Wenn nicht, werden wir uns trotz der bevorstehenden Hitzewelle im wahrsten Wortsinn warm anziehen müssen. Nicht erst im Winter könnte es ungemütlich werden. Teile der Industrieproduktion könnten schon vorher stillstehen, eine Rezession wäre kaum noch zu vermeiden. Keine guten Aussichten für die Börse.

Russlands Präsident Wladimir Putin spielt mit den Ängsten der Europäer und erschließt sich gleichzeitig neue Einnahmequellen. Nicht nur Indien und China freuen sich über billige Öllieferungen aus seinem Riesenreich. Auch Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro will nach eigenem Bekunden sein "freundschaftliches Verhältnis" zu Wladimir Putin nutzen, um günstig an Energie, in erster Linie Diesel, zu kommen. Wegen der hohen Treibstoffkosten sieht der Autokrat seine Wiederwahl gefährdet, da ist wohl jedes Mittel recht. Es scheint, als würden sich die einst hochgejubelten BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) gegen die freie Welt verbünden. Auf der anderen Seite muss man berücksichtigen, dass es das gute Recht von Nationen mit geringerem Lebensstandard ist, die Armut im eigenen Land zu bekämpfen. Auch Deutschlands Sanktionen gegen Moskau gehen nicht so weit, dass sie unseren Wohlstand gefährden könnten. Ein Teil dieses Wohlstands beruht eben auch auf dem Handel mit Ländern, deren politische Führung uns missbehagt.

Zusammen haben die BRICs mehr als 3,2 Milliarden Einwohner, das entspricht 40 Prozent der Weltbevölkerung. Mit anderen Worten: ein gigantischer Markt. Die Kehrseite der Medaille zeigt sich gerade. Warum vor allem bei Investitionen in Russland jahrzehntelang auf das "erhöhte politische Risiko" hingewiesen wurde, erfahren deutsche Privatanleger jetzt am eigenen Leib. Der halbstaatliche Gazprom-Konzern hat seine ADRs gekündigt, und im Moment sieht es danach aus, als seien Anleger dazu verdammt, ohnmächtig zuzusehen, wie sich ihre Investition weitgehend in Luft auflöst. Unser Autor Stephan Haberer hat sich dahintergeklemmt und alle Möglichkeiten für Anleger ausgelotet, wenigstens noch einen Teil des Geldes zu retten. Das ernüchternde Ergebnis seiner Recherche lesen Sie ab Seite 108.

Warum wir trotz der kritischen Börsenlage und der wenig erbaulichen Konjunkturaussichten den Mut nicht verlieren, erfahren Sie in unserer Titelgeschichte. Zehn Redaktionsmitglieder geben Einblick in ihre privaten Depots - eine sicher nicht ganz alltägliche Aktion, zumal man dabei in Verdacht geraten könnte, seine eigenen Wertpapiere anpreisen zu wollen. Sie werden jedoch feststellen, dass keine Positionen dabei sind, deren Kurse sich durch eine Empfehlung in BÖRSE ONLINE in irgendeiner Weise bewegen würden. Ganz davon abgesehen, dass sich alle teilnehmenden Kollegen verpflichtet haben, die vorgestellten Papiere in den nächsten zwei Wochen nicht zu handeln.

Ihr Jens Castner