Er hat es geschafft. Der Konservative Boris Johnson ist Premierminister von Großbritannien. Der 55-Jährige will nun das Abkommen über den EU-Austritt mit Brüssel neu verhandeln und notfalls die Union Ende Oktober ohne Abkommen verlassen. Das zumindest hat er sich auf die Fahnen geschrieben, dafür wurde er von seiner Partei gewählt.

Der oft polternde und exzentrische Johnson ist der Schrecken von Ökonomen und EU-Anhängern. Ein ungeregelter Ausstieg würde zu Chaos in vielen Lebensbereichen führen und das Land nach Ansicht der britischen Notenbank letztlich in die Rezession stürzen. Doch bei den Mitgliedern seiner konservativen Partei ist der Mann mit dem rotblonden Strubbelkopf so beliebt, dass sie ihm zutrauen, die vielen enttäuschten Brexit-Wähler zurück ins Boot zu holen.

Andernorts sorgt Johnson mindestens für Stirnrunzeln. Der europäische Wirtschaftsverband BusinessEurope warnt ihn vor den dramatischen Folgen eines ungeregelten Austritts. Die Folge eines No-Deal-Brexits wären "massive Zölle von heute auf morgen", sagte Generaldirektor Markus Beyrer. "Auch wenn Boris Johnson jetzt das Gegenteil behauptet, in diesem Punkt irrt er: Doch, es wird Zölle geben."

Auch die deutsche Wirtschaft sieht schwarz: "Drohungen aus London, ungeordnet aus der EU auszuscheiden, sind schädlich und kommen wie ein Bumerang zurück", erklärte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang. "Sie verstärken die bereits eingetretenen Schäden in der Wirtschaft."

Handelsvolumen sackt ab


Der deutsch-britische Handel sank seit Jahresbeginn bereits deutlich: Von Januar bis Mai exportierten deutsche Firmen nach Zahlen des DIHK Waren im Wert von 35 Milliarden Euro nach Großbritannien, verglichen mit dem Vorjahr ein Rückgang von 2,3 Prozent. Die Importe aus Großbritannien sanken sogar um 6,1 Prozent auf 15 Milliarden Euro. Mit einem Handelsvolumen von 50 Milliarden Euro in den ersten fünf Monaten des Jahres liegt das Vereinigte Königreich noch auf Rang 7 der wichtigsten deutschen Handels-partner - 2017 war es noch Rang 5, 2018 dann Platz 6.

Zwar setzten Anleger darauf, dass das britische Unterhaus auch unter Johnson einen ungeregelten Brexit am 31. Oktober verhindert, sagt Bayern LB-Analyst Wolfgang Kiener. Neuwahlen wären aber sicher die Folge. "Deren Ausgang ist erstens schwer vorhersagbar und sie würde zweitens wohl von einer erneuten Brexit-Fristverlängerung im Einvernehmen mit der EU begleitet werden." Und Comdirect-Marktbeobachter Andreas Lipkow meint: "Mit Boris Johnson ist ein alt-bekannter Verhandlungspartner zurückgekehrt, der als Tiger gesprungen ist und wahrscheinlich als Bettvorleger landen wird."