In Frankreich zeigen sich zudem die Folgen einer fehlenden Opposition. Präsident Macron hat keinen richtigen Verhandlungspartner, da es sowohl an einer echten politischen Opposition mangelt und selbst die Gewerkschaften sich nicht an dieser gesellschaftlichen Diskussion beteiligen. Damit fehlt die Kanalisierung und Gesprächsbereitschaft - für den demokratischen Prozess ein sehr schwieriges Umfeld.

Macron macht es sich zunächst einfach, er verteilt Geld und versucht damit, den Protesten den Wind aus den Segeln zu nehmen. In seiner Rede am 10. Dezember zeigte er natürlich Verständnis für den Widerstand in der Bevölkerung gegen seine Politik. Nach dieser Geste des Entgegenkommens kündigte er zahlreiche Maßnahmen an, die schon Anfang 2019 eingeführt werden und zu einer Entlastung der privaten Haushalte führen sollen. Damit richtet er sich im Wesentlichen an die Geringverdiener und Rentner:
• Rentner sollen erst ab 2.000 Euro Rente (nicht wie bisher ab 1.200 Euro) höhere Sozialsteuern zahlen. Dies betrifft vor allem die Sozialabgabe CSG (Contribution Sociale Généralisée).
• Der Mindestlohn soll um 100 Euro pro Monat steigen. Damit die Unternehmen dadurch nicht belastet werden, wird der Zuschuss als Sozialhilfe vom Staat gewährt. Damit steigt der Mindestlohn dann auf monatlich knapp 1.600 Euro.
• Anfallende Überstunden werden ab dem kommenden Jahr nicht mehr besteuert.
• Sofern Unternehmen in der Lage sind, Weihnachtsgeld oder Zulagen zu zahlen, werden diese vom Staat nicht mehr besteuert.

Aber Macron hat nicht alle Segel seiner Reformagenda gestrichen. Er will nicht bei der Vermögenssteuer, deren Abschaffung ihm den Ruf eines "Präsidenten der Reichen" einbrachte, zurückrudern. Zu den weiteren Reformplänen äußerte er sich allerdings nicht.

Macron verzichtete auch darauf, eine Gesamtsumme für die aufgelisteten Maßnahmen zu nennen, die den ohnehin angespannten Staatshaushalt belasten werden. Hinzu kommt noch die bereits zuvor angekündigte Aufhebung der Umweltsteuer auf Benzin und Diesel. Das Gesamtpaket dürfte sich auf 7 Mrd. bis 10 Mrd. Euro belaufen, das entspräche 0,3% bis 0,4% des Bruttoinlandsprodukts. Allein die Zahl der Mindestlohnempfänger beläuft sich in Frankreich auf rund 1,6 Millionen. Das Land dürfte ohne entsprechende Maßnahmen zur Gegenfinanzierung damit erneut die Grenze von 3% in Relation zum BIP bei der Neuverschuldung reißen. Bisher sieht die Planung für 2019 ein Haushaltsdefizit von 2,8% der Wirtschaftsleistung vor.

Zwar steigt das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte durch die versprochenen Entlastungen, was den privaten Konsum und damit das Wirtschaftswachstum etwas ankurbeln sollte. Dieser positive Effekt dürfte aber geringer ausfallen. Somit sollten die Wachstumseffekte zwar positiv, aber nicht sehr groß sein. Jedoch geht eine Beschleunigung des Wachstums zulasten der Staatsverschuldung. Damit reiht sich Frankreich in die Reihe der Länder, die mit einer plumpen Erhöhung der Staatsverschuldung das Wachstums beschleunigen wollen und damit den Unmut einiger beruhigen wollen. Eine nachhaltige und intelligente Wirtschaftspolitik ist dies nicht.

Stefan Bielmeier ist Chefvolkswirt der DZ-Bank.