Klar sei aber auch, dass die Rücknahme der Anti-Krisen-Maßnahmen ein Drahtseilakt sei, sagte Schmidt. Mit Nullzinsen und milliardenschweren Anleihenkäufen habe die EZB den Reformdruck von hoch verschuldeten Staaten genommen.

Viele Regierungen hätten sich in der Welt des billigen Geldes eingerichtet, bekräftigte der Präsident des Münchner ifo-Instituts, Clemens Fuest: "Die EZB nimmt die südeuropäischen Staaten sehr stark in den Blick und hofft, dass die niedrigen Zinsen dazu führen, dass sich diese Staaten irgendwann entschulden. Aber das wird nicht passieren." Bislang sei die Notenbank ein Ausstiegsszenario schuldig geblieben.

Nullzinsen und Strafzinsen für Bankeinlagen bei der EZB belasten die Finanzbranche. Dass die Notenbank zudem noch bis mindestens Ende 2017 Monat für Monat Milliarden in den Kauf von Staats- und Unternehmensanleihen steckt, verhindert nach Ansicht von Kritikern ein normales Funktionieren von Kapitalmärkten.

"Es ist hohe Zeit für den Ausstieg", sagte DZ-Bank-Chef Wolfgang Kirsch. Immerhin machten jüngste Äußerungen von EZB-Präsident Mario Draghi Hoffnung, "dass die EZB die Glocken endlich läuten hört", sagte Kirsch - "wenn wir uns auch ein entschlosseneres Vorgehen wünschen würden".

Draghi hatte Anfang dieser Woche im portugiesischen Sintra von einer "graduellen Anpassung" der EZB-Politik gesprochen, zugleich jedoch betont: "Anpassungen müssen schrittweise gemacht werden - und nur, sofern die verbesserte (wirtschaftliche) Dynamik, die sie rechtfertigt, hinreichend sicher ist." Eine abrupte Kehrtwende ist von der Zentralbank nicht zu erwarten. Draghi bekräftigte: "Wir brauchen Ausdauer in unserer Geldpolitik."

Volkswirte erwarten für diesen September konkretere Hinweise der Währungshüter zum weiteren Kurs der EZB. Mehrheitlich rechnen Ökonomen damit, dass die Notenbank 2018 zunächst ihr gewaltiges Anleihenkaufprogramm allmählich auslaufen lassen wird und erst danach die Zinsen langsam wieder anhebt.