Der erste große Sieg ist eingefahren. Auf der Hauptversammlung in Europas Finanzzentrum London stimmten knapp 62 Prozent der Anteilseigner des deutsch-britischen Chipentwicklers Dialog Semiconductor für den Kauf des US-Konkurrenten. Damit setzte sich Firmenchef Jalal Bagherli gegen Elliott Management, den Fonds des einflussreichen US-Finanzinvestors Paul Singer, durch. Elliott hatte sich mehr als fünf Prozent an Dialog gesichert, um auf der Aktionärsversammlung wegen der großen finanziellen Risiken der Atmel-Übernahme Stimmung gegen den Vorstand der TecDAX-Firma zu machen.

Der Kauf der Silicon-Valley-Firma ist sehr teuer und riskant. Das Volumen ist mit 4,6 Milliarden Dollar viel größer als der Gesamtumsatz der beiden Unternehmen von 2,6 Milliarden. Dialog muss 2,1 Milliarden Dollar Schulden aufnehmen, um den Baranteil des Kaufpreises zahlen zu können.

Bagherli hat Dialog vom Pleitekandidaten zum profitablen und wachstumsstarken Entwickler von Energiemanagementchips für mobile Geräte gewandelt. Im laufenden Jahr wird die Firma aus Kirchheim unter Teck bei Stuttgart 1,4 Milliarden Dollar Umsatz einfahren. Fast 80 Prozent davon bringen Chips für iPhones und iPads ein. Die hohen Zuwächse bei Umsatz und Gewinn seien voraussichtlich nur noch zwei bis drei Jahre möglich, warnt der promovierte Elektroingenieur gegenüber BÖRSE ONLINE: "Dann werden wir die Wachstumsgrenzen in diesem großen Markt erreichen." Deshalb wirbt der ehemalige Manager des US-Chipriesen Texas Instruments, der in seiner Branche als gut verdrahtet gilt, für den Atmel-Deal. Strategisch ist der Zukauf, mit dem sich Dialog die Chipmärkte für das Internet der Dinge erschließen will, richtig. Die Portfolios der beiden Halbleiterfirmen ergänzen sich gut.

Mit Atmels 1,2 Milliarden Dollar Umsatz halbiert sich zudem die Abhängigkeit von Apple von 80 auf 42 Prozent des Umsatzes. Mit mehr relevanten Kunden in zusätzlichen Märkten wie Industrie- und Autochips werde man sich Nischenmärkte noch schneller erschließen, sagt Bagherli.

Für das neue Unternehmen strebt der Manager langfristig "elf bis 15 Prozent mehr Umsatz pro Jahr" an. Im Vergleich zur bisherigen Firma sei das etwas weniger. Dafür werde das Portfolio im zyklischen Halbleitermarkt ein viel geringeres Risiko haben. Grund: Die Stückzahlen der verschiedenen Chips sind geringer, die Spezifikationen für einzelne Kunden größer und die Produktzyklen länger als bei Smartphone-Chips. Im Vergleich zu Wettbewerbern werde Dialog "zwei- bis dreimal schneller" wachsen, sagt Bagherli. Die Schulden sollen dank hoher Cashflows "bis Ende 2018" beglichen sein.

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Herr Bagherli, haben Sie nach der Genehmigung der Atmel-Übernahme durch Ihre Aktionäre mit Finanzinvestor Elliott Management gesprochen?


Nein. Es gab nach der Abstimmung keine Kommunikation zwischen uns.

Mit dem Kauf des gleich großen Atmel-Konzerns, ein Spezialist für Mikrocontroller, will Dialog das Internet der Dinge erobern. Was ist das für ein Markt?


Das Internet der Dinge sind Komponenten und mobile Geräte außerhalb von Smartphones und Tabletcomputern, die Daten drahtlos oder via Internet empfangen oder senden. Sie werden ähnlich wie Computer über Software und Chips gesteuert. Das Gehirn, die zentralen Steuerungschips in diesen Geräten, heißen Mikrocontroller und sind Atmels Kerngeschäft.

Einer Prognose der Unternehmensberatung McKinsey zufolge soll das Internet der Dinge bis zum Jahr 2020 auf 26 bis 30 Milliarden webfähige Produkte anwachsen. Wie wird sich dieser Zukunftsmarkt entwickeln?


