Russland und die Ukraine weisen sich gegenseitig die Schuld für den Zwischenfall zu. Deutschland, die EU und die Nato riefen beide Seiten zur Deeskalation auf. Die EU-Kommission nannte das Verhalten Russlands inakzeptabel. Russland solle die ukrainischen Schiffe wieder zurückgeben. Der UN-Sicherheitsrat wird im Laufe des Tages auf Antrag beider Länder zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkommen. In Berlin wollten hochrangige Diplomaten Deutschlands, Frankreichs, der Ukraine und Russlands im sogenannten Normandie-Format über eine Beruhigung der Lage beraten. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sicherte der Ukraine die volle Unterstützung für ihre territoriale Integrität zu.

Frankreich forderte Russland zur unverzüglichen Freilassung der festgesetzten ukrainischen Besatzungen und zur Freigabe der beschlagnahmten Schiffe auf. Die Anwendung von Gewalt durch Russland scheine durch nichts gerechtfertigt zu sein, heißt es in einer Erklärung des französischen Außenministeriums. Russland warf dagegen der Ukraine vor, sie wolle in Absprache mit der EU und den USA einen Konflikt mit Russland provozieren. Die Aktionen in der Straße von Kertsch solle als Vorwand dienen, um den Westen zu weiteren Sanktionen gegen Russland zu bringen, erklärte das Außenministerium in Moskau. Der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin sagte in Kiew, er schließe weitere russische Aggressionen zu Land oder zu Wasser nicht aus. Sein Land habe das Recht auf Selbstverteidigung gegen Russland.

Die Krise begann am Sonntag, als Russland mit Hilfe eines Frachtschiffs drei ukrainischen Marinebooten die Einfahrt ins Asowsche Meer verwehrte. Mindestens zwei russische Kampfflugzeuge flogen nach Augenzeugenberichten über den Schauplatz der Konfrontation. Russischen Fernsehberichten zufolge wurden auch russische Kampfhubschrauber in der Region stationiert. Russische Grenzschutzboote beschossen dann nach übereinstimmenden Angaben der russischen und der ukrainischen Regierung vor der Halbinsel die ukrainischen Marineschiffe und verletzten dabei mehrere Matrosen. Anschließend beschlagnahmten sie die Boote und brachten sie in den Hafen von Kertsch. Russischen Angaben zufolge befinden sich die drei verletzten ukrainischen Matrosen nicht in Lebensgefahr. Sie würden medizinisch behandelt.

Russland verteidigte das Vorgehen in der Straße von Kertsch als gerechtfertigt, weil die ukrainischen Marineboote illegal in russische Gewässer eingedrungen seien und auch auf Aufforderungen zu stoppen, nicht reagiert hätten. Überdies hätten die drei kleineren Schiffe versucht "illegale Handlungen" zu begehen, erklärte der Geheimdienst FSB nach Berichten russischer Nachrichtenagenturen. "Als Ergebnis wurden alle drei ukrainischen Marineboote in Hoheitsgewässern der russischen Föderation beschlagnahmt", teilte der FSB mit, der auch für den Grenzschutz zuständig ist.

MAAS NENNT ENTWICKLUNG BESORGNISERREGEND



Bundesaußenminister Heiko Maas sprach von einer besorgniserregenden Entwicklung. "Eine russische Blockade der Durchfahrt ins Asowsche Meer ist nicht akzeptabel", twitterte er. "Wichtig, dass diese Blockade aufgehoben wird. Wir rufen beide Seiten zur Deeskalation auf." Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, "wir hoffen, dass beide Seiten eine Beruhigung der Lage anstreben". Die freie Durchfahrt ins Asowsche Meer müsse gewährleistet sein. Zuvor hatten schon die EU und die Nato ähnliche Appelle veröffentlicht. Laut der russischen Nachrichtenagentur RIA gab Russland am Montag die Meerenge von Kertsch für den Schiffsverkehr wieder frei.

Die Regierung in Kiew verurteilte das russische Vorgehen als aggressiven militärischen Akt. Sie rief die internationale Gemeinschaft auf, Russland zu bestrafen. Sollte das Parlament am Montag dem Antrag auf Verhängung des Kriegsrechts für 60 Tage stattgeben, würde dies den staatlichen Stellen erheblich mehr Befugnisse geben und das zivile Recht einschränken. In der Ukraine sollen im kommenden Jahr Präsidentenwahlen stattfinden. Umfragen deuten auf eine Niederlage Poroschenkos hin.

Russland hat die Krim 2014 annektiert und durch den Bau einer Brücke eine Landverbindung zu Südrussland geschaffen. Wegen der Annexion hatten die USA und die Europäische Union Sanktionen gegen Russland verhängt. Das Asowsche Meer darf nach einer Vereinbarung zwischen den Nachbarstaaten befahren werden.

rtr