Vier Wochen vor der US-Präsidentenwahl fürchten Investoren zunehmende Unsicherheiten. "Trumps Ansteckung mit dem Coronavirus wirft in einer heiklen Phase des Wahlkampfes zu viele offene Fragen auf", sagte Jochen Stanzl, Chef-Marktanalyst beim Brokerhaus CMC Markets.

In Frankfurt fielen der Dax und der EuroStoxx50 jeweils rund 1,2 Prozent auf 12.555 beziehungsweise 3155 Punkte. Auch in Asien waren Anleger aus Aktien geflüchtet. An der Wall Street rauschten die US-Futures am Nachmittag bis zu zwei Prozent nach unten.

Trump teilte über den Kurznachrichtendienst Twitter mit, er und seine Ehefrau Melania seien positiv auf den Krankheitserreger getestet worden. Dies komme für den US-Präsidenten "zu einer denkbar ungünstigen Zeit", kommentierte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt bei der VP Bank. An den Märkten könnte es insbesondere dann turbulent werden, wenn Trump einen schweren Krankheitsverlauf durchmache. "Die ohnehin bestehenden Unsicherheiten würden dann nochmals zunehmen."

Der Dollar war als sicherer Hafen gefragt und legte zu einem Währungskorb in der Spitze 0,3 Prozent zu. Der Euro gab im Gegenzug bis zu 0,5 Prozent nach, grenzte seine Verluste später aber wieder etwas ein. Staatsanleihen legten zu, ihre Rendite fiel auf minus 0,551 Prozent. Das als Krisenmetall genutzte Gold war ebenfalls gefragt und notierte 0,2 Prozent höher bei 1907 Dollar je Feinunze. "Neben der Corona-Erkrankung des US-Präsidenten fördert auch die Unsicherheit rund um die Brexit-Verhandlungen das Interesse an dem Edelmetall", sagte Händler Alexander Zumpfe vom Edelmetall-Spezialisten Heraeus.

Entscheidend sei nun, welche Folgen die Infektion für den US-Präsidenten habe, davon hänge ab, wie lange die Unruhe am Markt anhalte, sagte Francois Savary, Chef des Schweizer Vermögensverwalters Prime Partners. "Wir müssen möglicherweise bis zum Ende des Wochenendes warten, bis wir Klarheit haben. Die erste Reaktion war möglicherweise etwas überzogen. Die Infektion heißt nicht, dass die US-Regierung nicht funktioniert." Das Corona-Testergebnis von Vizepräsident Mike Pence fiel nach Angaben eines Sprechers negativ aus.

ÖLPREIS UNTER DRUCK


Finanzmärkte neigen üblicherweise dazu, einen Wahlsieg der Republikaner positiv zu bewerten, weil sie in diesem Fall auf niedrigere Steuern und weniger Regulierung hoffen. Bei einem Wahlsieg Bidens werden dagegen höhere Steuern erwartet, was negativ eingeschätzt werden dürfte. Zugleich allerdings wird damit gerechnet, dass der Demokrat die Ausgaben für die Infrastruktur steigert. "Je nach Wahlsieger dürften zwar unterschiedliche Unternehmen profitieren, in der Summe sehen wir aber kaum größere Unterschiede bei den Marktauswirkungen", konstatierten die Experten der Commerzbank. "Wichtig wäre aus Sicht der Märkte, dass der Sieger rasch feststeht."

Am Rohstoffmarkt gab der Ölpreis nach. Ein Barrel leichtes US-Öl verbilligte sich um rund vier Prozent auf 37,08 Dollar, Nordseeöl der Sorte Brent kostete mit 39,24 Dollar ebenfalls rund vier Prozent weniger. Der Ölpreis steuert damit auf ein Wochenminus von sechs Prozent in den USA beziehungsweise sieben Prozent bei Brent zu. Das ist der zweite Rückgang auf Wochensicht in Folge.

Am europäischen Aktienmarkt sackten die Aktien von Ölfirmen wie BP, Dutch und Total ab. Sollte Trumps demokratischer Rivale Joe Biden die US-Wahl gewinnen, könnte der Iran womöglich wieder mehr Öl auf den Markt bringen, weil Biden hinter dem Atomabkommen mit dem Iran stehe, sagte SEB-Rohstoffexperte Bjarne Schieldrop. Seit Jahresauftakt haben die Aktien der Ölfirmen gut die Hälfte an Wert eingebüßt.

In Frankreich legten die Aktien der Telekomfirmen Orange, Bouygues und Iliad bis zu 4,5 Prozent zu. Die Firmen hatten sich bei der Versteigerung 5G-Frequenzen gesichert.

Bayer setzten ihre Talfahrt fort und verloren weitere vier Prozent. Am Donnerstag waren sie wegen trüber Geschäftsaussichten und milliardenschwerer Sonderabschreibungen um rund dreizehn Prozent eingebrochen.

rtr