Ein Vorspiel, das Spaß macht: Am 27. Januar lädt Siemens als erster DAX-Konzern in diesem Jahr zur Hauptversammlung. Als Punkt 2 auf der Tagesordnung steht das für Aktionäre wohl wichtigste Thema: die Dividende. 3,30 Euro will der Industriekonzern für jede Aktie ausschütten. Die Zustimmung der Aktionäre ist nur eine Formsache. Bei 827 Millionen ausstehenden Papieren wird Siemens somit 2,7 Milliarden Euro an die Anleger überweisen - so viel wie nie zuvor in der Geschichte des Konzerns.

Auch wenn die meisten DAX-Unternehmen erst im April und Mai endgültig über ihre Dividende entscheiden, zeichnet sich bereits ein Rekordjahr ab. BÖRSE ONLINE erwartet, dass die 30 deutschen Topkonzerne fast 30 Milliarden Euro als Gewinnbeteiligung an ihre Aktionäre ausschütten und damit die alte Bestmarke aus dem Jahr 2012 um fast zwei Milliarden Euro überbieten. Die Basis der Hochrechnung sind vom Datendienst Bloomberg ermittelte Konsensschätzungen der Analysten. Demnach werden mehr als 20 der 30 DAX-Konzerne ihre Ausschüttung im Vergleich zum Vorjahr anheben. Besonders groß ist das Plus bei Infineon. Der Chiphersteller wird seine Zahlung um 50 Prozent aufstocken. Unter den Schwergewichten im Index wird von Volkswagen ein überdurchschnittlich hoher Aufschlag von rund 22 Prozent erwartet. Als bislang einziger DAX-Konzern hat Eon eine Kürzung angekündigt. Bei der Commerzbank dürften Anleger wie schon in den Vorjahren leer ausgehen - nach Einschätzung der Analysten die einzige Nullnummer im Index.

Die Spendierfreude der Konzerne mag zunächst überraschen. Schließlich schlittert Europa am Rande einer Rezession entlang. Auch die deutsche Wirtschaft wächst kaum - eigentlich kein gutes Umfeld für Rekorde. Doch viele Unternehmen können sich vom ökonomischen Siechtum der Eurozone absetzen.

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Konzerngewinne steigen weiter

Nach Berechnungen des Bankhauses Lampe haben die 30 DAX-Mitglieder im vergangenen Jahr fast 78 Milliarden Euro verdient - rund fünf Prozent mehr als 2013. Möglich machen das die internationale Aufstellung der Konzerne, die Expansion in neue Geschäftsfelder und natürlich auch eine harte Kostenkontrolle. Der Dividendenrekord des DAX spiegelt aber auch einen anderen Trend wider: den wachsenden Stellenwert der Dividende. Im Schatten sinkender Zinsen bei Staatsanleihen und Festgeld sind Ausschüttungen der Konzerne als Baustein in der Vermögensplanung immer wichtiger geworden. Während etwa eine zehnjährige Bundesanleihe deutlich weniger als ein Prozent Rendite abwirft, lassen sich über die Dividende des DAX rund drei Prozent verdienen. Zwar sind die Kursschwankungen bei Aktien deutlich größer, der Renditevorteil von verlässlichen Dividendenpapieren ist aber ein starkes Argument.

Unternehmen reagieren auf die Renditenot der Finanzwelt, indem sie mit einer klaren Dividendenpolitik eine möglichst große Planungssicherheit geben. Inzwischen hat über die Hälfte der DAX-Konzerne konkrete Prozentzahlen als Orientierungshilfe für die Ausschüttungsquote ausgegeben. Bei Siemens beispielsweise sind es 40 bis 60 Prozent des Nachsteuergewinns.

Ein deutliches Zeichen setzt die Allianz. Der Versicherungskonzern hat seine Dividendenpolitik komplett überarbeitet: Statt 40 Prozent will die Allianz künftig 50 Prozent des Jahresgewinns ausschütten. Außerdem soll die Dividende in jedem Jahr zumindest auf Vorjahresniveau liegen. Das würde bedeuten, dass der Konzern in schwächeren Jahren über die angestrebte Ausschüttungsquote hinausgeht. Zusätzlich sind Sonderausschüttungen möglich.

