Der Schock in Ingolstadt sitzt tief: Bis zu 9500 Stellen will die VW-Tochter Audi abbauen. Im Gegenzug sollen 2000 Jobs im Bereich der Elektromobilität und der Digitalisierung entstehen. Der schwäbische Autobauer Daimler streicht seine mittelfristigen Renditeziele zusammen und stoppt die Entwicklung von Verbrennern - zumindest vorübergehend. In den kommenden Jahren will er 10 000 Stellen streichen. Bei BMW soll bis zum Jahr 2021 ein Viertel aller Fahrzeuge mit Elektroantrieb vom Band rollen.

Der Weg ist vorgezeichnet: Der Elektromobilität gehört die Zukunft - zumindest in den kommenden Jahren. Den Herstellern schmeckt das überhaupt nicht. Weltweit sinken die Produktionsvolumen. Renditen, wie sie bislang erzielt wurden, sind erst mal passé. Doch was den Autobauern lediglich Kopfschmerzen bereitet, führt bei den Zulieferern zu weit ernsthafteren Problemen. Schon bislang strotzten sie nicht vor Profitabilität. Trotz Absatzproblemen muss die Branche viel Geld in neue Technologien investieren.

Nur wer umdenkt, ist weiter dabei


So schiebt der schwäbische Zulieferer ElringKlinger einen riesigen Schuldenberg vor sich her. Einer Marktkapitalisierung von rund 490 Millionen Euro stehen Nettoschulden von rund 680 Millionen gegenüber. Und doch verdoppelte sich der Aktienkurs zuletzt wieder auf knapp acht Euro - nachdem er tief gefallen war. Grund für den Kurssprung: Den Schwaben gelingt es aktuell besser, die Finanzgemeinde davon zu überzeugen, dass die Abhängigkeit von Zylinderkopfdichtungen abnimmt. Zuletzt bekam Elring von Tesla einen volumenstarken Auftrag für die Lieferung von Cockpitquerträgern für das Model Y. Der Vertrag läuft ab dem Jahr 2020 über fünf Jahre und hat ein Volumen im mittleren bis hohen zweistelligen Millionenbereich.

"Der Auftrag stellt einen weiteren Schritt in der Umsetzung unserer Strategie dar, im nächsten Jahrzehnt mehr als 25 Prozent des Umsatzes mit den Zukunftsfeldern Strukturleichtbau und Elektromobilität zu erzielen", sagt der Vorstandsvorsitzende Stefan Wolf. Selbst der freie Cashflow war im dritten Quartal wieder positiv. Und mit der geplanten Riesenfabrik von Tesla in der Nähe von Berlin steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Zulieferer aus Dettingen an der Ems zum Produktionsstart dann auch ganz oben auf der Lieferantenliste von Tesla steht. Wir stufen den Titel aktuell wieder mit "Beobachten" ein. Wie ElringKlinger geht es vielen Zulieferern, die sich dem Strukturwandel anpassen müssen. Der Kampf hat eben erst begonnen. "Wir gehen davon aus, dass es bei den Zulieferern in diesem Jahr im Schnitt zu einen Umsatzrückgang von rund zehn Prozent kommt und die Ebit-Margen nochmal um rund 1,5 Prozentpunkte auf 5,5 Prozent fallen", sagt Jan Dannenberg, Partner bei der auf Mobilität spezialisierten Beratung Berryls Strategy Advisors.

Lediglich diejenigen, die entweder eine hohe Affinität zur Elektromobilität oder eine vermeintlich geringe Abhängigkeit vom klassischen Antrieb haben, sind an der Börse aktuell gefragt. "Die Abhängigkeit vom Verbrennungsmotor ist etwa bei ElringKlinger deutlich höher als bei Hella", sagt Dannenberg.

Das ist am Aktienkurs abzulesen: Die Papiere des MDAX-Titels Hella waren in den vergangenen Monaten deutlich weniger volatil als die anderer Zulieferer. Spezialisiert hat sich Hella auf Lichtsysteme und die Elektronik im Auto. Zuletzt hob auch Goldman Sachs den Daumen: Der Scheinwerferspezialist gehöre zu den Profiteuren des Wandels. Aufgrund der Unsicherheit am Markt reduzierte der Zulieferer für das Geschäftsjahr 2019/20 die Prognose zwar leicht. Die Ebitmarge könnte um einen Prozentpunkt auf 6,5 bis 7,5 Prozent absinken. Im Branchenschnitt ist das aber immer noch ein guter Wert.

