Tempo, Tempo, Tempo - so lautet das Erfolgsrezept des Kochboxenversenders Hellofresh. 2011 wurde das Start-up von den heutigen Chefs Dominik Richter und Thomas Griesel gegründet. Aus einem spartanischen Büro in einer Ex-Backfabrik in Berlin expandierte die Firma in zehn Jahren auf drei Kontinente und im September in den DAX - eine irrwitzige Wachstumsgeschichte.

Im Internet wurde damals zwar vieles bestellt, von Lebensmitteln aber war kaum die Rede. Der Erfolg des Kochboxen-Start-ups Linas Matkasse aus Schweden überzeugte den Start-up-Finanzierer Rocket Internet und die beiden Ex-Kommilitonen der London School of Economics, Griesel und Richter, denen Rocket mit Kapital unter die Arme griff. Die Idee: Zutaten zum Selberkochen samt Rezeptkarten sollten jungen Familien und Kunden im Zeitstress das Shoppen im Supermarkt ersparen und die nervige Frage lösen, was als nächstes auf den Tisch kommt. Das Angebot: Einmal pro Woche kommt portionierte Ware per Box nach Hause, sie wird im Abo bestellt.

Das Rezept hat inzwischen 7,7 Millionen Kunden zu Hellofresh gelockt. Die Berliner sind längst global rührig. Richter und Griesel expandierten bereits wenige Monate nach Gründung in Großbritannien und den Niederlanden. Im Sommer startete Hellofresh in Norwegen und ist damit jetzt in 15 Ländern aktiv, allein in den USA erzielt die Firma über die Hälfte des Umsatzes.

Corona brachte das Geschäft dann so richtig auf Touren. 2020 verdoppelte Hellofresh den Umsatz auf 3,8 Milliarden Euro, lieferte über 74 Millionen Boxen und schaffte es nach zehn Jahren auf Nettobasis in die Gewinnzone. Ein Wahnsinnsritt, doch Gründer Richter gibt gerne mal den romantischen Entrepreneur: "Das Aufwachsen eines Unternehmens ist in etwa so, als wenn man jeden Tag vor dem Spiegel steht und gar nicht merkt, wie sehr man sich verändert hat", so der heute 35-Jährige in einem Interview.

Dabei hat Hellofresh den Aufstieg extremem Arbeitseinsatz auch der Gründer, eiserner Härte im Wettbewerb sowie zig Millionen an Werbeausgaben zu verdanken. In den USA etwa verdrängten die Berliner den Platzhirsch Blue Apron, der Konkurrent wurde, wie viele andere, im Marketingdauerfeuer der Deutschen zermürbt.

Bis im Sommer hielt der Turbomodus, von April bis Juni wurden 31 Millionen Bestellungen ausgeliefert, über 70 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Kundenbasis wuchs um 84 Prozent auf besagte 7,7 Millionen, die Kunden wurden im Schnitt rund vier Mal im Quartal beliefert - ein vergleichsweise hoher Wert.

Die diesjährige Urlaubssaison allerdings lag den Chefs im Magen. Die Menschen würden jetzt wieder häufiger außer Haus essen, dämpfte Richter die Erwartungen an die Zahlen Anfang November. Die Skepsis mancher Analysten wächst, laut US-Bank JP Morgan etwa könnte Hellofresh im Quartal zum Ende September Kunden verloren haben.

Investoren anfeuern

Richter bemüht sich unterdessen bei Investoren um gute Stimmung: Kunden, die in der Pandemie gewonnen wurden, wiesen eine längere Verweildauer und höhere Nachbestellungsrate auf als erwartet, so der Chef jüngst vor Analysten. Das Umsatzziel steht, 2021 soll der Umsatz um 45 bis 55 Prozent steigen. Hellofresh habe zudem seine Zielgruppen noch lange nicht gänzlich erobert, referierte der Selfmade-Millionär, erst weniger als ein Fünftel der adressierbaren Kunden hätten die Kochkits bislang ausprobiert.

Längst ist Hellofresh dabei, den Markt kunstgerecht aufzukochen. Die Marke Everyplate deckt in den USA den unteren Preisbereich ab, Green Chef richtet sich mit Bio-Kost an zahlungskräftigere Klientel. Das Vorbild könnte international Schule machen. Auf lange Sicht wollen Richter und Griesel auch jenseits der Liefer-Kits größere Anteile an den Lebensmittel-Budgets der Verbraucher erobern. Das Mittelfristziel: zehn Milliarden Euro Umsatz bei einer zweistelligen operativen Gewinnmarge. Turbo-Gründer rasten nicht.

Nächste Woche: Porsche Vz.
 


INVESTOR-INFO

Hellofresh

Gewinnzone erobert

Die Berliner haben die gelieferte Kochbox zum Erfolgsrezept gemacht. In der Pandemie hat sich der Umsatz mehr als verdoppelt, das brachte das Geschäft in die Gewinnzone. Analysten rechnen für 2021 mit einem Umsatzplus von rund 50 Prozent, der operative Gewinn (Ebit) soll aber nur leicht steigen. 2022 sind beim Umsatz geschätzt gut 15 Prozent, beim Ebit gut 17 Prozent Plus drin. Risikobereite nutzen den Rücksetzer zum Einstieg.

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