Als am Morgen des 24. Februar Russland den Angriff auf die Ukraine startete, verlor der DAX in der Spitze mehr als fünf Prozent an Wert. Flucht in Sicherheit war der Reflex bei vielen Anlegern. Eine andere Richtung wählte die Finanzabteilung von BASF: Der Chemiekonzern kaufte eigene Aktien im Wert von knapp 28 Millionen Euro.

Am nächsten Tag präsentierten die Ludwigshafener ihren Geschäftsbericht. Vorstandschef Martin Brudermüller sprach in einer Telefonkonferenz mit Finanzanalysten auch über die längerfristige Performance der Aktie. Als Management-Team sei man frustriert über die Kursentwicklung gewesen: "Wir halten BASF für dramatisch unterbewertet", so Brudermüllers Ansage. Allein in jener Woche kaufte BASF über die Börse mehr als 2,9 Millionen eigene Aktien.

Bereits im Januar gab BASF das Zeichen: Bis zu drei Milliarden Euro werde man bis Ende des kommenden Jahres in den Kauf eigener Aktien stecken. Der Chemieriese liegt damit im Trend. Über 25 Milliarden Euro haben Unternehmen aus dem deutschen Aktienleitindex für Rückkäufe designiert. Mehr als ein Drittel der DAX-Mitglieder hat entsprechende Programme aufgelegt. In dieser Woche startete die Deutsche Bank, die 300 Millionen Euro dafür ausgeben will. Seit Anfang des Monats ist auch die Allianz wieder aktiv. Siemens arbeitet gerade ein Programm von bis zu drei Milliarden Euro ab.

Als Nächster aus dem DAX könnte BMW dazustoßen: Der Autokonzern hat angekündigt, auf der Hauptversammlung die Genehmigung für den Kauf eigener Aktien einzuholen. Für BMW wären es die ersten Rückkäufe seit mehr als anderthalb Jahrzehnten. Zuletzt hatten die Münchner 2005 zugegriffen und mehr als 20 Millionen Aktien beziehungsweise drei Prozent des Grundkapitals zu einem Preis von 770 Millionen Euro von der Börse geholt. Auch BASF hat sich Zeit gelassen für die Neuauflage. Zuletzt hatte der Konzern zwischen 1999 und 2008 Aktien für fast zehn Milliarden Euro zurückgekauft. Die lange Wartezeit gibt der Entscheidung jetzt besonderes Gewicht.

Adidas will bis zu 2025 vier Milliarden Euro für den Erwerb eigener Aktien ausgeben. Hinzu kommen 1,5 Milliarden Sondererlös, die durch den Verkauf der Marke Reebok in die Kasse kommen. In noch größeren Dimensionen bewegt sich Linde. Der Spezialist für Industriegase plant, bis Sommer 2024 bis zu zehn Milliarden Dollar in Rückkäufe zu stecken. Zum Zeitpunkt der Ankündigung entsprach das 8,9 Milliarden Euro. Gerade erst hat Linde ein Programm über fünf Milliarden Dollar abgeschlossen. Ebenfalls auf Einkaufstour sind im DAX unter anderem Henkel und HeidelbergCement.

Die Käufe spiegeln die wirtschaftlich gute Verfassung der Unternehmen wider. Die meisten DAX-Konzerne haben ihren Gewinn 2021 kräftig gesteigert und die Pandemie hinter sich gelassen. Ohne große Übernahmen bleibt somit ein erheblicher finanzieller Spielraum.

Richtige Mischung

Rückkäufe sind insbesondere in den USA eine beliebte Ergänzung zur Dividende. Während bei Letzterer die Anteilseigner eine Geldüberweisung auf ihre Konten bekommen, helfen Rückkäufe den Aktionären indirekt: Werden die aufgekauften Papiere eingestampft, sinkt die Gesamtzahl der Aktien. Damit werden künftige Dividendensteigerungen billiger, weil weniger Papiere berücksichtigt werden müssen. Auf jede einzelne Aktie entfällt zudem ein größerer Teil des Jahresgewinns. Damit müsste jedes Stück an Wert gewinnen. Keinen nachhaltigen Nutzen haben Aktionäre, wenn die aufgekauften Papiere im Umlauf bleiben, wie beim aktuellen Programm von SAP. Der Softwarekonzern will in erster Linie "Mitarbeitende belohnen, die einen wertvollen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten".

