Am 17. Februar ließ RWE die Katze aus dem Sack: Die Dividende für die Vorzugsaktien wird gekürzt und für die Stammaktien gestrichen. Ein Schock für die Anleger, schließlich hatte der Versorger die Stammaktien mindestens 57 Jahre lang immer bedient. Obwohl bei RWE die Geschäfte schon länger schlecht laufen, hatten besonders die Kommunen bis zuletzt gehofft. Denn zumindest temporär lässt sich eine Dividende aus der Substanz zahlen. Doch ewig funktioniert das nicht. Deshalb sollten sich Anleger stets fragen, wie stabil die Ausschüttungen favorisierter Titel sind. Denn schließlich sollen Dividendenaktien Stabilität ins Depot bringen. Doch diese Sicherheit trügt. Denn mit ConocoPhillips, BHP, Rolls-Royce oder Rio Tinto strichen weitere Unternehmen, denen die Dividenden bisher heilig schienen, ihre Ausschüttungen zusammen.

Erhöhte Aufmerksamkeit ist auch angesagt, da das Niedrigzinsumfeld die Akteure auf der Jagd nach Rendite leichtsinnig macht. Nach Daten der Deutschen Bank führt die Beliebtheit der sogenannten Dividendenaristokraten (Unternehmen, die mindestens 25 Jahre in Folge ihre Dividenden erhöhen) in den USA dazu, dass deren Kurs-Buchwert-Verhältnis inzwischen doppelt so hoch ausfällt wie beim Gesamtmarkt. Auch die Dividendenaristokraten selbst gehen höhere Risiken ein. So ist die Verschuldung, gemessen am Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda), seit der Finanzkrise vom 1,3-Fachen auf das Zweifache gestiegen. Aus einem Bewertungsabschlag von zwei Drittel zum Gesamtmarkt ist dadurch ein Aufschlag von zehn Prozent geworden.

Relativ einfache Methoden helfen, von Kürzungen nicht überrumpelt zu werden. So kann eine hohe Dividendenrendite ein Signal für operative Probleme sein. Anleger sollten zudem Gewinnwachstum und -schwankungen, das Rating sowie das durchschnittliche Verhältnis von Gewinn zur Ausschüttungssumme im Blick haben.

Die optimale Ausschüttungsquote hängt zwar auch vom Geschäftsmodell ab und davon, wie oft - gemessen am Ergebnis - zu viel ausbezahlt wird. Aber ab 75 Prozent sind die Quoten als ambitioniert einzustufen. Die Société Générale nennt folgende Faktoren als Alarmsignale: eine schwache Zwölfmonatsperformance, eine hohe Volatilität, eine niedrige Profitabilität (gemessen an Eigenkapitalrendite, Gesamtkapitalrendite und Höhe der Rückstellungen) sowie eine geringe Bilanzqualität. Der Schlüssel ist also eine hohe Bilanzqualität und die operative Performance. "Was zählt, sind die künftigen Cashflows und der Preis, der für diesen Cashflow gezahlt werden muss", erläutert Andrew Lapthorne von der Société Générale. "Zur Beurteilung, ob eine Aktie günstig ist oder nicht, ist dabei die Rendite auf den freien Cashflow ein viel besseres Mittel als die Dividendenrendite."

Auch die Analysten von Credit Suisse HOLT vertrauen auf den Cashflow, der die Bareinnahmen eines Konzerns nach Abzug aller Kosten und Investitionen abbildet. Mit Blick auf den Deckungsgrad der Fixkosten (Fixed Charge Coverage Ratio), stellen die Analysten fest: Der Anteil besonders dividendenstarker Unternehmen in den USA, Japan und Europa außerhalb des Finanzsektors, die nicht mehr genügend Cash zur Begleichung aller Verpflichtungen inklusive Ausschüttungen erwirtschaften, ist auf den höchsten Stand seit 2001 gestiegen. Weitere Enttäuschungen sind daher zu erwarten.

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Riskantes Europa



Vertreter aus den Branchen Rohstoffe, Energie und Banken dürften besonders gefährdet sein. Vor allem in Europa dürfte so manche Ausschüttung wackeln. So setzen Dividenden-Futures die geschätzten Ausschüttungen für europäische Aktien für 2025 rund 30 Prozent unter dem Stand von 2016 an. Darüber hinaus zahlten 45 Prozent der Dividenden im Jahr 2015 Unternehmen aus den Bereichen Energie, Rohstoffe und Finanzen. In den USA und Japan ist dieser Anteil deutlich geringer.



Die Tabellen zeigen ausgewählte Aktien, bei denen die Dividende gefährdet erscheint, basierend auf einem niedrigen Verhältnis von freiem Cashflow zu Zinsen und Tilgungskosten, einer vergleichsweise hohen Nettoverschuldung zum Ergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen, Miete und Restrukturierungskosten und einem niedrigen Verhältnis von Nettobarmitteln zum Börsenwert. Wer das Warnsignal ernst nimmt, meidet Dividendenkürzer frühzeitig. Denn am stärksten verlieren sie - verglichen mit dem Gesamtmarkt - in den 200 Tagen vor der Bekanntgabe einer Kürzung oder Streichung, bevor es anschließend zu einer gewissen Stabilisierung kommt. Jürgen BüttnerEnergie, Finanzen, Rohstoffe: Diese drei Branchen zusammen schütten in Europa den Löwenanteil der Gewinne aus. Ausgerechnet hier befürchten Analysten der Credit Suisse für 2016 besonders deutliche Dividendenkürzungen.