Der Dax rutschte am Donnerstagvormittag erneut unter die seit Mittwoch umkämpfte, psychologisch wichtige, Marke von 13.000 Punkten und verlor 1,3 Prozent auf 12.971 Stellen. Der EuroStoxx50 fiel um 1,2 Prozent auf 3424 Zähler. "Hohe Inflationsraten, eine restriktivere Geldpolitik, steigende Zinsen, der Krieg in Europa sowie Corona-Lockdowns in China fordern in diesem Jahr ihren Tribut", fasste Carsten Klude, Chefvolkswirt bei M.M.Warburg, zusammen. "Anleger benötigen in diesen Zeiten Nerven wie Stahlseile - und Geduld, denn eine schnelle Trendwende zum Besseren ist noch nicht absehbar."

Der Einkaufsmanagerindex für die gesamte Wirtschaft in der Euro-Zone sank unerwartet kräftig um 2,9 auf 51,9 Punkte und damit auf den tiefsten Stand seit 16 Monaten. Der Einkaufsmanagerindex für die deutsche Privatwirtschaft - Industrie und Dienstleister zusammen - fiel um 2,4 auf 51,3 Punkte und damit auf ein Sechs-Monats-Tief. Auch in Frankreich wuchs die Wirtschaft so langsam wie seit dem Einbruch infolge der Omikron-Welle im Januar nicht mehr.

"ENTTÄUSCHUNG AUF GANZER LINIE"


Das drückte auch den Euro stärker ins Minus. Die Gemeinschaftswährung verlor 0,7 Prozent auf 1,0495 Dollar. "Die Zahlen enttäuschen auf ganzer Linie", sagte Helaba-Analyst Ralf Umlauf. Die für Juli erwartete Zinserhöhung der EZB stehe damit nicht in Frage, da die Geldpolitik wegen der Rekordinflation von 8,1 Prozent im Euro-Raum gegensteuern müsse. Die Notenbank will die wichtigsten Zinssätze im Juli um jeweils 0,25 Prozentpunkte anheben. Es wäre die erste Zinserhöhung seit 2011. Für September peilen die Währungshüter einen noch größeren Zinsschritt an, wenn der Inflationsschub anhält.

Anleger flüchteten sich erneut in sichere Häfen und griffen unter anderem bei Bundesanleihen zu. Im Gegenzug fiel die Rendite der zehnjährigen Papiere auf 1,437 Prozent.

GAS-WARNSTUFE IN DEUTSCHLAND - PREISE STEIGEN WEITER


An den Nerven der Anleger zehrt auch die eskalierende Versorgungslage an den Gasmärkten. Angesichts der reduzierten Lieferungen aus Russland spricht die Bundesregierung von einer Gaskrise und rief die zweite Stufe das Notfallplans Gas aus. Der europäische Erdgas-Future verteuerte sich um knapp fünf Prozent auf 132,60 Euro je Megawattstunde. Im Winter drohten Rationierungen des Gasbezugs und damit Produktionsstopps in der Industrie, sagte Jens Südekum, Professor der Volkswirtschaft an der Universität Düsseldorf. "Eine schwere Rezession könnte die Folge sein."

Die Ölpreise sanken erneut. Die Nordsee-Sorte Brent verbilligte sich um 2,1 Prozent auf 109,34 Dollar je Fass. "Die Ölmärkte bleiben unter Druck, da die Anleger befürchten, dass US-Zinserhöhungen die wirtschaftliche Erholung behindern und die Treibstoffnachfrage dämpfen", sagte Kazuhiko Saito, Chefanalyst beim Broker Fujitomi Securities. Solche Bedenken spiegelten sich in sinkenden KupferpreisenCMUC3 wider. Im Rahmen seiner halbjährlichen Anhörung vor dem Kongress wird US-Notenbank Jerome Powell seinen zweiten Tag sprechen. Am Mittwoch hatte er sich zu weiteren zügigen Zinserhöhungen bekannt, um die Inflation in den Griff zu bekommen.

FUSIONSHOFFNUNGEN TREIBEN ATOS

Stark konjunkturabhängige Aktien gerieten in Europa besonders unter die Räder, dazu zählten vor allem Auto- und Finanzwerte. Am Pariser Aktienmarkt trieb die Hoffnung auf ein erfolgreiches Zusammengehen mit Thales Atos-Aktien um 7,5 Prozent nach oben. Einem Medienbericht zufolge hat Frankreichs Regierung keine Bedenken und befürwortet die Fusionspläne des Rüstungskonzerns mit dem IT-Berater.

rtr