Viele Schüler und Studenten stehen immer wieder vor dem Problem, dass sie den Stoff nicht verstehen. Vor allem bei Mathematik, Physik, Chemie und Sprachen. Und auch Eltern können ihren Kindern oftmals nicht helfen. Die schulischen Anforderungen an die Sprösslinge nehmen zu, ebenso der gesellschaftliche Trend hin zu einer weiterführenden Ausbildung. Denn mittelmäßige schulische Leistungen reichen oft nicht mehr aus, wenn die angepeilte Karriere gelingen soll.

Kein Wunder also, dass sich der E-Learning-­Markt - also alle Formen von Lernen, bei denen elektronische oder digitale Medien genutzt werden, um Informationen und Lerninhalte zu präsentieren - fortlaufend hoher Wachstumsraten erfreut. Allerdings hinkt Deutschland im internationalen Vergleich hinterher.

Obwohl viele Lehrer laut Umfragen dem Thema aufgeschlossen gegenüberstehen, sind zahlreiche Bildungsstätten technisch nicht gut ausgerüstet, was sich aber laut Staatsministerium für Digitalisierung ändern soll. Eine aktuelle Umfrage des Verbands Bildung und Erziehung unter deutschen Schulleitern hat beispielsweise ergeben, dass schnelles Internet nicht in allen Klassenzimmern verfügbar ist. Auch an der nötigen Hardware mangelt es. Es besteht immer noch großer Nachhol­bedarf. Der Milliardenmarkt, der hier gerade entsteht, ist also aus Anlegersicht mehr als nur einen Blick wert.

Die Musik spielt in China


Unternehmen wie etwa TAL Education aus Peking stehen bereits in den Startlöchern, um den Zukunftsmarkt aktiv mitzugestalten. Die Entwicklung der Zahlen ist beeindruckend. Bis 2023 soll laut MarketersMedia der weltweite E-Lear­ning-Markt ein Gesamtvolumen von 423 Milliarden US-Dollar erreichen. Diese Zahl beinhaltet allerdings auch Schulungen und Weiterbildung in Unternehmen, bezieht sich also nicht nur auf den Schulbereich. Aber die prognostizierten jährlichen Wachstumsraten belaufen sich damit auf beeindruckende 24 Prozent.

Das chinesische Schwergewicht TAL Education ist für diesen Trend gut aufgestellt. Das Reich der Mitte hat längst den Status als Entwicklungsland abgeschüttelt. Eine wohlhabende Mittelschicht ist entstanden, die große Summen dafür aufbringt, ihren Kindern einen guten Start ins Berufsleben zu ermöglichen.

Mit einem kombinierten System aus traditionellen Klassenzimmern, privaten Nachhilfelehrern und Online-Nachhilfeplattformen bietet TAL Education für Grundschüler bis zum angehenden Uni-Studenten ein breites Spektrum. Dabei deckt das Unternehmen mit Sprachkursen, Mathematiknachhilfe bis hin zur Vorbereitung auf Uni-Aufnahmeprüfungen einen großen Bereich ab. Das durchschnittliche jährliche Wachstum von 48 Prozent seit 2011 beweist, dass das Konzept bei der Schülerschaft gut ankommt.

Allerdings ist die Aktie mit einem KGV von 30,8 sportlich bewertet. Zudem wird der Titel aktuell mit dem knapp Neunfachen des jährlichen Umsatzes bewertet. Diese hohe Bewertung scheint gerechtfertigt, sofern die hohen Wachstumserwartungen auch weiterhin erfüllt werden. Bilanziell ist der Konzern jedenfalls sehr solide aufgestellt. Die Eigenkapitalquote liegt bei ordentlichen 67 Prozent, und auch die Kriegskasse ist mit knapp 1,5 Milliarden US-Dollar ausreichend gefüllt.

Allerdings wurden in der Vergangenheit auch schon Stimmen laut, dass das Unternehmen bei der Bilanzierung etwas zu kreativ gewesen sein könnte. Durch die vermuteten Bilanztricksereien wären die Gewinnausweisungen zu hoch gewesen. Wir berichteten in BÖRSE ONLINE Ausgabe 26/2018 darüber.

Der größte Anbieter von privaten Bildungsdienstleistungen in China, New Oriental Education & Technology Group, wirkt mit einem KGV von 27,5 nicht wie eine unentdeckte Perle. Allerdings ist das Kurs-Umsatz-Verhältnis der Aktie mit einem Wert von 5,48 im Vergleich zu TAL etwas günstiger, wobei New Oriental in den vergangenen neun Jahren mit "lediglich" 26 Prozent etwas langsamer wuchs.