Wir erwarten neue Geräte, die in verschiedenen Wellen auf den Markt kommen. Die erste Welle, die bereits begonnen hat, sind personalisierte webfähige Accessoires wie Fitnessbänder, Computeruhren, Fernbedienungen, die auch über Stimmen aktiviert werden oder Gesten übermitteln, wie etwa bei Spielekonsolen. Die zweite Welle ist zum Beispiel eine via Web gesteuerte Beleuchtung oder Heizung in einem Haus - Stichwort Smart Home. Dafür sind Technologien wie Bluetooth Smart notwendig, die sich im Vergleich zum herkömmlichen Bluetooth nur dann einschalten, wenn Signale gesendet oder empfangen werden. Die dritte Welle im Internet der Dinge wird eine IT-Vernetzung der Produktion sein - Stichwort Industrie 4.0. Dazu gehört auch das vernetzte Auto, das mit anderen Fahrzeugen kommuniziert, über Abstandsradar und schnellen Internetzugang verfügt und wenn nötig auch selbstständig fahren kann. Wie sich das anfühlen könnte, vermitteln die Bordinstrumente, die in einzelnen Elektroautos als berührungsempfindliche Megatablets eingebaut sind.

Mit mehr als 120 Milliarden Dollar Volumen haben Fusionen im Chipsektor 2015 eine Rekordsumme erreicht. In Atmels Märkten, bei analogen Chips, soll Texas Instruments (TI) den Konkurrenten Maxim Integrated im Visier haben. Würde ein großer Zukauf Riesen wie TI noch mächtiger machen?


Davon ist auszugehen. Wir sind mit Mikrocontrollern, den Steuerungschips im Internet der Dinge, für diesen zusätzlichen Druck gerüstet. Und zudem haben wir das starke Geschäft mit Energiemanagement-Chips.

Wird das Portfolio von Atmel und Dialog zugunsten der Profitabilität ausgedünnt?


Nein. Atmels Chips für Autozulieferer und Industriekunden haben im Allgemeinen höhere Margen als Halbleiter für Smartphones und Tablets. Daher sind höhere Margen schon durch die Zusammenführung der Portfolios möglich. Eine Verringerung der Anzahl verschiedener Halbleiter ist deshalb nicht geplant. Zudem können wir mit der größeren Vielfalt Chip-Sets entwickeln. Mit dem bisherigen Portfolio war das nur selten möglich.

Eine größere Überschneidung gibt es bei Bluetooth-Smart-Chips. Wie schnell werden Dialog und Atmel als Neulinge in diesem Markt, zu Nordic, der Nrummer 1 mit mehr als 40 Prozent der Anteile, jetzt aufschließen?


Mit Atmel können wir unseren Kunden eine große Bandbreite an Verbindungsstandards anbieten. Das reicht von Bluetooth-Smart-Chips bis zu WiFi- und Zigbee-Übertragungsstandards. Zigbee ist eine Technologie, mit der die Aufteilung in verschiedene Zonen möglich ist, etwa wenn in einem Haus einzelne Räumen beleuchtet werden. Bis Ende des nächsten Jahres werden wir unseren Anteil von zehn Prozent auf 25 bis 30 Prozent knapp verdreifachen. Nordic und Texas Instruments sind zwar stark, aber wir haben aktuell die höchsten Wachstumsraten.

Im vergangenen Jahr ist die Fusion mit Sensorspezialist AMS gescheitert. Im Sensormarkt, wichtig für das Internet der Dinge, bleibt Dialog schwach. Ein Handicap?


Nein. Anders als bei Mikrocontrollern sind wir häufig nicht auf eigene Sensoren angewiesen, um Chipsysteme anzubieten. Stattdessen kooperieren wir mit Herstellern wie Bosch Sensortec bei Bewegungssensoren.

Neben Mikrocontrollern hat Atmel einen Datensicherheitsstandard im Portfolio, der auf Chipebene einbaut wird. Das Geschäft bringt fünf Prozent des Umsatzes und legt 20 Prozent pro Jahr zu. Eine neue Sparte?


Nein. Der Standard ist eine Ergänzung der Mikrocontroller mit sehr hohen Wachstumsraten, weil der Schutz von Daten auch im Alltag immer wichtiger wird - etwa, um zu verhindern, dass Autos via GPS-Signal oder über das WLAN gehackt werden.

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