Nach dem Zinserhöhungssignal der US-Notenbank Fed herrscht Unruhe an den Aktienmärkten. Für zusätzliche Unsicherheit sorgt der Russland-Ukraine-Konflikt. Die zunehmenden Spannungen schüren auch die Sorgen vor gegenseitigen Sanktionen zwischen den westlichen Industrieländern und Moskau. Die könnten insbesondere auch die deutschen Konzerne treffen, die traditionell sehr enge Geschäftsbeziehungen zu Moskau haben.

Laut einer Liste des US-Wirtschaftsmagazins "Forbes" zählen Volkswagen, Metro, Daimler, BMW, Henkel, Uniper und Bayer zu den Firmen mit den größten Umsätzen mit Russland, dazu die nicht börsennotierten Globus und Bosch.

Umsatzstärkster ausländischer Konzern in Russland ist allerdings der US-Tabakriese Philip Morris mit umgerechnet vier Milliarden Euro, gefolgt von der französischen Baumarktkette Leroy Merlin (3,9 Milliarden). An dritter Stelle steht bereits der VW-Konzern, der unter anderem am Standort Kaluga produziert.

Der Handelskonzern Metro aus dem SDAX liegt nach dieser internationalen Liste auf Platz 11, Daimler auf Platz 15. "Wir sehen die Entwicklungen insbesondere in den letzten Tagen mit Sorge und hoffen auf eine Deeskalation aufgrund der vielfältigen Gespräche von Politik und Diplomatie", sagte eine Daimler-Sprecherin gegenüber BÖRSE ONLINE. Genaue Angaben zu Umsatzanteilen im Russland-Geschäft wollte die Sprecherin auf Nachfrage nicht machen. Ähnlich äußerte sich eine Metro-Sprecherin: "Je nach Situation werden wir die Lage prüfen und bewerten."

Andere Konzerne wie VW wagen sich überhaupt nicht aus der Deckung. "Wir bitten um Verständnis, dass wir uns zu diesem Thema nicht äußern", sagte ein VW-Sprecher. Mit einem geschätzten Russland-Umsatz von 3,6 Milliarden Euro steht der Wolfsburger Autobauer an erster Stelle der Liste der deutschen Unternehmen mit dem größten Russland-Geschäft.

Unterdessen spitzt sich die Lage weiter zu. Die US-Regierung in Washington hat inzwischen deutlich gemacht, dass sie Russland im Fall einer Invasion der Ukraine insbesondere von den globalen Lieferketten für Telekommunikationsprodukte ausschließen will. Als Vorbild gelten die wirtschaftlichen Sanktionen gegen den chinesischen Netzwerkausrüster Huawei, der seither mit massiven Umsatzeinbrüchen zu kämpfen hat. Der russische Mobilfunkmarkt wird von ausländischen Konzernen wie Apple, Samsung und Huawei dominiert.

Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet zudem mit Bezug auf US-Regierungskreise, Washington erwäge Lieferbeschränkungen für Mikrochips, wenn diese mit US-Software oder -Technologie entwickelt oder hergestellt wurden. Die Sanktionen könnten sich auch auf kritische Industriesektoren wie künstliche Intelligenz, Schifffahrt, Verteidigung und zivile Luftfahrt beziehen. Sie könnten auch allgemeiner gefasst werden und beispielsweise die Unterhaltungselektronik einschließen. Der Umfang der Beschränkungen stehe noch nicht fest, hieß es. Vertreter der US-Wirtschaft seien aber bereits vor einschneidenden Maßnahmen vorgewarnt worden, schreibt Reuters.

Auch die Europäische Union plant massive Handelsbeschränkungen gegenüber Russland. "Zweifellos sind wir zu umfassenden, noch nie dagewesenen Sanktionen bereit, sollte Russland erneut in die Ukraine einmarschieren", sagte Dänemarks Außenminister Jeppe Kofod.

Die Zuspitzung der Ukraine-Krise und die Spannungen mit Russland sind für deutsche Konzerne umso alarmierender, als sich das Geschäftsklima in Russland nach den Turbulenzen der Corona-Krise 2020 zuletzt deutlich aufgehellt hatte. Das war das Ergebnis der 19. Geschäftsklimaumfrage Russland des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft und der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK). Daran hatten sich im November 2021 fast 90 deutsche Unternehmen beteiligt, die in Russland über 50 000 Mitarbeiter beschäftigen und dort über 14 Milliarden Euro umsetzen.

"Die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen stehen auf einem festen Fundament und haben die Delle des ersten Corona-Jahres 2020 hinter sich gelassen. Der Optimismus kehrt zurück", glaubte der Ost-Ausschuss-Vorsitzende Oliver Hermes noch im November. Nun bleibt nur noch die Hoffnung auf Deeskalation.

Umsatz deutscher Konzerne in Russland (2020, in Mrd. Euro)


Name Umsatz (in Mrd. Euro)
Volkswagen 3,6
Metro 2,6
Daimler 2,2
BMW 2,0
Globus 1,2
Bosch 1,0
Henkel 0,9
Uniper 0,9
Bayer 0,8

Quelle: Forbes