Der neue Chef John Cryan will die Deutsche Bank mit einer Radikalkur auf Kurs bringen und den Rückstand auf die Konkurrenz verkürzen. Die knapp 100.000 Mitarbeiter müssen sich deshalb auf harte Einschnitte gefasst machen. "Veränderungen können belastend sein, aber den Status quo beizubehalten, ist keine Option", schrieb der Brite am Donnerstag an die Belegschaft. Zwar konnte Deutschlands größtes Geldhaus den Nettogewinn im zweiten Quartal auf 818 Millionen Euro mehr als verdreifachen, weil das Tagesgeschäft robust lief. Doch das sei "nicht annähernd da, wo wir sein sollten", fand Cryan deutliche Worte. Die Kosten seien viel zu hoch. "Dies ist ein verschwenderischer Umgang mit unseren hart verdienten Erträgen."

Cryan sitzt seit dem 1. Juli auf dem Chefsessel. Er löste Anshu Jain ab, der nach Kritik von Aufsehern und Investoren zurückgetreten war, weil der jahrelange Konzernumbau nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht hat. Bei der Rendite ist die Bank hinter den Erwartungen geblieben, die Dividende stagniert, während die US-Konkurrenz davonzieht. Auch viele europäische Großbanken haben in den vergangenen Jahren konsequenter gespart als die Deutsche Bank. Bei den Frankfurtern soll nun die neue "Strategie 2020" der Befreiungsschlag sein.

Cryan, der die letzten zwei Jahre im Aufsichtsrat saß, hat sie mit entwickelt. Details will er im Herbst vorstellen. Im Kern geht es darum, kleiner zu werden - unter anderem durch den Verkauf der Postbank, den Rückbau des Privatkundengeschäfts und einen Rückzug aus mehreren Ländern. Auch die Investmentbank, die besonders viel Kapital braucht, soll abspecken. Beobachter erwarten, dass konzernweit tausende Jobs wegfallen. Der Zwischenstand wird an diesem Donnerstag Finanzkreisen zufolge auch im Aufsichtsrat diskutiert.

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"ER WEISS, WO DIE PROBLEME LIEGEN"



Cryan machte bei der Vorlage der Quartalszahlen deutlich, wo die Reise hingeht: "Damit unsere Strategie Erfolg hat, müssen wir effizienter werden. Wir müssen diszipliniert sein bei der Frage, wie, wo und mit wem wir Geschäfte tätigen." Die Deutsche Bank schöpfe ihr Potenzial bei weitem nicht aus. Analysten geben Vorschusslorbeeren: "Cryan ist ein exzellenter Kommunikator, Analytiker und Manager", sagte Dirk Becker von Kepler Cheuvreux. "Er weiß, wo die Probleme liegen, und packt sie an."

Baustellen gibt es viele: Der Vorsteuergewinn kletterte im Frühjahr zwar um gut ein Drittel auf 1,2 Milliarden Euro. Doch die Eigenkapitalrendite nach Steuern lag Ende Juni bei mageren 5,7 Prozent. Das liegt auch daran, dass noch immer viele Altlasten die Bilanz drücken: Für Rechtsstreitigkeiten hat die Deutsche Bank nach wie vor 3,8 Milliarden Euro zur Seite gelegt, obwohl der besonders teure Zinsskandal vom Tisch ist. Auch der Umbau des Geldhauses wird viel Geld verschlingen. Viele Experten erwarten, dass die Kosten dafür bereits im zweiten Halbjahr die Bilanz verhageln.

Bei den Aktionären überwog am Donnerstag die Hoffnung auf bessere Zeiten: Die im Dax gelistete Deutsche-Bank-Aktie kletterte in der Spitze um 3,6 Prozent auf 31,34 Euro. Das ist der höchste Kurs seit drei Monaten.

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"LUXUS" INVESTMENTBANK



In der Kernbank gab es über alle Sparten hinweg Gewinnsteigerungen: Die Investmentbank verdiente vor Steuern 1,2 Milliarden Euro, nach 828 Millionen im Vorjahreszeitraum. Dabei half, dass der wichtige Anleihehandel besser lief als erwartet - schließlich hatten die US-Banken eher maue Ergebnisse geliefert. Analyst Ingo Frommen von der LBBW blieb skeptisch: "Auf den zweiten Blick zeigt sich, dass ein großer Teil Bewertungseffekten geschuldet ist."

Cryan hat bereits klargemacht, dass er Bereiche des Kapitalmarktgeschäfts, die besonders viel Kapital verschlingen, stutzen will. Das bekräftigte er nun: "In der Investmentbank wollen wir investieren, aber auch das bilanzintensive Geschäft - einen Luxus, den wir uns nicht mehr erlauben können - reduzieren." Das ist eine Abkehr vom bisherigen Kurs. Kritiker warfen Ex-Chef Jain immer wieder vor, dass er tiefe Einschnitte in der Sparte, die er lange selbst leitete, scheute.

Im Privatkundengeschäft stand im zweiten Quartal ein Ergebnis von 483 (379) Millionen Euro zu Buche - eine gesunkene Risikovorsorge im Kreditgeschäft bügelte die Belastungen der Zinsflaute aus. Zulegen konnte die Deutsche Bank auch im Zahlungsverkehr und der Vermögensverwaltung, während die interne "Bad Bank" ihren Verlust deutlich ausweitete.

Reuters