Der Gipfel kommende Woche in Brüssel müsse einen Durchbruch in den Verhandlungen bringen. "Sonst läuft Europa Gefahr, in einen ungeordneten Brexit zu schlittern", sagte Lang. "Eine massive Krise wäre die Folge."

Sollten die Briten die EU ohne Freihandelsabkommen verlassen, würden auf die deutschen Firmen Zölle von mehr als drei Milliarden Euro jährlich zukommen, geht aus einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervor. Besonders die Autoindustrie dürfte leiden: Auf sie würden rund 60 Prozent der deutschen Mehrkosten entfallen. Auf lange Sicht dürfte die Wirtschaft jedoch reagieren, also etwa die Preise anheben und Warenströme verlagern. Rund fünf Prozent des deutschen Bruttoinlandsproduktes würden direkt und indirekt am Handel mit den Briten hängen.

Der BDI hofft darauf, dass sich Brüssel und London bis spätestens Mitte November über die Modalitäten des Austritts einigen. "Denn nur mit einer Einigung über den Austritt ist die Übergangsfrist realisierbar, in der das Vereinigte Königreich weiterhin in der Zollunion und im Binnenmarkt verbleibt - und zwar bis zum Jahresende 2020", sagte Lang. "Für unsere Unternehmen ist diese Übergangsfrist unverzichtbar." Die britische Regierung verspricht ernste Verhandlungen beim Gipfel am Mittwoch und Donnerstag kommender Woche.

Die Regierung in London kämpft derzeit auch gegen innerparteiliche Widerstände. Sie müsse für ihren Brexit-Plan in ihrer eigenen Partei mit Dutzenden Gegenstimmen rechnen, sagte der frühere Brexit-Staatssekretär Steve Baker dem Sender BBC. Ein Abkommen, das das Land "halb in und halb außerhalb der EU" lasse, würden wohl mindestens 40 konservative Abgeordnete nicht akzeptieren. In dem Fall wäre May im Unterhaus wohl auf Unterstützung der Labour-Opposition angewiesen. Wenn May mit der EU eine Vereinbarung über den Austritt schließt, muss dies noch vom britischen Parlament gebilligt werden. Labour hat bereits signalisiert, gegen Mays Vorhaben zu stimmen.

Baker gehört zum Lager der Brexit-Hardliner um Ex-Außenminister Boris Johnson, die eine striktere Trennung Großbritanniens von der EU fordern. Beide waren aus Protest gegen Mays Pläne zurückgetreten. Sie strebt eine Freihandelszone mit der EU für Waren, nicht aber für Dienstleistungen und den freien Personenverkehr an und will einen Teil der gemeinsamen Regeln beibehalten. Dies lehnen aber auch die EU-Partner ab. Viele Brexit-Befürworter in Mays Partei treten für ein Freihandelsabkommen nach dem Vorbild Kanadas mit der EU ein. Dies würde nach Ansicht Mays aber zu einer Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und der britischen Provinz Nordirland führen.

Die Bundesregierung plant ein Brexit-Begleitgesetz, mit dem die steuerlichen Auswirkungen des britischen EU-Austritts geregelt werden sollen. Der Referentenentwurf dazu lag der Nachrichtenagentur Reuters vor. Er enthält eine Reihe von Änderungen im Steuer-, aber auch im Bausparkassen- und Pfandbrief-Recht. Ab dem Austrittsdatum 29. März oder nach einer etwaigen Fristverlängerung sei das Vereinigte Königreich "auch für steuerliche Zwecke als Drittstaat zu behandeln". Ziel des Gesetzes soll sein, "in Fällen, in denen der Brexit eine unangemessene und unter Umständen auch nicht mit Unionsrecht zu vereinbarende Rechtsfolge auslösen würde, den 'Status Quo' zu wahren, den betroffenen Steuerpflichtigen für die notwendige Übergangszeit Bestandsschutz zu gewähren sowie Rechtssicherheit zu schaffen". Das Gesetz soll im Dezember vom Kabinett verabschiedet werden, wie die WirtschaftsWoche schrieb. Das Magazin hatte zuerst über das Vorhaben berichtet.

rtr