An China scheiden sich die Geister. Sollten Anleger zum Beispiel dabei sein, wenn die Chinesen die US-Amerikaner in den nächsten Jahren vom Thron als weltweit größte Volkswirtschaft stoßen? Oder sollten sie den chinesischen Aktienmarkt links liegen lassen, weil sie Chinas Machthaber Xi Jinping misstrauen? Schließlich hat Xi im vergangenen Jahr den Milliardär Jack Ma von der Spitze seines Onlinegiganten Alibaba verdrängt, weil Ma ihm offenbar zu mächtig und vorlaut geworden war.

Das perfekte Umfeld für Anleger gibt es allerdings fast nie. Chinas Aufstieg scheint jedoch unaufhaltsam, und Anleger können daran auf vielfache Weise teilhaben. Dabei müssen sie nicht allein auf Chinas Aktienmarkt setzen. Mit Fonds und ETFs können sie auch in Aktien aus anderen Schwellenländern investieren. Das gilt vor allem für die Länder, die im wichtigen MSCI Emerging Markets IMI Index auf China folgen. Einerseits sind dies die asiatischen Länder Taiwan, Südkorea und Indien sowie andererseits Brasilien, Südafrika und Russland. Anleger können den MSCI-Index unkompliziert und günstig mit einem börsennotierten ETF von Marktführer iShares nachbilden. Die laufenden Kosten dafür betragen pro Jahr lediglich 0,18 Prozent.

Klassische Strategien. Im Gegensatz dazu sind aktiv gemanagte Fonds für die Emerging Markets zwar teurer als ETFs. Einige unter ihnen waren in den vergangenen drei und fünf Jahren aber erfolgreicher als der iShares Core MSCI Emerging Markets IMI ETF. Dies gilt zum Beispiel für den Nordea Emerging Stars Equity. Anders als der iShares-ETF hält der Nordea-Fonds im Portfolio nicht 3000 Einzelwerte, sondern lediglich 40 bis 60. Dabei achten die Nordea-Fondsmanager nicht nur auf die Bilanzen und Gewinne der Unternehmen, sondern ebenso auf deren nachhaltige Eigenschaften. Sichtbar wird dies beim CO2-Ausstoß, der beim Nordea-Fonds nur rund 30 Prozent vom Niveau des MSCI-Index ausmacht. Noch nachhaltiger investiert der ÖkoWorld Growing Markets 2.0, den €uro mit dem Eco-Rating "A" bewertet - der Bestnote bei unserem umweltorientierten Rating für Fonds und ETF.

Analog zu den Industrieländern können Anleger in den Schwellenländern mittlerweile auch in etliche Dividendenfonds und -ETFs investieren, die in erster Linie auf die Ausschüttungen der Unternehmen achten. Zu dieser Gattung gehört unter anderem der DWS Emerging Markets Top Dividend, den Mi Dya Kim von Frankfurt aus managt. "Wir verfolgen die gleiche Philosophie wie der global investierende DWS Top Dividende", sagt die Koreanerin. Daher achtet sie ebenso wie ihr Teamchef Thomas Schüßler darauf, dass die Dividenden regelmäßig fließen und das angelegte Kapital langfristig erhalten bleibt. "Insbesondere in schwachen Marktphasen hat sich unser Ansatz deutlich besser entwickelt als herkömmliche Emerging-Markets-Aktienfonds", erläutert Kim.

Etabliert haben sich inzwischen auch Fonds und ETFs, die in den Schwellenländern dezidiert in kleinere Unternehmen investieren. Der maßgebliche MSCI Emerging Markets Small Cap Index ist hier mit rund 1700 Einzelwerten ebenfalls breit gestreut. Der US-amerikanische ETF-Anbieter SPDR offeriert dazu einen entsprechenden ETF. Mit Nebenwerten könne man besonders gut vom binnenwirtschaftlichen Wachstum der Schwellenländer profitieren, erläutert Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege beim US-Fondsanbieter JP Morgan Asset Management, den wir auch zu seiner langfristigen Einschätzung zu den Emerging Markets befragt haben. Zudem sind die größten Nebenwerte im Small-Cap-Index jeweils mit unter 0,5 Prozent gewichtet, während die größten Werte im klassischen MSCI-Index auf einen Anteil von drei, vier oder fünf Prozent kommen. Dadurch sind Fonds und ETFs für Nebenwerte weniger anfällig für Rückschläge, falls die größten Einzelwerte einmal schwächeln sollten.

Thematische Ansätze. Mit höheren Schwankungen sollten Anleger indes bei einigen Branchen- und Themenprodukten rechnen, die die Fonds- und ETF-Anbieter inzwischen auch für die Schwellenländer lanciert haben.

Einen Block bilden hier beispielsweise Technologieprodukte, die auf einen Siegeszug der asiatischen Onlinehändler und Digitalunternehmen setzen. Die betreffenden ETFs von HANetf und HSBC halten hier allerdings etliche Unternehmen, die im MSCI Emerging Markets IMI Index ohnehin hoch gewichtet sind, sodass Anleger unnötige Überlappungen im Portfolio vermeiden sollten. Beim nordasia.com von Amundi treten ebenfalls Überschneidungen auf. Allerdings werden sie gemildert, da der Amundi-Fonds darüber hinaus 28 Prozent in japanischen Titeln hält.

