Anleger blicken gebannt auf die Gas-Pipeline Nord Stream 1, deren Wartung am Donnerstag enden soll. Allerdings ist unklar, ob Russland den Gashahn anschließend wieder aufdreht oder die Lieferungen als Vergeltung für die Sanktionen des Westens einstellt. "Ein plötzlicher Stopp würde Deutschland und Italien am stärksten gefährden und das Risiko einer stärkeren Rationierung von Energie erhöhen", sagt Katharine Neiss, Europäische Chefvolkswirtin beim Vermögensverwalter PGIM. Die Wettbewerbsfähigkeit am Standort Deutschland sei in Gefahr und das bei der gegenwärtig ohnehin unsicheren Konjunkturlage, urteilt die Helaba.

"ZEITENWENDE" IN DER EZB-GELDPOLITIK - ITALIEN IN DER KRISE


Parallel zur möglichen Entscheidung im Pipeline-Krimi steht die geldpolitische Entscheidung der EZB am Donnerstag im Fokus. Die Währungshüter hatten die erste Zinserhöhung seit 2011 signalisiert. Weitere Schritte sollen folgen. "Das Zinserhöhungsfenster schließt sich für die EZB aber schnell", warnen die Analysten der ING Bank. "Das ist ein Argument für eine Anhebung um einen halben statt dem von EZB-Chefin Christine Lagarde signalisierten Viertel Prozentpunkt." Die US-Notenbank Fed hatte ihren Leitzins im Juni um 0,75 Prozent angehoben, so stark wie zuletzt 1994.

Durch ihre Zaghaftigkeit habe die EZB Glaubwürdigkeit verloren, sagt Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com. "Eine Inflationsrate über acht Prozent und negative Leitzinsen: Das ist Wahnsinn." Auch die Bank of Japan, die weitere letzte große Notenbank mit Nullzins-Kurs, wird am Donnerstag entscheiden.

Ein weiteres Problemfeld eröffnet sich für die EZB in Italien, wo es nach dem Bruch in der Regierungskoalition und dem von Präsident Sergio Mattarella abgelehnten Rücktrittsgesuch des Ministerpräsidenten Mario Draghi politisch brodelt. Dadurch weiteten sich die Renditeabstände (Spreads) zwischen deutschen und italienischen Staatsanleihen weiter aus. "Die EZB sorgt sich um ein zu starkes Auseinanderdriften der Spreads in der Eurozone", sagen die Devisenanalysten der Commerzbank. "Denn damit würden sich die Finanzierungsbedingungen einiger Länder, unter anderem eben Italiens, aus Sicht der Notenbank ungerechtfertigterweise, verschlechtern." Vor diesem Hintergrund will die EZB am Donnerstag Instrumente vorstellen, die diese sogenannte Fragmentierung verhindern.

AUSBLICKE KÖNNTEN ROBUSTE QUARTALSERGEBNISSE ÜBERSCHATTEN


Darüber hinaus wird die Bilanzsaison Börsianer auf Trab halten. "Zwar haben sich die Gewinnerwartungen vieler Unternehmen bislang bestätigt, sie werden aber unter Druck geraten, wenn sich die Konjunktur weiter abschwächt", warnt Analyst Craig Burelle vom Vermögensverwalter Loomis Sayles. "Dann sind die Bewertungen möglicherweise nicht mehr so günstig, wie sie derzeit erscheinen."

Daher richte sich das Hauptaugenmerk weniger auf die Zahlen für das abgelaufene Quartal sondern die Ausblicke, sagt Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden bei der Deutschen Bank. "Die Weitergabe steigender Produktionskosten dürfte mit Blick auf die nachlassende Verbraucherlaune zunehmend schwerfallen, während das steigende Zinsniveau die Nachfrage drückt."

In Deutschland läutet SAP den Zahlenreigen ein. Im Ausland legen unter anderem die Geldhäuser Bank of America und Goldman Sachs Ergebnisse vor. Außerdem öffnen der Elektroautobauer Tesla und die "AEG"-Mutter Electrolux ihre Bücher.

rtr