Was für einen Bergsteiger das Sicherungsseil ist, ist für einen Anleger ein Papier mit Risikopuffer nach unten. Ein Discount-Zertifikat kann Börsenabstürzen vorbeugen. Von Emmeran Eder, Euro am Sonntag

Anleger haben seit Jahresanfang wenig zu lachen. Aus allen Ecken kommen schlechte Nachrichten. Dazu zählen der Krieg in der Ukraine, die Lockdowns in China, hohe Inflation, Zinserhöhungen vieler Notenbanken und hohe Energiepreise. Nun droht auch noch der Energiemangel im kommenden Winter.

In Anbetracht dieser Fülle von Risiken verwundert es nicht, dass die Schwankungen an den Märkten deutlich zugenommen haben. Was Aktien eher unattraktiver macht, lässt dagegen die Konditionen von Discount-Zertifikaten interessanter erscheinen. Vor allem bei solchen auf Einzelaktien sind dann größere Rabatte bei gleichzeitig höheren Renditechancen realisierbar. Denn mit Discount-Papieren kaufen Investoren einen Basiswert, eine Aktie oder einen Index, verbilligt mit einem Risikopuffer. Erst wenn dieser aufgebraucht ist, entsteht ein Verlust. Es gibt jedoch auch einen Nachteil: Der Gewinn ist durch eine Kursobergrenze, den Cap, nach oben gedeckelt.

Trotz dieses Hakens sind Discount-Zertifikate in der aktuellen Marktsituation als Alternative zu Aktien oder Indexpapieren eine Überlegung wert. Wer sich wegen der Baisse nicht traut, Aktien zu kaufen, kann stattdessen in die Rabattpapiere einsteigen, da er hier eine Sicherheitsmarge hat. Auch wer schon Aktien besitzt, kann diese verkaufen und in Rabattpapiere auf diese Basiswerte wechseln, damit er eine Absicherung gegen einen weiteren Kursverfall besitzt.

Das kann sich durchaus lohnen, wie eine Studie des Deutschen Derivate Verbands (DDV) zu Discount-Papieren im Jahr 2021 zeigt. 83 Prozent erzielten dabei eine positive Rendite, 41 Prozent sogar eine höhere als der zugrunde liegende Basiswert. Mit den Basiswerten war dagegen nur in 71 Prozent der Fälle ein positiver Ertrag zu erreichen. Bei der Untersuchung wurden knapp 153.000 Discount-Zertifikate auf die beliebtesten 70 Einzelaktien und Indizes aus Deutschland, Europa und den USA betrachtet. Von den fällig gewordenen Billigpapieren haben sogar 81 Prozent die maximal erreichbare Rendite erzielt. "Anleger konnten Gewinnmöglichkeiten ausschöpfen und wussten dabei, dass ihr Verlustrisiko abgemildert war", lobt Lars Brandau, Geschäftsführer des DDV, die Produkte.

Bei der Auswahl sind folgende Punkte wichtig: je niedriger der Cap und somit die mögliche Rendite, desto größer der Rabatt. Umgekehrt gilt: je höher der Cap, desto kleiner der Discount. Einem höheren Risiko steht somit eine größere Gewinnchance gegenüber, einem geringeren Risiko vice versa sinkende Ertragsmöglichkeiten.

Mit hohem Puffer sind aber immer noch attraktive Renditen zu erreichen, wie das Discount-Papier der DZ Bank auf die Deutsche Bank zeigt. Trotz eines Rabatts von 33,5 Prozent auf den Aktienkurs von 8,58 Euro ist beim Cap von 6,40 Euro immer noch maximal ein Ertrag von 12,1 Prozent bis zum Laufzeitende im Juli 2023 möglich. Die Deutsche-Bank-Aktie darf sogar um 25,5 Prozent auf 6,40 Euro sinken, dann gibt es dennoch den Höchstgewinn. Erst wenn die Aktie bis zur Fälligkeit um mehr als 33,5 Prozent fällt, entstehen Verluste.