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Der neue Spitzenreiter

Mit der neuen Dividendenpolitik dürfte die Allianz sofort zum Topzahler im Index aufsteigen. Bei einer von Analysten erwarteten Dividende von sieben Euro je Aktie und 457 Millionen Papieren würde die Allianz über drei Milliarden Euro verteilen und damit Siemens, Daimler, BASF und die Deutsche Telekom übertreffen. Während die meisten Konzerne guten Gewissens große Summen verteilen können, ist bei anderen Bescheidenheit ratsam. Etwa bei HeidelbergCement. Der Baustoffhersteller hat sich zum Ziel gesetzt, 30 bis 35 Prozent seines Gewinns auszuschütten, ist in den vergangenen Jahren aber oft unter dieser Quote geblieben. Grund ist die hohe Verschuldung des Konzerns, der 2007 im Übernahmefieber der Branche teuer eingekauft hatte und noch immer mit mehr als sieben Milliarden Euro in der Kreide steht.

Die Dividende einer AG ist nicht nur eine Gewinnbeteiligung der Aktionäre. Aufsichtsrat und Vorstand von Adidas können mit ihrem Dividendenvorschlag das Signal setzen, dass der Sportartikelkonzern trotz der Rückschläge im vergangenen Jahr auf dem richtigen Weg ist. Mehrere Analysten jedenfalls erwarten, dass die Franken die Dividende trotz Gewinnrückgang auf Vorjahresniveau halten. Da Adidas praktisch schuldenfrei und weiterhin profitabel ist, wäre das problemlos zu finanzieren. Kniffliger ist die Situation bei Lanxess. Der Chemiekonzern könnte 2014 erneut rote Zahlen erwirtschaftet haben. Man habe das "Tal der Tränen" noch nicht durchschritten, warnte Konzernchef Matthias Zachert kurz nach Weihnachten. Gut möglich also, dass sich diese Vorsicht auch im noch ausstehenden Dividendenvorschlag niederschlägt. Selbst wenn Lanxess die Dividende streichen sollte - angesichts einer Ausschüttungssumme von nur 46 Millionen Euro im vergangenen Jahr sind die Probleme bei Lanxess keine Gefahr für den Dividendenrekord des DAX.

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Munich Re: Die längste Erfolgsserie aller DAX-Konzerne



Die Versicherungskonzerne Munich Re und Allianz liegen in unserem Dividendenranking nahezu gleichauf. Die Rendite der Allianz ist etwas höher, auch die Aussicht auf Sonderausschüttungen dort ist verlockend für Anleger, denen Erträge wichtiger sind als Kurssteigerungen. Munich Re hat letztlich dank der besseren Dividendenhistorie im Duell der Versicherer die Nase leicht vorn. In den vergangenen zehn Jahren wurde die Zahlung achtmal angehoben. Einzigartig im DAX: Seit 1969 hat Munich Re die Ausschüttung jedes Jahr zumindest auf Vorjahresniveau gehalten. Das ist natürlich keine Garantie für die Zukunft, verdeutlicht aber die Finanzkraft des Konzerns. Zusätzlich kauft Munich Re regelmäßig eigene Aktien zurück. Das stützt den Aktienkurs und erleichtert künftige Dividendenzahlungen, da entsprechend weniger Papiere bedient werden müssen. Auch bei Munich Re, die als Rückversicherer die Risiken von Versicherungen abdeckt, hat die vergleichsweise hohe Rendite ihren Preis: Durch die niedrigen Zinsen wird es für den Konzern immer schwieriger, mit seinem Kapital Erträge zu erwirtschaften. Als einer der Branchenriesen sollte sich Munich Re jedoch deutlich besser behaupten als kleinere Konkurrenten. Mehr als eine geringe Dividendenanhebung sollten Anleger vorerst aber nicht erwarten.





