Mit "Major Tom" landete Peter Schilling vor knapp 40 Jahren einen Hit. Der auch als "Völlig losgelöst" bekannte Song führte 1982 in Deutschland, Österreich und der Schweiz wochenlang die Charts an und lief sogar im US-Radio. Anfang des Jahres brachte der 65. Geburtstag des immer noch aktiven Künstlers den Ohrwurm zurück ins Rampenlicht. Schilling beschreibt darin im typischen Sound der Neuen Deutschen Welle die Aufregung während des Countdowns und den Moment, in dem die Rakete abhebt.

In etwas abgeschwächter Form lässt sich diese Gefühlslage auf die Börse übertragen. Mit Hebelprodukten können Anleger die Schubkraft eines Investments deutlich erhöhen. Sie sollten dazu allerdings auch ein besonders starkes Nervenkostüm mitbringen. Als während der Corona-Pandemie das allgemeine Börseninteresse zunahm, bekam das Volk der Trader Verstärkung. "Gerade in den vergangenen zwölf Monaten haben sich viele Privatanleger neu mit dem Thema Hebelprodukte befasst", berichtet Nicolai Tietze, Derivateexperte von Morgan Stanley, dem Marktführer in diesem Segment in Deutschland. Von den knapp drei Milliarden Euro Börsenumsatz mit Hebelprodukten im Mai entfielen gut 15 Prozent auf Papiere der US-Bank.

Laut Tietze nutzen Anleger diese Derivategattung längst nicht mehr nur für kurzfristige Trades. "Im Vordergrund steht die Möglichkeit der Risikodiversifikation und der Depotabsicherung", erklärt er. Nach Ansicht des Experten spricht der Mix aus weiterhin tiefen Zinsen und steigenden Inflationserwartungen für die Anlageklasse Aktien im Allgemeinen und Hebelprodukte im Speziellen. "Wir glauben daher nicht, dass es sich beim aktuellen Boom in unserem Markt um ein vorübergehendes Phänomen handelt", urteilt Tietze.

Jede Menge Tradingchancen

In den kommenden Wochen kommt die Börsenstimmung auf den Prüfstand. Während der Berichtssaison präsentieren die Unternehmen ihre Resultate und beurteilen die weiteren Geschäftsaussichten. Dann wird sich zumindest ein Stück weit zeigen, ob die mit den Corona-Lockerungen und Impffortschritten einhergehende Rally gerechtfertigt ist respektive die Kurse noch Luft nach oben haben. Neben ihrer Bedeutung für den Gesamtmarkt bietet die Berichtssaison jede Menge Chancen bei Einzelwerten. Mitunter reagieren Aktien sehr stark auf die Zahlen.

Hierfür liefert Nike einen aktuellen Beleg. Kurz vor dem eigentlichen Beginn der Wall-Street-Berichtssaison hat der Sportartikelkonzern seine Bilanz für die Fiskalperiode 2021 (per 31. Mai) präsentiert. Sowohl bei den Resultaten als auch mit dem Ausblick übertraf Nike die Erwartungen deutlich. Daraufhin schoss der Large Cap um 15 Prozent nach oben.

Wir haben uns auf die Suche nach Unternehmen gemacht, die für ähnliche Paukenschläge sorgen könnten. Passend dazu enthalten die unten stehenden Kästen Hebelprodukte mit Knock-out, mit denen sich besonders mutige Anleger vorab positionieren können. Mehr zur Funktionsweise sowie zu den Chancen und Risiken dieser Derivategattung lesen Sie in der Basiswissen-Serie.

