Europas Anleger haben sich am Donnerstag nach den jüngsten Kursverlusten wieder an die Aktienmärkte herangepirscht. Der Dax stabilisierte sich oberhalb der psychologisch wichtigen Marke von 13.000 Punkten und notierte am Vormittag 0,3 Prozent höher bei 13.066 Punkten.

Der EuroStoxx50 legte 0,2 Prozent auf 3576 Zähler zu. "Im Moment scheinen die Anleger der Ansicht zu sein, dass der Ausverkauf Anfang der Woche vielleicht übertrieben war", sagte Marktstratege David Jones vom Handelshaus Capital.com. Deswegen griffen Schnäppchenjäger vor allem bei nach unten geprügelten Standardwerten zu.

"Die weiter unerwartet hohe US-Inflation sitzt den Börsianern aber unverändert im Nacken", sagten die Strategen von Raiffeisen Research. Die August-Teuerungsrate hatte sich nicht so stark abgeschwächt wie von Börsianern erwartet. Immer mehr Investoren gehen mittlerweile davon aus, dass die Fed in der kommenden Woche den Schlüsselsatz nicht nur wie bislang erwartet um einen Dreiviertel-, sondern einen vollen Prozentpunkt anheben dürfte. Wichtige Impulse für die Richtungssuche an den Märkten dürften die US-Einzelhandelsumsätze am Nachmittag liefern. Experten rechnen für August mit einer Stagnation.

ZINSKURVE DEUTET AUF TRÜBE KONJUNKTURSCHÄTZUNGEN HIN

Auch die Erwartungen bezüglich eines strafferen geldpolitischen Kurses der Europäischen Zentralbank nehmen zu. EZB-Chefvolkswirt Philip Lane signalisierte weitere Anhebungen, um die Inflationserwartungen im Zaum zu halten. Investoren warfen deshalb bereits gehandelte, niedriger verzinste Staatsanleihen aus ihren Depots. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihen kletterte auf 1,766 Prozent. Alarmiert zeigten sich Marktteilnehmer auch angesichts einer sich verflachenden Zinskurve am Anleihenmarkt. Der Renditeabstand zwischen den zwei- und zehnjährigen Bundespapieren verengte sich auf 26,2 - der niedrigste Stand seit August 2021. "Die Kurvendynamik ist ein klarer Hinweis darauf, dass die Anleger nach einer Phase der geldpolitischen Straffung eine Abschwächung des Wachstums und der Inflation erwarten", erläuterten die Analysten von Unicredit.

GASPREIS ZIEHT AN - WINTERPERIODE WIRFT SCHATTEN VORAUS

Die Aussicht auf sinkende Temperaturen ließ die Gaspreise erneut nach oben schnellen. Einige Marktteilnehmer sorgten sich angesichts knapper Ressourcen, dass der Winter nicht so moderat ausfallen könnte wie erhofft, sagte ein Händler. Der europäische Future zog um acht Prozent auf 234 Euro je Megawattstunde an. Bereits am Mittwoch hatten sich die Preise kräftig nach oben bewegt, was Marktteilnehmer unter anderem mit dem Ringen innerhalb der EU um einen Preisdeckel für russisches Erdgas begründet hatten.

Im Krypto-Sektor legte der Kurs von Ethereum zwei Prozent auf 1630 Dollar zu. Mit einem umfassenden Software-Update soll für die Cyber-Devise eine Zeitenwende eingeläutet werden. Der als Mitbegründer und konzeptioneller Ethereum-Erfinder geltende Vitalik Buterin meldete am Donnerstag über Twitter den Vollzug der erwarteten Maßnahme, im Jargon"The Merge" genannt.

H&M UND DELIVERY HERO IM ABSEITS

Spanische Bankaktien, darunter Bankinter, Sabadell  und Caixabank, stiegen jeweils um fast fünf Prozent. Madrid ist nach Worten von Wirtschaftsministerin Nadia Calvino bereit Änderungen bei der geplanten Besteuerung der Geldhäuser vorzunehmen, um eine Gefährung der Stabilität des Finanzsektors zu vermeiden.

In Stockholm gaben Aktien von H&M 1,8 Prozent nach. Der schwedische Modehändler verbuchte im dritten Quartal einen Umsatzrückgang um drei Prozent auf 57,5 Milliarden Kronen (5,38 Milliarden Euro).

Mehr als fünf Prozent abwärts ging es für Delivery Hero. Ein Händler verwies auf eine Mitteilung des Essenslieferdienstes, wonach Konzernchef Niklas Östberg und der Chief Operating Officer Pieter-Jan Vandepitte eigene Aktien verkauft haben. "Das ist ein negatives Signal", sagte der Börsianer.

Von Reuters