BASF: Geduld macht sich bezahlt



Unruhige Zeiten für den Chemiekonzern BASF. Der Kurssturz des Ölpreises drückt die Erträge der Tochtergesellschaft Wintershall. Wegen der politischen Spannungen mit Russland ist ein großer Deal mit Gazprom geplatzt. Die Gewinnprognose für das Jahr 2015 hat BASF mit Verweis auf eine "geringere Dynamik in den Schwellenländern und eine verzögerte Erholung der europäischen Wirtschaft" bereits nach unten korrigiert. Das schlug sich auch im Kurs nieder. Der Favorit der Redaktion rauschte unglücklich durch unseren Stopp; langfristig sehen wir die Aktie aber weiter als Kauf. Insbesondere mit Blick auf die Dividende zeigt die Schwächephase der Aktie Charme: Derzeit bietet das BASF-Papier eine Dividendenrendite von mehr als vier Prozent. So viel war mit ihr bisher selten drin. Zudem dürfte die Lage in Ludwigshafen nicht so dramatisch sein, dass die Dividende in Gefahr wäre, zumal die Ausschüttung im Konzern einen hohen Stellenwert hat. Ausdrückliches Ziel ist es, die Dividende zumindest auf Vorjahresniveau zu halten und nach Möglichkeit zu steigern. Über die vergangenen zehn Jahre hat BASF die Zahlung an seine Aktionäre nur einmal gesenkt. Das war 2009 auf dem Höhepunkt der globalen Finanzkrise. Langfristig sollte BASF als weltgrößter Chemiekonzern auf Wachstumskurs bleiben.





BMW: Anleger hoffen auf ein Geschenk



Grund zum Feiern: Im kommenden Jahr begehen die Bayerischen Motorenwerke ihr hundertstes Firmenjubiläum. Einige Analysten erwarten, dass BMW dann eine Sonderdividende ausschüttet. Die Erfahrung zeigt, das eine solche Ankündigung den Kurs treibt. Konkretes ist aber frühestens wohl erst Ende des laufenden Jahres zu erwarten. Anleger sollten sich deshalb auf die Aussichten im operativen Geschäft konzentrieren. 2014 haben die Münchner erstmals mehr als zwei Millionen Fahrzeuge verkauft und sich als Marktführer in der Oberklasse behauptet. Auch bei der Marge liegt BMW vorn. Nachdem die Flotte der Münchner zuletzt ein wenig in die Jahre gekommen ist, werden wichtige Modelle wie die 7er-Reihe bald neu aufgelegt. Das wird im Konkurrenzkampf gegen Audi und Mercedes helfen. Größte Gefahr ist die Abhängigkeit von China, dem inzwischen wichtigsten Wachstumsmarkt der deutschen Autokonzerne. Eine starke Abkühlung der dortigen Wirtschaft würde auch BMW hart treffen. In puncto Dividende haben die Münchner aber bei einer relativ niedrigen Ausschüttungsquote von knapp über 30 Prozent noch einen Puffer. Wegen des zyklischen Charakters der Autoindustrie müssen sich Anleger auch auf Jahre mit sinkender Dividende einstellen. Gezahlt hat der Konzern in den vergangenen zehn Jahren aber immer.