Auch der Münchner Halbleiterspezialist Infineon ist einer der Top-15-Automobilzulieferer in Deutschland und sollte von der Elektrifizierung im Auto profitieren. Der DAX-Konzern produziert Chips en masse, die für elektronische Bauteile benötigt werden. Deswegen ist Vorstandschef Reinhard Ploss relativ optimistisch. Für das im September abgelaufene Geschäftsjahr legte die größte Sparte im Konzern mit einem Umsatzplus von sieben Prozent überdurchschnittlich zu.

Viel E-Erfahrung hat auch der japanische Hersteller von Elektromotoren Nidec. Bekannt ist der Konzern für kleine Präzisionsmotoren, die in PCs oder in Küchengeräten zum Einsatz kommen. Immer wichtiger wird allerdings das Segment mit Motoren für Elektroautos. Besonders in Europa und China ist die Nachfrage nach Nidecs elektronischen Antriebssträngen hoch. Für das Geschäftsjahr 2021, das im März endet, erhöhte der Konzern die Absatzprognose um 50 Prozent auf 300 000 Stück. Ein Jahr darauf sollen es bereits 500 000 sein. Der Umsatz für die Teile würde sich dann auf 620 Millionen Euro belaufen, ein Viertel des Spartenumsatzes.

Nidecs Vorteil gegenüber Herstellern wie Bosch, Continental und Co: Die Japaner sind schon früh in den Markt eingetreten. Eingebaut werden die Antriebe bereits vom Tesla-Konkurrenten Aion des chinesischen Hersteller Guangzhou Automobile in den Modellen S und XL. Nidecs Aktienkurs zeigt derweil schon in die richtige Richtung. Weitere Kursgewinne sollten drin sein, auch wenn der Gewinn in den kommenden Quartalen aufgrund hoher Investitionen nicht nach oben schießen dürfte. Der Titel ist allerdings nicht mehr günstig.

Hoch waren die Ziele, die sich Akasol steckte: Der Anbieter von Batteriesystemen für Omnibusse, Lkw und andere Nutzfahrzeuge wollte in diesem Jahr eigentlich einen Umsatz von 60 Millionen Euro erwirtschaften. Kunden sind etwa Volvo und Daimler. Zwar verdoppelten die Darmstädter in den ersten neun Monaten den Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Zum Geschäftsjahresende sollenaberlediglichzwischen43und46 Millionen herauskommen. Grund: Großaufträge wurden verschoben. Getrieben ist das Geschäft mit Busbatterien aktuell stark von öffentlichen Ausschreibungen für den ÖPNV. "Nicht immer kann auf den Stichtag geplant werden, wann die Aufträge letztlich kommen", sagt Finanzvorstand Carsten Bovenschen. Die eine oder andere Kommune gibt ihre Zusage nur dann, wenn sie weitere Fördergelder bekommt. "Lange Zeit sah es so aus, als ob wir von unseren Kunden 2019 mit weit mehr Aufträgen versorgt werden. Leider mussten wir kurzfristig andere Erkenntnisse gewinnen." Jetzt hoffen die Darmstädter, dass die Aufträge 2020 kommen und gehen davon aus, den Umsatz im kommenden Jahr vom ermäßigten Niveau aus weiter kräftig zu steigern. Bei den hohen Raten wird es allerdings schwierig, schnell schwarze Zahlen zu schreiben.

Weiter nach oben gehen könnte es auch mit Alfen Beheer: Die Niederländer bieten unter anderem Tankstellen für Elektroautos an und steigerten im ersten Halbjahr den Umsatz in diesem Segment um mehr als 70 Prozent auf 9,7 Millionen Euro. Insgesamt legte der Erlös um 50 Prozent auf 61,6 Millionen Euro zu. Das Unternehmen profitiert zudem vom Trend zu intelligenten Stromnetzen, schreibt bereits schwarze Zahlen und könnte ein Gewinner der deutschen Elektroinitiative sein. Bis 2030 soll sich die Zahl der Ladestationen hierzulande verfünfzigfachen. Alfen hat eine Zertifizierung - Aufträge aus Deutschland sind noch rar.

*Börsenwert in Millionen €