Auch in Sachen Profitabilität hat TAL leichte Vorteile. Bilanziell wirkt New Oriental aber ebenso gut aufgestellt und fit für die Zukunft. Das ausschließlich auf China fokussierte Geschäftsmodell der beiden Wettbewerber ist sich sehr ähnlich. Beide unterhalten Hunderte von Ausbildungszentren mit steigender Tendenz und bieten Lösungen mit persönlichen Nachhilfelehrern an. Zudem fokussieren sich die Konzerne zusehends auf den lukrativen und schnell wachsenden E-Learning-Markt.

Großer Markt in den USA


Das US-amerikanische Gegenstück Chegg Inc. fokussiert sich bereits auf seine Online-Lernplattformen für den US-Markt. Dabei können Studenten ihr Smartphone, Tablet oder den PC zum Lernen mit Chegg-Software nutzen. Das Unternehmen unterstützt die Studenten durch eine eigens entwickelte künstliche Intelligenz beim Schreiben von Aufsätzen sowie beim Lösen und Verstehen von Mathematikaufgaben. Sogar mit einem persönlichen Nachhilfelehrer können Schüler und Studenten bei Bedarf online kommunizieren. Wer speziell auf das Thema E-Learning setzen will, könnte somit bei dieser Aktie fündig werden. Die Amerikaner beeindrucken mit starken Wachstumszahlen.

So legte der Umsatz zwischen 2017 und 2018 um 26 Prozent zu. Allerdings ist der Konzern im Gegensatz zu seinen chinesischen Konkurrenten von der Gewinnzone noch ein gutes Stück entfernt, was zum Teil auch an den hohen Werbekosten liegt. Schließlich gibt das Unternehmen in etwa fünf Prozent vom Umsatz für Werbung aus. Daneben investieren die Amerikaner kontinuierlich in die qualitative und quantitative Erweiterung ihrer Plattformen, was ebenso am Ergebnis nagt. Im Gegensatz zur chinesischen Konkurrenz hat Chegg durch seine Fokussierung auf online­basiertes Lernen jedoch eine wesentlich günstigere Kostenstruktur und damit für die Zukunft einen nicht unerheblichen Vorteil auf seiner Seite. Das könnte sich auf den Aktienkurs künftig positiv auswirken.

Chegg kann also sowohl beim Umsatz als auch beim operativen Ergebnis in gleichem Maße wachsen. Durchaus denkbar wäre auch, dass man sich durch weitere Übernahmen Wachstum zukauft. Schließlich hat sich der Konzern erst kürzlich frisches Kapital besorgt und verfügt dadurch über eine knappe Milliarde US-Dollar, die für mögliche Zukäufe eingesetzt werden könnte. Bewertungstechnisch wirkt die Aktie von Chegg am teuersten. Das aktuelle Kurs-Umsatz-Verhältnis beziffert sich auf einen stattlichen Wert von 12,39, ein KGV sucht man mangels Gewinne vergeblich.

Ambitionierte Bewertung


Investoren scheinen jedoch Gefallen an der Story rund um E-Learning und Onlinenachhilfe gefunden zu haben. Für die Hoffnung auf weiterhin hohe Wachstumsraten wird demnach auch eine höhere Bewertung in Kauf genommen. Diese Hoffnung scheint durchaus begründet. Ist Cheggs Plattform erst einmal ausgebaut und etabliert, ergeben sich durch die möglichen Skalierungseffekte spannende Aussichten für die Aktie. BÖRSE ONLINE hatte Chegg allerdings Anfang April (Ausgabe 14/2019) in Zusammenhang mit einem Betrugsskandal an US-Universitäten auf die Schwarze Liste gesetzt. Seither gab es keine neuen Erkenntnisse. Wir bleiben erst einmal zurückhaltend.

Fantasievolle Story

Die Storys rund um die vorgestellten Aktien bieten reichlich Fantasie. Allerdings sollten Anleger beachten, dass die Titel in den vergangenen Monaten bereits gut gelaufen und nicht mehr günstig sind. Die Bewertung rechtfertigt sich nur dann, wenn auch die Wachstumsdynamik weiterhin anhält. Werden Investoren diesbezüglich in ihren Erwartungen enttäuscht, drohen den Werten auch schnell zweistellige Kursverluste. Künftig wird sich das Thema E-Learning noch ausweiten und viele neue Möglichkeiten eröffnen. Anleger sollten diese zukunftsträchtige Branche im Auge behalten.