ProSiebenSat.1: Zweites Standbein im Internet



Die TV-Sender der Mediengruppe sind nicht unbedingt für anspruchsvolle Inhalte bekannt. Formate wie "Schlag den Raab" kommen aber beim jungen und damit für die Werbewirtschaft wichtigen Publikum gut an. In Deutschland, Österreich und der Schweiz erreicht ProSiebenSat.1 mit 15 Sendern mehr als 42 Millionen Fernsehhaushalte. Zugleich ist der Konzern im Internet sehr aktiv: Über Maxdome ist ProSiebenSat.1 in Deutschland der größte Videoverleiher im Internet. Zusätzlich haben sich die Münchner an etlichen kleinen Internetfirmen beteiligt, die auf den TV-Sendern des Konzerns gratis werben und damit ihre Bekanntheit ausweiten können. Das Internetgeschäft ist noch vergleichsweise klein, wächst aber überdurchschnittlich und könnte über einen späteren Verkauf von Beteiligungen hohe Erträge bringen. Zusatzgeschäfte im Internet sollen den Medienkonzern aber auch unabhängiger von den stark schwankenden TV-Werbeerlösen machen, was die Dividende stützen würde. Die Mediengruppe will 80 bis 90 Prozent des bereinigten Nettogewinns ausschütten. Eine solch hohe Quote ist aus Aktionärssicht attraktiv, lässt aber wenig Luft, um die Dividende in wirtschaftlich schwächeren Jahren über eine höhere Quote zu stützen. Die hohe Dividendenrendite der Aktie spiegelt diese Unsicherheit wider.





Freenet: Die höchste Ausschüttung



Viele Telekomkonzerne haben ihren Ruf als sichere Dividendenzahler eingebüßt. Der intensive Wettbewerb und die hohen Kosten für den Ausbau der Infrastruktur haben den Großen der Branche zugesetzt. Aus Aktionärssicht besser geschlagen haben sich oft kleinere Dienstleister wie Freenet. Das Hamburger Unternehmen betreibt keine eigene Netzinfrastruktur. Stattdessen vermarktet es bundesweit unter eigenem Namen und auf eigene Rechnung Mobilfunkdienstleistungen der großen Netzbetreiber Deutsche Telekom, Vodafone, E-Plus und O2. Auch die Handelskette Gravis, einer der größten Verkäufer von Apple-Produkten, zählt zu Freenet. Das Geschäftsmodell des Unternehmens ähnelt dem des nach Umsatz kleineren Konkurrenten Drillisch. Beide Aktien fallen durch ihre außerordentlich hohe Dividendenrendite, aber auch extreme Ausschüttungsquoten auf. Die Pufferzone, um unangenehme Überraschungen im operativen Geschäft über eine höhere Quote aufzufangen, ist also gering. Zu den Risiken zählen die Abhängigkeit von den großen Netzbetreibern und der gnadenlose Preiskampf in der Branche. Die höhere Rendite, aber auch die niedrigere Ausschüttungsquote sprechen im Vergleich der beiden Telekomwerte des TecDAX aus Sicht eines Dividendenjägers derzeit für die Freenet-Aktie.





TAG Immobilien: Dividendenrendite in attraktiver Lage



Die Immobilienpreise in vielen Regionen Deutschlands sind deutlich gestiegen. Zugleich sind die Zinsen niedrig. Von beiden Trends profitieren Immobiliengesellschaften. Denn: Der Wert ihrer Bestände steigt, zugleich können sie Investitionen billig finanzieren. Durch eine Erweiterung des Portfolios können Immobilienfirmen ihre Kosten senken und damit die Profitabilität verbessern. Die regelmäßigen Mieteinnahmen machen Immobilienwerte zu relativ verlässlichen Dividendenzahlern. TAG Immobilien gehört mit mehr als 70 000 Wohnungen zu den kleineren Immobilienwerten an der Börse. Schwerpunkt des Portfolios sind Wohnimmobilien in Nordrhein- Westfalen, in Nord- und in Ostdeutschland - also auch in eher strukturschwachen Regionen. Das erklärt, weshalb sich die TAG-Aktie im vergangenen Jahr nicht so gut entwickelt hat wie andere Titel der Branche. Positiver Nebeneffekt dieser Schwäche: Die Dividendenrendite der MDAX-Aktie ist überdurchschnittlich hoch. In unserer Rangliste schafften es die Hamburger aufgrund der schlechten Historie nicht auf die vorderen Plätze. Im Fall TAG hat die Vergangenheit jedoch nur begrenzte Aussagekraft. Solange der Boom am deutschen Immobilienmarkt anhält, sollten Firmen wie TAG in der Lage sein, ihre hohen Ausschüttungsquoten zu halten.