Ein gewichtiger Kritikpunkt an Rückkäufen: Unternehmen geben Geld aus, um Kennziffern zu optimieren, nicht um das operative Geschäft zu forcieren. "Entscheidend sind Motivation und Finanzierung: Wenn ein Unternehmen die Mittel hat, aber keine sonstige wertsteigernde Investitionsmöglichkeit sieht, können Aktienrückkäufe sinnvoll sein", so Christof Schürmann vom Flossbach von Storch Research Institute.

Ein prominenter Freund von Rückkäufen ist Warren Buffett. Dessen Investmentgesellschaft Berkshire Hathaway hat über die vergangenen beiden Jahre neun Prozent ihrer ausstehenden Aktien vom Markt genommen und dafür knapp 52 Milliarden Dollar ausgegeben. Jeder Aktionär besitze jetzt einen entsprechend größeren Anteil an Berkshires Geschäften, so Buffett. Er sagt aber auch: Genauso wie man bei einer Übernahme nicht zu viel für die Aktien anderer Unternehmen ausgeben wolle, sei es wertvernichtend, beim Kauf der eigenen Aktien zu viel zu zahlen.

Oft wird dann gekauft, wenn die Geschäfte gut laufen und viel Geld in der Kasse ist. Dann aber ist meist auch die Aktie teuer. In Krisenzeiten, wenn die Kurse niedrig sind und sich günstige Gelegenheiten bieten, fehlen Geld und Mut, um antizyklisch vorzugehen. Im Idealfall saugen Unternehmen kontinuierlich Aktien vom Markt. Zu den regelmäßigen Käufern gehört Munich Re. Der Rückversicherer hat in den Jahren 2006 bis 2020 fast 13 Milliarden in eigene Aktien gesteckt und die Zahl der Papiere auf diesem Weg um mehr als ein Drittel gesenkt. Eine weitere Milliarde Euro ist bereits eingeplant.
 


INVESTOR-INFO

BASF

Viele Fragezeichen

Nach der Hauptversammlung will der Chemiekonzern 3,40 Euro je Aktie als Dividende ausschütten. Das entspricht beim aktuellen Kurs einer Dividendenrendite von mehr als sechs Prozent. Offenbar preisen Börsianer Probleme ein: steigende Rohstoffkosten, eine drohende Rezession, Probleme beim geplanten Börsengang von Wintershall Dea, an der BASF die Mehrheit hält. Das Dividendenniveau ist attraktiv, es fehlt ein Zünder für den Aktienkurs. Anleger brauchen trotz der niedrigen Bewertung der Aktie Geduld.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 65,00 Euro
Stoppkurs: 47,00 Euro

BMW

Höheres Tempo

Der Autokonzern rechnet für das neue Jahr im Kerngeschäft mit einer Rendite von sieben bis neun Prozent. Damit liegt die Prognose einen Prozentpunkt niedriger als vor Kriegsausbruch. Probleme bereiten Lieferengpässe und auch die stark gestiegenen Rohstoffpreise. Beim technologischen Umbruch will BMW das Tempo verschärfen: Schon 2030 sollen mehr als die Hälfte der verkauften Autos Elektromodelle sein. Die Herausforderungen sind groß, die Aktie aber ist niedrig bewertet.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 100,00 Euro
Stoppkurs: 63,00 Euro

Munich Re

Bewährte Philosophie

Der Rückversicherer ist bei Aktionären vor allem durch seine Dividendenphilosophie beliebt: Seit mehr als einem halben Jahrhundert ist die Ausschüttung nicht gesenkt worden. Nebenbei werden kontinuierlich eigene Aktien zurückgekauft. In der Pandemie musste die Munich Re auf Druck der Aufsichtsbehörden auf Rückkäufe verzichten. Jetzt geht es wieder los: Eine Milliarde ist zunächst eingeplant. Die Aktie bleibt ein Basisinvestment für Dividendensammler.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 280,00 Euro
Stoppkurs: 180,00 Euro