Bei Siemens wird es niemals langweilig: Fast immer wird ­irgendwo umgebaut. Derzeit bereitet das Management im Rahmen von "Vision 2020+" die Ausgliederung der Energiesparte vor. Nicht gerüttelt wurde bislang an der Dividende. Seit über 25 Jahren hat der Industriekonzern seine Ausschüttung zumindest konstant gehalten. Für das im September beendete Geschäftsjahr soll es 3,90 Euro je Aktie geben, zehn Cent mehr als im Vorjahr. Über drei Milliarden Euro wird der Konzern nach der Hauptversammlung im Februar an seine Aktionäre überweisen.

Die Zahlung von Siemens ist der Auftakt zu einer erneut ergiebigen Dividendensaison in Deutschland: Nach Hochrechnung von €uro am Sonntag werden die 30 deutschen Topkonzerne im kommenden Jahr mehr als 37 Milliarden Euro überweisen und damit trotz der angespannten Wirtschaftslage in etwa das Niveau des Vorjahres halten. Basis für diese Schätzung sind die bisherigen Geschäftsergebnisse, die Dividendenpolitik der Unternehmen sowie Analystenprognosen.

Siemens steht für die Stärke der deutschen Wirtschaft, aber auch für die aktuellen Sorgen. Ein tieferer Blick in die Bilanz zeigt, dass sich der Konzern für die Dividende strecken muss: Die Ausschüttungsquote steigt auf 61 Prozent und liegt damit knapp über dem angestrebten Korridor von 40 bis 60 Prozent des Jahresgewinns. Für weitere Dividendensteigerungen muss sich also das Geschäft spürbar verbessern.

Auch andere Konzerne stehen vor der Herausforderung, die Wünsche der Aktionäre mit der wirtschaftlichen Realität in Einklang zu bringen. In Zeiten niedriger Zinsen sind Dividenden als Einnahmequelle begehrt, die Konzerne aber leiden unter der schlechten Wirtschaftslage. Analysten kalkulieren laut Daten des Finanzdiensts Bloomberg, dass der operative Gewinn bei 13 DAX- Konzernen, also bei fast jedem zweiten Indexmitglied, in diesem Jahr sinken wird. Besonders extrem ist die Lage bei BASF. Nach neun Monaten liegt das Ebit des Chemiekonzerns vor Sondereinflüssen 32 Prozent unter Vorjahresniveau. Dennoch gehen die meisten Analysten davon aus, dass die Dividende entsprechend der Konzernpolitik von BASF erneut steigen wird.

Tiefe Bremsspuren


Andere Unternehmen werden sich auf einen solchen Kraftakt nicht einlassen. Die Deutsche Bank hat angesichts der großen Probleme die Dividende gleich für die Jahre 2019 und 2020 gestrichen. Auf die Bremse treten BMW und Daimler: Dort ist die Lage nicht so prekär wie bei der Deutschen Bank, der Gewinn im bisherigen Jahresverlauf dennoch deutlich geschrumpft. Darum dürfte die Dividende bei beiden zum zweiten Mal in Folge sinken. Die Redaktion kalkuliert bei BMW mit einer Dividendenkürzung um 23 Prozent, bei Daimler sogar um 43 Prozent. Auf diesem Niveau sollte dann aber der Tiefpunkt erreicht sein.

Während die Autokonzerne ihre Entscheidung wohl erst mit der Bilanzpressekonferenz im Frühjahr bekannt geben, hat die Deutsche Telekom bereits Klarheit geschaffen: Aufgrund hoher Investitionen wird die Ausschüttung um zehn auf 60 Cent je Aktie reduziert. Allein durch die Kürzungen bei den drei Indexschwergewichten BMW, Daimler und Telekom dürften Aktionären rund 2,5 Milliarden Euro entgehen.

Dem stehen viele kleinere Steigerungen entgegen. Der deutlichste Aufschlag wird bei Volkswagen erwartet. Europas größter Autokonzern ist trotz Diesel­skandal finanziell auf Kurs. Die in der Vergangenheit niedrige Ausschüttungsquote gibt einen zusätzlichen Hebel, sodass Volkswagen mit einer Dividenden­summe von etwa 2,9 Milliarden Euro zum viertgrößten Dividendenzahler in Deutschland aufrücken dürfte.

Die Spitzenposition verteidigen wird die Allianz: Der Versicherer ist operativ 2019 voll im Plan und sollte seine Dividende somit zum siebten Mal in Serie anheben. Das dürfte auf eine Ausschüttung von rund vier Milliarden Euro hinauslaufen.

Der Dividenden-Exot im DAX ist Linde. Nach der Fusion mit dem US-Rivalen Praxair hat der Industriegase­spezialist das amerikanische System übernommen: Aktionäre bekommen das Geld quartalsweise ausgezahlt, gerechnet wird in Dollar. Die längste Serie hält die Munich Re. Der Versicherungsriese dürfte seine Dividende erneut steigern und kommt damit auf fast ein halbes Jahrhundert ohne Kürzung.

Investor-Info

Allianz
Offensive Dividendenpolitik


Für Dividendensammler bleibt die Allianz ­einer der Topwerte im DAX. 50 Prozent des Jahresgewinns gehen an die Aktionäre. Die Dividende soll zudem stets zumindest das Vorjahresniveau erreichen. Diese Vorgabe gilt mit der Einschränkung, dass der Konzern eine Mindestsolvenzquote einhält, was derzeit kein Problem ist. Im operativen Geschäft dürfte die Allianz 2019 das obere Ende der angestrebten Gewinnspanne erreichen. Die Dividende sollte also weiter steigen.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 240,00 Euro
Stoppkurs: 168,00 Euro

Siemens
Wichtige Zäsur


Der Industriekonzern will seine Energiesparte 2020 ausgliedern. Der Kern von Siemens werden danach die Industrieautomatisierung ("Digital Industries"), Gebäude- und Infrastrukturtechnik ("Smart Infrastructure") sowie die Bahntechnik sein. Die Umstrukturierung soll das Profil des Konzerns schärfen und die Aktie attraktiver machen. Nebenbei gibt es eine zuverlässige Dividende und eine Dividendenrendite über DAX-Niveau.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 135,00 Euro
Stoppkurs: 82,00 Euro

Volkswagen Vz.
Steigende Quote


Der Dieselskandal ist aus Sicht der Börse längst Vergangenheit. Dank verbesserter Kostenkontrolle und hoher Nachfrage nach schweren Geländewagen entwickelt sich das operative Geschäft im Branchenvergleich gut. Der Umsatz legte in den ersten drei Quartalen um sieben Prozent zu, der bereinigte operative Gewinn um elf Prozent. Die niedrige Ausschüttungsquote von 20 Prozent erhöht das Steigerungspotenzial bei der Dividende.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 200,00 Euro
Stoppkurs: 128,00 Euro