Auch bei den Konsumfonds lohnt ein genauer Blick. So hält der Fidelity China Consumer Fund zwar klassische Konsumwerte wie den Sportartikelhersteller Li Ning oder den Luxusautohändler Zhongsheng Group, aber ebenso die Onlinehändler Alibaba und JD.com. Der Oddo BHF Emerging Consumer Demand investiert dagegen zusätzlich auch in europäische und US-Firmen wie Hermès oder Apple, die ihre Konsumgüter zu einem großen Teil in den Schwellenländern anbieten. Der Pictet Premium Brands wiederum hält nur Luxusgüterfirmen aus den Industrieländern wie die französische LVMH-Gruppe, deren Produkte vor allem in China populär sind.

Deutlich spezieller agieren Gesundheits- und Infrastrukturprodukte, die auf die Schwellenländer zugeschnitten sind. Hier kommt es nur selten zu Überlappungen mit dem MSCI Emerging Markets IMI Index, da Gesundheitswerte wie WuXi AppTec oder Flughafenbetreiber wie Airports of Thailand im MSCI-Index keine große Rolle spielen. Daher eignen sich diese beiden Branchen besser als Beimischung zu einem breit aufgestellten Emerging-Markets-Fonds.




INTERVIEW Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege

€uro: Herr Galler, Schwellenländeraktien gelten gemeinhin als attraktiv. Wieso haben sie sich in den vergangenen zehn Jahren dennoch deutlich schlechter als US-Aktien entwickelt?

Tilmann Galler: Man könnte auch sagen, dass US-Aktien aufgrund des hohen Gewinnwachstums außergewöhnlich gut gelaufen sind. Zudem war der US-Dollar in den vergangenen Jahren relativ stark, was unter dem Strich nie gut für die Emerging Markets war.

In den zehn Jahren von 2001 bis 2010 haben sich Emerging-Markets-Aktien im jährlichen Schnitt allerdings um 14 Prozentpunkte besser entwickelt als Ak- tien aus den Industrieländern. Über den Zyklus von 20 Jahren liegen die Emerging Markets damit knapp zwei Prozent pro Jahr vor den US-Aktien.

Könnte sich dies künftig wiederholen?

Ja, das wäre möglich. Bei den Schwellenländern gab es im Vergleich zu US-Aktien immer sehr lange Zyklen. Unser langfristiger Marktausblick zeigt, dass sie im Schnitt um zwei bis drei Prozentpunkte pro Jahr besser laufen können.

Welche Gründe sprechen für diese langfristige Annahme?

Das hängt an vielen Variablen. So erwarten wir, dass der US-Dollar in den nächsten zehn Jahren wieder schwächer wird. Die hohen geplanten Staatsausgaben unter US-Präsident Joe Biden erhöhen die Wahrscheinlichkeit dafür ein Stück weiter.

Welche Gründe sprechen noch für die Schwellenländer?

Zum einen die günstige Demografie in Südasien sowie Indien und Indonesien. Zudem eine stark wachsende Mittelschicht und steigende Produktivität in vielen asiatischen Ländern. Beides sind langfristig starke Triebfedern für eine bessere Entwicklung des Aktienmarkts gegenüber der der Industrieländer.

In China altert die Bevölkerung jedoch aufgrund der langjährigen Ein-Kind-Politik.

Das stimmt. In China ziehen allerdings weiterhin viele Menschen vom Land in die Stadt. Dieser Urbanisierungseffekt kann die schwächere Bevölkerungsentwicklung vorerst kompensieren.

Wie gut steht Lateinamerika da? Oder die EMEA-Region, die Osteuropa, den Mittleren Osten und Afrika umfasst?

Asien liegt beim Wachstum und bei der politischen Stabilität vorn. Allerdings sind die Märkte sowie die Währungen in Lateinamerika und der EMEA-Region in den vergangenen Jahren so tief gefallen, dass ihre niedrigen Bewertungen mittlerweile Aufholpotenzial bieten.

Zurück zu Asien. Kann man China, Taiwan und Südkorea noch als Schwellenländer betrachten? Schließlich beherbergen sie technologische Giganten wie Tencent, Taiwan Semiconductor und Samsung Electronics.

Bei diesen Ländern ist der Kapitalmarkt noch nicht reif genug, um von den Indexanbietern als Industrieland eingestuft zu werden. Südkorea und Taiwan sind gemessen am Lebensstandard und ihrer Technologie aber sicherlich Industrieländer. Bei der digitalen Infrastruktur stufen die Südkoreaner wahrscheinlich eher Deutschland als Schwellenland ein.

Und China?

In China haben wir eine enorme Spreizung. Shanghai und Hongkong sind zum Beispiel hochmoderne Städte. Wenn man weiter in das Landesinnere fährt, verändert sich das Bild aber rapide. In der Breite ist China noch längst kein Industrieland.