Er betonte zugleich: "Ein No-Deal-Brexit wird niemals unsere Entscheidung sein." EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte vor den Abgeordneten, das Europäische Parlament könne erst dann über die mit Großbritannien getroffene Scheidungsvereinbarung abstimmen, wenn diese zuvor vom Unterhaus in London ratifiziert worden sei. "Wir müssen nun sehr genau die Geschehnisse in Westminster beobachten." Aber es sei nicht vorstellbar, dass das EU-Parlament ein Abkommen billige, das noch nicht vom Unterhaus gebilligt sei. "Erst London, dann Brüssel und Straßburg."

Neun Tage vor dem angepeilten Brexit-Termin am 31. Oktober erhalten die Abgeordneten im Unterhaus erstmals Gelegenheit zu einer grundsätzlichen Debatte über den Entwurf des 115 Seiten starken Withdrawal Agreement Bill (WAB), das die konkrete Umsetzung des EU-Austritts im britischen Recht festschreibt. Das Votum des Unterhauses ist für Premierminister Boris Johnson entscheidend. Die Parlamentskammer ist tief gespalten in Befürworter und Gegner des Brexit, und Johnson hat keine eigene Mehrheit.

Für 20.00 Uhr (MESZ) ist eine Abstimmung über das Withdrawal Agreement Bill geplant. Dann soll ein zweites Votum über den extrem engen Zeitplan der Regierung für das weitere Gesetzgebungsverfahren folgen. Nach bisherigem Vorhaben soll das Gesetz in nur drei Tagen durchs Unterhaus gebracht werden. Das wäre nach Angaben des Institute for Government, einem unabhängigen Beratungsgremium, weniger Zeit als für ein Gesetz zum Verbot des Einsatzes wilder Tiere im Zirkus angesetzt wurde. Frühere Gesetze, mit denen EU-Verträge umgesetzt wurden, diskutierte das Parlament an zehn bis 40 Sitzungstagen.

Würde Johnson in einer der beiden Abstimmungen unterliegen, wären seine Pläne für einen Austritt am 31. Oktober ob mit oder ohne Deal gescheitert. Er müsste dann entscheiden, ob er sich einem Gesetz beugt, nach dem er jeden von der EU angebotenen späteren Brexit-Termin akzeptieren muss, oder ob Großbritannien irgendwie ohne eine Vereinbarung austritt.

rtr