Kreditausfälle drohen

Die mussten zuletzt auch Aktionäre der größten deutschen Bank ertragen. Die Furcht vor einer Rezession und Kreditausfällen ließen Anleger aus der Aktie flüchten. Seit dem Hoch im Februar sank der Titel um mehr als 40 Prozent - mehr als der Durchschnitt der europäischen Banken. Vor allem die hohe Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von russischem Gas ängstigt viele Anleger. "Ich kann nicht verleugnen, dass ich mir Sorgen darüber mache, was uns in den nächsten zwölf Monaten bevorsteht", sagte Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing vor Kurzem auf einer Branchenkonferenz mit Blick auf die Wirtschaftslage in Deutschland.

Dabei ist das Finanzinstitut in den letzten Jahren wieder in die Erfolgsspur zurückgekehrt. Sewing hatte der Bank seit seinem Antritt 2018 einen radikalen Umbau verordnet und diese 2021 wieder zu einem Milliardengewinn geführt. Dazu gehörte ein kräftiger Personalabbau und die Umstrukturierung von Geschäftseinheiten. Viele schlechte Zukunftserwartungen dürften in dem stark gesunkenen Aktienkurs bereits enthalten sein. Bei dem hohen Risikopuffer stehen die Chancen nicht schlecht, mit dem Discount-Papier ein gutes Anlageergebnis zu erzielen.

Noch spekulativer als die Deutsche Bank ist der Essenslieferant Delivery Hero. Das frühere DAX-Mitglied ist jetzt im MDAX vertreten. Die Firma hat noch nie einen Gewinn erzielt, 2023 soll es endlich so weit sein. Jedoch ist das nicht sicher, da die direkt mit der Erzielung des Umsatzes zusammenhängenden Kosten in den vergangenen Jahren stark gestiegen sind. Auch die Lieferkosten in den wichtigen Märkten Asien, Mittlerer Osten und Nordafrika haben sich erhöht. Zudem ist die durch Corona bedingte Sonderkonjunktur vorbei.

Es spricht aber auch einiges für Delivery Hero. Marktbeobachter erwarten, dass Wettbewerber in dem einen oder anderen Land schneller aufgeben als gedacht. Davon würde Delivery Hero profitieren, da der Konzern zu den Marktführern zählt. Auch verbrannte die Firma 2021 mit jeder ausgelieferten Bestellung weniger als im Jahr zuvor.

Wie dem auch sei, die Aktie bleibt ein heißer Ritt. Daher ergibt es Sinn, mit einem hohen Discount wie beim Rabattpapier der Société Générale einzusteigen. Der beträgt gut 58 Prozent. Bis zum Cap von 22 Euro ist mit fast 46 Prozent auch noch viel Luft. Trotzdem ist bis zur Fälligkeit im September 2023 eine hohe Rendite von gut 30 Prozent drin.

Beim Zertifikat von HSBC auf den Halbleiterhersteller Infineon bei identischer Laufzeit sind das bis zum Cap von 20 Euro mit einer Maximalrendite von fast 13 Prozent deutlich weniger. Auch der Rabatt ist mit 27,6 Prozent weit niedriger.

Allerdings konnte die Firma im zweiten Quartal voll überzeugen und übertraf bei Gewinn und Umsatz die Erwartungen der Analysten. Die Nachfrage auf der Kundenseite bleibt ungebrochen stark, weswegen der Ausblick erhöht wurde. Hervorzuheben ist die gute Marktstellung des Unternehmens in zukunftsträchtigen und wachstumsstarken Geschäftsbereichen wie E-Mobilität, autonomes Fahren, Energieeffizienz oder erneuerbare Energien. Negativ ist dagegen, dass Infineon wegen kräftiger Investitionen wenig freien Cashflow generiert. Zudem sind Chipaktien bekanntermaßen sehr schwankungsanfällig.

Weniger Rabatt bei Indizes

Die Volatilität ist bei Aktienindizes wie etwa dem Euro Stoxx 50 nicht so ausgeprägt wie bei Einzelwerten. Daher sind hier auch niedrigere Risikopuffer darstellbar. Trotzdem sind beim Discount-Zertifikat von Vontobel bei einem Rabatt von fast 16 Prozent auf den Europa-Index immer noch gut neun Prozent Rendite erreichbar bis zur Fälligkeit Mitte August 2023. Die Obergrenze bei 3.300 Indexpunkten liegt dabei um acht Prozent unter dem aktuellen Kursniveau von rund 3.590 Zählern. Verluste entstehen erst, wenn der Europa-Index unter 3.025 Punkte fällt.