Boomende Exporte und kauffreudige Verbraucher bringen die deutsche Wirtschaft in Schwung. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs von April bis Juni um 0,4 Prozent zum Vorquartal. Trotz der schwächelnden Weltwirtschaft, der zugespitzten Krise in Griechenland und einer regelrechten Streikwelle bei Großkonzernen wie der Deutschen Bahn fiel das Ergebnis besser aus als zum Jahresauftakt mit 0,3 Prozent. Allerdings reichte das nicht, um die Euro-Zone mitzuziehen: Deren Wachstum schwächte sich überraschend auf 0,3 von 0,4 ab, weil Frankreich in die Stagnation fiel und auch Italien schwächelte. Die Aussichten bleiben gedämpft. Die Weltwirtschaft dürfte in der zweiten Jahreshälfte unter den Turbulenzen in China leiden.

"Begünstigt vom schwachen Euro stiegen die Exporte sehr viel stärker als die Importe", erklärte das Statistische Bundesamt am Freitag zum deutschen Wachstum. Dadurch werden Waren in wichtigen Märkten wie den USA, Großbritannien oder der Schweiz billiger. "Auch die privaten Konsumausgaben und die Konsumausgaben des Staates entwickelten sich weiter positiv", hieß es. Wegen Rekordbeschäftigung, steigender Löhne und fallenden Energiepreisen sitzt das Geld bei den Verbrauchern locker. Gebremst wurde das Wachstum dagegen durch schwache Investitionen. "Insbesondere in Bauten wurde weniger investiert als im ersten Quartal", hieß es. Wegen des milden Winters wurden viele Bauarbeiten schon zu Jahresbeginn abgeschlossen, die Nachfrage fehlte im Frühjahr.

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"EHER NOCH MEHR STOLPERSTEINE"



Große Sprünge trauen Ökonomen der deutschen Wirtschaft vorerst nicht zu. "Die Exportdynamik wird sich so nicht weiter fortsetzen, da vor allem die für Deutschland wichtigen Schwellenländer mit eigenen Problemen kämpfen", sagte Ökonomin Ulrike Kastens von Sal. Oppenheim. Besonders China sorgte zuletzt mit schwachen Konjunkturdaten, Börsen- und Währungsturbulenzen für negative Schlagzeilen. Die nach den USA zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt dürfte 2015 so langsam wachsen wie seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr. Die Verkaufszahlen des Autobauers Audi auf seinem größten Absatzmarkt China brachen beispielsweise im Juli um 12,5 Prozent ein. "Die Anzahl konjunktureller Stolpersteine nimmt eher noch zu denn ab", warnte der Präsident des Außenhandelsverbandes BGA, Anton Börner. "Wenn China seine eigenen Probleme exportiert, geht das an der deutschen Exportwirtschaft nicht spurlos vorüber."

Deutschland schlug sich verglichen mit den anderen beiden großen Volkswirtschaften der Währungsunion gut. In Frankreich stagnierte die Wirtschaftsleistung, da die Verbraucher weniger konsumierten und die Unternehmen nur vorsichtig investieren. In Italien schwächte sich das Wachstum auf 0,2 Prozent ab, da die Industrie stagnierte. Ausgerechnet das krisengeplagte Griechenland hängte die großen Drei ab: Es schaffte ein Plus von 0,8 Prozent, wozu wohl eine starke Urlaubssaison beitrug. In Spanien legte das Bruttoinlandsprodukt sogar um 1,0 Prozent zu.

"KNOTEN WILL NICHTPLATZEN"



Die Aussichten bleiben gedämpft. "Die Aufwärtsbewegung ist schleppend, denn in wichtigen Ländern wie Frankreich und Italien bremst die Korrektur frühere Übertreibungen weiterhin", sagte Commerzbank-Analyst Ralph Solveen. "Da sich hieran vorerst kaum etwas ändern wird, dürfte der Knoten bei der Konjunktur im Euro-Raum auch in den kommenden Quartalen nicht platzen." Die EU-Kommission erwartet 2015 ein Wachstum von 1,5 Prozent. Für Deutschland soll es zu 1,9 Prozent reichen.

Reuters