Man hört es immer öfter: Die Börsen stünden höchstwahrscheinlich vor einem zyklischen Hoch. Die Party sei bald vorbei. Und es gibt durchaus gute Argumente dafür, etwa das weltweite Auseinanderdriften der Märkte: Die Konjunktur in den USA läuft deutlich besser als in anderen wichtigen Regionen, was zu einer gewissen Instabilität führt. Hier wieder ein Gleichgewicht zu finden ist diffizil: Entweder das Tempo der US-Wirtschaft verlangsamt sich, und/oder das Wachstum in China und dem Rest der Welt zieht deutlich an. Im Moment jedoch sieht es weder nach dem einen noch nach dem andern aus. Die Stärke der amerikanischen Wirtschaft und des Dollar bekommen dabei aktuell weniger die USA selbst als vielmehr alle anderen Länder auf dem Globus zu spüren - vor allem diejenigen, die hohe Dollarschulden aufweisen, was auf die meisten Schwellenländer zutrifft.

Dass Währungen wie der argentinische Peso und die türkische Lira in kurzer Zeit 40 bis 60 Prozent ihres Werts verloren haben, ist nur die Spitze des Eisbergs. Der starke Greenback jedenfalls dürfte dazu führen, dass die Notenbanken außerhalb der USA über kurz oder lang straffere geldpolitische Rahmenbedingungen schaffen müssen.

Längerfristig wiederum scheint eine Verlangsamung des US-Wachstums wahrscheinlicher als ein Aufleben der chinesischen oder europäischen Wirtschaft. Zumindest zeigen das die Frühindikatoren derzeit so an. Das Problem: Wenn die US-Notenbank die Geldpolitik nun deut-licher strafft als bisher angenommen, um höherer Inflation vorzubeugen, könnte das zwei unangenehme Folgen haben - der Dollar wird noch teurer, und gleichzeitig nimmt die Dollarliquidität ab.

Aktuell indes herrscht in den USA noch eitel Sonnenschein. Da profitieren die Unternehmen immer noch von den Steuer-senkungen der Trump-Regierung. Und auch die weltweiten Abschottungstendenzen scheinen andernorts mehr zu schmerzen. Die USA halten sich hier besser, auch dank des größten Binnenmarkts der Welt, der vergleichsweise autark funktioniert. Gleichzeitig hat die zweite ökonomische Supermacht der Welt, die Volksrepublik China, damit zu kämpfen, dass knappere Kredite das Wachstum bremsen. War man in den vergangenen Jahrzehnten noch Hauptgewinner der Globalisierung, scheint man jetzt am stärksten unter den sich ändernden Rahmenbedingungen zu leiden.

Zusammengefasst bedeutet dies, dass die makroökonomischen Ungleichgewichte den Dollar stärken, was wiederum vor allem die Emerging Markets trifft und in der Folge dann die Ungleichgewichte weiter verstärkt. Ein Teufelskreis.

An den Märkten bleibt es daher schwierig. Nach den Schwellenländern könnten auch Hochzinsanleihen und die Börsen der entwickelten Länder unter Druck geraten. "Der Schlüssel für die Frage nach dem ‚Wann?‘ ist der US-Dollar und sein Einfluss auf die globale Liquidität", so Witold Bahrke, Stratege bei Nordea Asset Management. Wertet der Dollar weiter auf, sind die großen Notenbanken zum Handeln gezwungen. "Und damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wir an den Aktienmärkten in den kommenden sechs Monaten das ‚Big Top‘ sehen."

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com