Wenig überraschend ist die Aufmerksamkeit besonders groß, sobald Apple Einblick in den jüngsten Geschäftsgang gewährt. Am 27. Juli präsentiert der Branchengigant die Bilanz für das dritte Quartal (per 30. Juni) der Geschäftsperiode 2021. Im Vorfeld haben die Analysten ihre Erwartungen an den iPhone-Hersteller nach oben geschraubt. Laut Factset beläuft sich der Konsens für das Ergebnis je Aktie aktuell auf 99 US-Cent. Damit würde Apple den Profit gegenüber dem Vorjahreszeitraum um gut die Hälfte steigern. Ende März hatte die Wall Street "nur" ein Wachstum um 25 Prozent auf dem Zettel.

Starke Zahlen aus dem US-Einzelhandel sprechen dafür, dass der Konzern von der Wiedereröffnung des Filialnetzwerkes profitiert hat. Ein Knaller wäre es, wenn sich CEO Tim Cook zum Thema E-Mobilität äußern würde. Zuletzt verdichteten sich die Hinweise, wonach Apple ein autonomes Fahrzeug plant.

Apple-Aktie: Apple ist gerade dabei, aus einem kurzfristigen Abwärtstrend nach oben auszubrechen. Der Knock-out des Turbo Long liegt knapp unter dem 2021er-Tief des Technologiegiganten.

Empfehlung: Kaufen

Auch in Deutschland ist die Berichtssaison für den einen oder anderen Paukenschlag gut. "Zum ersten Mal erwarten wir ausschließlich positive Überraschungen", schreibt Warburg Research. Die Analysten verweisen auf die mit der Pandemie lange einhergehenden Unsicherheitsfaktoren. "Vor diesem Hintergrund waren die meisten Unternehmen zu konservativ", erklären sie mit Blick auf die für das Geschäftsjahr 2021 abgegebenen Ausblicke. In der anstehenden Berichtssaison könnten viele Manager ihre Zurückhaltung ablegen. Bei 62 der insgesamt mehr als 200 analysierten Unternehmen rechnet Warburg mit einer Prognoseerhöhung.

Countdown in Wolfsburg

Auf der Positivliste ist Volkswagen zu finden. Der Autobauer hat bereits nach dem ersten Quartal die Prognose erhöht. Zwar lassen den Konzern die bestehenden Chiplieferengpässe nicht kalt. Laut Warburg wirkt sich dieses Problem jedoch nur auf die Fahrzeuge mit einer niedrigeren Marge aus. Überraschungspotenzial sehen die Analysten vor allem durch die Erholung des Premiumsegments. Positive Schlagzeilen könnte Volkswagen schon eine Woche vor dem Zahlentermin mit der Hauptversammlung liefern. Das Management könnte am 22. Juli Neuigkeiten zum möglichen IPO von Porsche bieten.

Volkswagen-Aktie: Nach einem fulminanten Jahresauftakt konsolidiert die VW-Aktie. Spätestens mit der Vorlage der Quartalsbilanz am 29. Juli könnte der Autobauer wieder einen Gang höher schalten.

Empfehlung: Kaufen

Ein Börsengang des Sportwagenbauers dürfte der Deutschen Bank den Mund wässrig machen. Schon jetzt profitiert das Institut vom positiven Börsenumfeld. Nicht zuletzt ein florierendes Investmentbanking sowie die Fondstochter DWS bescherten den Frankfurtern einen starken Jahresauftakt. Die Deutsche Bank fuhr den höchsten Quartalsgewinn seit sieben Jahren ein. In den vergangenen drei Monaten sollte die Ergebnisdynamik bei dem im Umbau befindlichen Finanzkonzern hoch geblieben sein. Wichtige Indizien für die Ende Juli anstehende Quartalsbilanz des DAX-Mitglieds könnten die US-Großbanken liefern. Sie melden sich traditionell gleich zu Beginn der "Earnings Season" zu Wort.

Deutsche Bank-Aktie: Bei elf Euro bildet die Deutsche Bank einen Boden aus. Von dieser Basis aus könnte der Finanztitel - bestenfalls unterstützt durch starke Quartalszahlen - einen Rebound starten.

