum, "schwarz-grüne Spielchen" zu verhindern. Söder sagte, er habe "eine gewisse Präferenz für ein bürgerliches Bündnis" mit den Freien Wählern, er werde aber mit allen Parteien außer der AfD sprechen.

Vieles deutet darauf hin, dass ein Streit über die Schuld am Wahlergebnis der CSU auch die Bundesregierung erreicht. CSU-Chef Seehofer, der als Koalitionspartner in Berlin mitregiert, und CSU-Spitzenkandidat Söder, der Seehofer im Frühjahr nach langem Machtkampf als Ministerpräsident in München ablöste, hatten sich bereits im Wahlkampf über die Verantwortung für die absehbaren Stimmenverluste gestritten. Am Wahlabend warnten aber zahlreiche führende CSU-Politiker vor personellen Konsequenzen. "Die Mitglieder sagen: Bildet eine stabile Regierung und führt keine Personaldebatten", sagte Finanzminister Albert Füracker der Nachrichtenagentur Reuters.

CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer sprach von einem "bitteren" Ergebnis für die CSU. Die CDU wolle sich nun auf die Landtagswahl in Hessen in zwei Wochen konzentrieren. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier hatte gesagt, die CSU habe die Union in den vergangenen Monaten viel Vertrauen gekostet. "Man kann nicht über Monate den Eindruck erwecken, dass vieles durcheinander geht und die Regierung nicht handlungsfähig ist, und dann erwarten, dass die Leute der Union vertrauen", sagte er der "Welt am Sonntag". Umfragen zufolge drohen auch der CDU in Hessen herbe Stimmenverluste.

rtr