Empfehlung: Kaufen

Tendenziell etwas später sind die Small und Mid Caps an der Reihe. Am 5. August legt Baywa die Zwischenbilanz vor. Entgegen der eigentlichen Saisonalität des Geschäfts hat der Agrarhandelskonzern in den ersten drei Monaten schwarze Zahlen geschrieben. Für die Bayern war das Umfeld nahezu optimal: Wegen des vergleichsweise milden Winters verkauften sich Baustoffe relativ gut. Gleichzeitig ließen die gestiegenen Agrarrohstoffpreise sowohl den Handel mit Weizen und Co als auch die Landtechniksparte florieren. Derweil erweist sich das Segment für erneuerbare Energieträger immer mehr als eine Art Filetstück des Münchner Konzerns. Gleichwohl bremste die allgemeine Kursschwäche bei Aktien aus diesem Bereich den SDAX-Titel zuletzt aus. Die Aussicht auf starke Resultate und eine Konkretisierung der Prognose spricht für den Rebound.

Baywa-Aktie: Gut ein Zehntel trennt die Baywa-Aktie momentan vom Knock-out des Hebelprodukts. Gleich- zeitig versucht der SDAX-Titel, die Korrektur der vergangenen Wochen abzuschließen.

Empfehlung: Kaufen

Schon jetzt bewegt sich Kion in einem stabilen Aufwärtstrend. Der Industriekonzern profitiert mit seinen vollautomatisierten Lagersystemen vom globalen E-Commerce-Boom. Derweil lässt die anziehende Konjunktur die Nachfrage nach Gabelstaplern, dem Kernprodukt von Kion, anziehen. Im ersten Quartal führte diese Gemengelage zu einem um gut ein Viertel erhöhten Auftragseingang. "Wir erwarten, dass die Nachfrage im zweiten Quartal ihr starkes Momentum gehalten hat", erklärt Hans-Joachim Heimbürger, Analyst bei Kepler Cheuvreux. Konkret geht er davon aus, dass das Bestellvolumen gegenüber den ersten drei Monaten um weitere 18 Prozent angeschwollen ist. Obwohl Kion mit steigenden Rohmaterialpreisen zu kämpfen hat, erachtet Heimbürger die Prognose der Frankfurter als zu konservativ. Gut möglich, dass der Vorstand hier nachbessert und dem Mid Cap damit zum erstmaligen Vorstoß in den dreistelligen Kursbereich verhilft.

Kion-Group-Aktie: Wegen des stabilen Aufwärtstrends greifen wir bei Kion Group zu einem zweistelligen Hebel. Dementsprechend liegt der Knock-out weniger als ein Zehntel unter dem Basiswertkurs.

Empfehlung: Kaufen

Gefahr der Schubumkehr

Delivery Hero droht dagegen unter die Marke von 100 Euro zu rutschen. Nach dem Corona-Höhenflug ist bei dem Essenslieferdienst die Luft raus. Zwar wächst Delivery Hero vor allem dank der im Frühjahr abgeschlossenen Übernahme der koreanischen Woowa weiter kräftig. Aber das Unternehmen ist zehn Jahre nach seiner Gründung weit davon entfernt, Geld zu verdienen. Eigentlich wäre das für eine klassische Wachstumsaktie nicht schlimm. Doch wird man den Eindruck nicht los, dass sich CEO Niklas Östberg mit seinen ehrgeizigen Expansionsplänen verzetteln könnte. Wir würden es jedenfalls nicht ausschließen, dass die Serie an Erfolgsmeldungen bei Delivery Hero in der Berichtssaison reißt. Dann dürfte der raketenhaft aufgestiegene DAX-Titel klar an Flughöhe verlieren.

Delivery Hero-Aktie: Wir setzen bei Delivery Hero auf einen Ausbruch nach unten. Achtung: die Short-Wette auf die bei den Analysten beliebte E-Commerce-Aktie ist besonders spekulativ.

Empfehlung: Kaufen